AW: Behaviorismus: Psychologie ohne Seele?
Zu 1.:
Vielleicht hängt das Modell der
"black box" ja auch mit ihrem verengten
naturwissenschaftlichen Forschungs-Paradigma zusammen

,
soll ich im Auftrag der
Flugzeug-Industrie fragen ...

Sischa dat.
Das pfeifen die Spatzen ja seit Jahrzehnten schon von den Dächern.
Nachdem man so in den 90gern dann eine Studie nach der anderen veröffentliche, die bewies, wie großartig und in allen Bereichen überlegen die VT doch sei, ist dann doch die Ernüchterung eingetreten, dass sie in vielen Fällen überhaupt nicht hilft.
Eine schöne Polemik dazu:
Die Gefahren der empirisch valuierten Therapie
Das Konzept der EVT (empirisch valuierten Therapie) hat in jüngster Zeit eine enorme Wirkung - bisher ausschließlich negativer Art - auf das Gebiet der Psychotherapie. Von vielen Krankenversicherungen werden nur noch Therapien genehmigt, die empirisch valuiert sind - was in der Realität auf eine kurze kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hinausläuft. Psychologische Fachbereiche, die Diplome und Doktorate vergeben, gestalten ihre Lehrpläne und konzentrieren sich auf eine Ausbildung in den EVTs; bei Prüfungen, mit denen Zulassungen erteilt werden, achtet man darauf, dass die Psychologen vom Wissen um die Überlegenheit der EVT durchdrungen sind, und Bundeseinrichtungen, die die Psychotherapie mit Forschungsgeldern unterstützen, haben besonderes Wohlgefallen an der EVT-Forschung.
All diese Entwicklungen wirken sich für viele erfahrene Kliniker, die täglich mit Vertretern der Krankenkassen konfrontiert sind, welche auf EVTs bestehen, störend aus. Ältere Therapeuten sehen sich eine scheinbaren Lawine wissenschaftlicher Zeugnisse gegenüber, die beweisen, dass ihr eigener Ansatz weitaus weniger effektiv ist als derjenige, der von jüngeren (und billigeren) Therapeuten angeboten wird, die in erstaunlich kurzen Zeiträumen eine KVT nach Handbuch durchführen. Im tiefsten Innern wissen sie, dass das nicht mit rechten Dingen zugeht; sie argwöhnen das Vorhandensein von Rauch und Spiegeln, haben jedoch keine auf Beweise gegründete Antwort darauf, deshalb stecken sie in den meisten Fällen zurück und versuchen, weiter ihrer Arbeit nachzugehen in der Hoffnung, der Albtraum möge bald vorüber sein.
Metaanalytische Veröffentlichungen jüngeren Datums stellen das Gleichgewicht zum Teil wieder her. (Ich beziehe mich vor allem auf die exzellent Arbeit von Weston und Morrison - How Empirically Valid are EVPs? A Critical Appraisal.) Zunächst sollte man nicht vergessen, dass nicht-valuierte Therapien keine von vornherein widerlegten Therapien sind. Die Forschung muß, wenn sie fundiert sein soll, einem klaren Plