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Dummheit ein Tabu?

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.643
Liebes Forum,

ich möchte mich mal in die Nesseln setzen.

Wir sind alles aufgeklärte und gebildete, vernünftige und gut erzogene Menschen. Ich hab es noch nie erlebt, dass sich jemand traut auszusprechen, dass eine riesige Zahl von Menschen mitten unter uns offensichtlich ziemlich dämlich ist. Wir scheinen hier einerseits ein gewisses Mitleid mit den anderen zu haben, andererseits sind wir unsicher, nicht selbst in einigen Bereichen recht unreflektiert zu leben und weiterhin vermute ich, die Menschen haben eine gewisse Scham, sich selbst hier zu erhöhen. Man tut das nicht. Man könnte als überheblich gelten.

Würdet ihr öffentlich oder im Bekanntenkreis zugeben, dass Millionen von Bundesbürgern offensichtlich recht dumm sind? Ich verwende diesen Begriff absichtlich so umgangssprachlich-schwammig, weil ich ihn NICHT zerlegt haben möchte. Ich möchte hier eine Verbindung herstellen, zwischen eigener Dummheit und fremder Dummheit. Und ich möchte herausfinden, ob es auch von euch als Tabu empfunden wird, sich selbst als „nicht dumm“ hinzustellen...andere damit abzuwerten. Und ich möchte herausfinden, ob ihr meinen offensichtlich hier auch erkennbaren Hass auf Dummheit relativieren könnt, bzw. mir dazu Anregungen geben könnt, dessen Ursachen in mir zu ergründen.

Ich behaupte...wir haben ein riesengroßes Problem mit diesem Thema.

Wir nutzen lieber scheinheilig und in unserer bekannten Saubermannmanier die Dummheit der Menschen aus, um an ihnen Geld zu verdienen und sie auf sämtlichen Gebieten auszubeuten. Ich behaupte, wir sind miese hinterhältige Feiglinge, wenn wir unser Gewissen beruhigen und unser Ansehen in der Öffentlichkeit mit Bescheidenheit und Demut schmücken, hintenherum aber austrixen und ausnutzen, dass es raucht.

Ich will die Dummen nicht ändern, weil ich es nicht kann, und für mich ist Dummheit ein ganz anderer Begriff als für mein Umfeld, aber ich möchte den Heiligenschein der „Klugen“ nutzen, um ihre Heuchelei zu beleuchten.

Viele Grüße
Bernd


PS: die interessantesten Heuchler finde ich unter den Fernsehmachern oder Politikern, die gebetsmühlenartig wiederholen, dass der Bürger gar nicht so unmündig sei und selbst entscheiden könne, was er kuckt, kauft und wählt. Manchmal hab ich den Eindruck, unter der Maske der Selbsttäuschung glauben einige von ihnen inzwischen selber, was für einen Schwachsinn sie da reden und wie nützlich ihre Arbeit sei.
 
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Hi Bernd!
Gefällt mir das Thema, bietet Zündstoff. Ich muß aber gleich weg von daher nur kurz.
Bernd schrieb:
Und ich möchte herausfinden, ob ihr meinen offensichtlich hier auch erkennbaren Hass auf Dummheit relativieren könnt, bzw. mir dazu Anregungen geben könnt, dessen Ursachen in mir zu ergründen.

Warum schreibst du von "offensichtlichem Hass auf Dummheit"?

Nach dem was du hier schreibst:
Bernd schrieb:
Ich will die Dummen nicht ändern, weil ich es nicht kann, und für mich ist Dummheit ein ganz anderer Begriff als für mein Umfeld, aber ich möchte den Heiligenschein der „Klugen“ nutzen, um ihre Heuchelei zu beleuchten.
ist für mich eher ein Hass offensichtlich (wenn man unbedingt von Hass sprechen muß, mir widerstrebt das), was die Menschen betrifft, die diese Dummheit ausnutzen um Vorteile zu ergattern und sich an ihnen zu bereichern.
Die Dummheit selber verurteilst du doch gar nicht, du stellst nur zu Recht fest, dass sie vorhanden ist und Probleme bereitet!?!
Oder irre ich jetzt da?

Bis später
Sal
 
Hallo, Bernd!

Wenn ich Dein Thema für mich mal aufdröseln will - und das will ich, scheinst Du zwei Fragen in einer zu " verwursten".


1. Wie gehe ich damit um, wenn ich für dumm verkauft werde. - Politik, Medien - Halb - oder Missinformation usw usw?

2. Wie gehe ich damit um, wenn ich mit Menschen verkehre, die meiner Meinung nach dumm sind?

ad 1) Nun, wenn ich merke, dass ich für dumm verkauft werde, bin ich ja nicht dumm und kann mich anders informieren - wenn das möglich ist - oder ich kann mich halb kaputt ärgern - was meistens wohl der Fall sein wird, weil uns allen - bis auf die jeweiligen KennerInnen der Materie - ja der echte Durchblick fehlt. Leider: Und das ist der Grund, dass wir " für dumm verkauft werden können".
Und darin liegt auch der Grund, dass wir uns meistens gar nicht schlau machen können, selbst, wenn wir es wollen. Wer liest schon alle Gesetzesvorlagen, kennt die neuesten Daten auf sämtlichen Fachgebieten, kennst sich im Bankenwesen aus - BAWAGskandal bei uns hier im Ösiland, als Beispiel.
In einer so hoch komplexen Gesellschaft wie sie es heute ist, ist die totale Informiertheit unmöglich und wir alle sind "dummheitsträchtig".

zu 2) ( da tue ich mich leichter mit der Antwort).

Jeder Mensch, der ehrliche Selbstbeschau übt, hält seine Meinung für die schlaueste, da er sie sich ja selbst gebildet hat. Daher gibt es auch über das Werturteil dumm/ schlau so viele Meinungen wie Köpfe. Ich bin klug und alle, die nicht dasselbe oder ähnlich wie ich denken, sind dumm.

Objektiv gesehen gibt es aber eben " hellere Köpfe" und weniger " helle".


Und da diese nicht nur hier im Forum zusammentreffen, sondern auch im real life, können wir allgemein feststellen,dass wir immer in einem Gefüge von Dummheit und Klugheit leben. Für die einen sind wir dumm, für die anderen klug. Sei`s drum.
Ich gehe auf Menschen, die mir wohlgemerkt mir dumm erscheinen noch wohler wohlgemerkt nach längerer oder kürzerer Beobachtungszeit, gar nicht ein. Freundliche Uninteressiertheit versuche ich aber immer durchzuhalten: also nix mit finsteren Grimassen schneiden oder so.

Damit kann ich leben, wenn sich Klügere mir gegenüber so verhalten. Ich merke das sehr schnell und bin dann auch freundlich zurückhaltend.


Es gibt - wenn wir von statistischen Untersuchungen des IQU mal absehen, und der misst das, was die Testersteller wissen wollen, beileibe nicht das gesamte Persönlichkeitsprofil des Probanden, also es gibt vom Imbezillen an aufwärts keine absoluten Dummerln.
Ich habe bemerkt, dass die meisten Menschen mir irgendwo überlegen sind. Vielleicht nicht im Gebrauch meiner Denkfähigkeit - aber die ist für mich nicht absolut ausschlaggebend für mein ganz persönliches Werturteil, ob jemand dumm oder klug ist.

Kluge - oder dumme - oder kluge ????? Grüße

Marianne
 
Stellvertretend für eigene lange Ausführungen zum Thema, hier eine gute Zusammenfassung deiner Frage:

Leitartikel aus der BAYERISCHEN STAATSZEITUNG vom 23. Juli 2004
Schule: allerorten umzingelt von Dummheit
Von Josef K r a u s
Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL)

http://www.lehrerverband.de/dummh.htm

Im übrigen bin ich durchaus der Meinung, dass eine wachsende Anzahl meiner Mitmenschen schlicht dumm ist. Das mag daran liegen, dass Intelligenz eine endliche Masse ist und täglich von immer mehr Menschen geteilt wird. Dazu stehe ich auch.

Generell gilt jedoch der Slogan der „Zeit“ noch immer und so aktuell wie nie zuvor:

„Der Kampf gegen die Dummheit hat gerade erst begonnen.“
 
Bernd schrieb:
Ich behaupte...wir haben ein riesengroßes Problem mit diesem Thema.

Ich behaupte...wir haben uns mit dem Thema schon mal beschäftigt. Ein Zitat aus dem Thread Schönheit/Intelligenz.
--------------------------------------------------------------------------------

Die so genannten "inneren Werte" werden in normativ gefärbten Diskursen immer noch meist den "äußeren Werten" vorgezogen.
Eine scheinbar klare Wahrheit, an die wir uns sehr gewöhnt haben.
Jemanden dumm zu nennen scheint weniger verwerflich als jemanden hässlich zu nennen.
Aber: Impliziert diese Wertung nicht, dass man sich innere Werte sozusagen "verdienen" kann? Aber: Kann man das? Bei Intelligenz ist dies sehr zu bezweifeln, aber selbst bei Moral...?
Muss man seine inneren Werte nicht auch als sozusagen unverdientes Privileg ansehen, genauso wie eine zufällig reine Haut und gute Proportionen?
Vielleicht liegt ja die Bevorzugung der Intelligenz nur daran, dass die Intelligenten die Meinungsführerschaft inne haben?!

Und wie ist es mit dem Streben nach Schönheit? Grundsätzlich ein oberflächlicher, verwerflicher Zug? Oder gibt es gar "intelligent" geprägte Schönheit (Ästhetik?)? Und hässliche Intelligenz?

Du siehst, etwas andere Vorzeichen...ich hatte nicht das Gefühl, dass die Leute Hemmungen haben, andere dumm zu nennen.

Im Übrigen eine sehr interessante Diskussion, wiederlesen lohnt...

:danke:
 
Lieber Bernd!

Ich habe kein Problem damit, die Menschen (einen Teil - groß?) mit ihrer eigenen Dummheit zu konfrontieren.
Mein Problem ist, daß der Dumme nicht merkt, daß er dumm ist. Er hält sich für gescheit.
Und wenn diese Menschen die gescheiten sind, dann bin ich gerne dumm.
Lg.Grüße Eule
 
Bernd schrieb:
Würdet ihr öffentlich oder im Bekanntenkreis zugeben, dass Millionen von Bundesbürgern offensichtlich recht dumm sind?

Hier ein Beispiel (von vielen) in unserem Forum, wo keine Hemmungen gezeigt werden, andere pauschal als dumm hinzustellen - und sich selbst damit indirekt als klug.

Ihre, bzw. seine Verdrossenheit ist kein Wunder, da der Rest der Welt aus Menschen besteht die gerade einmal Lesen und Schreiben gelernt haben, aber was darüber hinaus geht, konnte ihnen entweder aus Unfähigkeit der Lehrer oder aus mangelhaft vorhandener Gehirnmasse (Intelligenz) nicht vermittelt werden.


So hat doch Friedrich Schiller und er gilt als Genie, so treffend gesagt: „Was ist die Mehrheit?" Und seine Antwort lautete:
"Die Mehrheit ist der Unfug, denn Verstand ist stets bei Wenigen nur gewesen!“

J.A.

Ich habe das kritisiert und werde so etwas weiter kritisieren - nicht weil ich scheinheilig bin, sondern es entblößend finde, sich implizit oder explizit auf die Seite der Klugen zu stellen. Wie Marianne schon angedeutet hat: Es gibt immer einen Standpunkt, von dem aus man selbst dumm erscheint...
 
Also, Sibel, dass Du nicht wenigstens einige Zitate aus dem, von Dir angegebenen Link abkopiert hast, ist “ dumm” * Ironie , also klug”.


http://www.buchegger.de/dummheit.html


Ich bin so besserwisserisch unklug und tue das nun mal. ( Der Artikel ist sehr aufschlussreich und ironisch, also ein Fressen für mich.)

„Häufige Erscheinungsformen der Dummheit

Eitelkeit
Rücksichtslosigkeit
Egoismus
Vergesslichkeit
Leichtgläubigkeit
Sturheit
Hysterie
Fanatismus“


„Dummheit hat sehr viele Vorteile


Dummheit kurbelt die Wirtschaft an, meiner Einschätzung gibt es keine blühende Volkswirtschaft ohne Dummheit. Dummheit schafft Vielfalt, ohne Dummheit gibt es keinen Fortschritt, z.B. auch keine Mode.


Dummheit fördert das Selbstbewusstsein, eine wichtige Voraussetzung für viele Unternehmungen. Die Dummen sind oft die besten Kunden, sie sind eine wesentliche Stütze für viele Geschäfte.


Dies sind nur einige wenige offensichtliche Vorteile. Es gibt noch viel subtilere Annehmlichkeiten, die wir im wesentlichen der Dummheit verdanken. Dummheit tröstet, sie lässt uns mit unwahrscheinlichen Illusionen leben. Dummheit macht glücklich, sie ist oft gut für die Seele, denn sie lässt uns mit den Problemen beruhigt leben. Dummheit schafft immer wieder auch Stillstand und damit ein ruhiges Leben. Dummheit macht sesshaft und verhindert das Auswandern oder Abwandern. „


Marianne
 
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Ich glaube schon, dass die Dummheit weitgehend tabuisiert wird. Meist gibt man nur im vertrauten, kleinen Kreis zu, dass man da und dort dumm war. Wahrscheinlich aus Angst, verachtet und unglaubwürdig zu werden.

Gibt man sich selbst gegenüber auch nie eine Dummheit zu, bleibt man stehen und lernt nichts dazu.

Ich hoffe, mein statement war Euch nicht zu dumm.

Liebe Grüße

Zeili
 
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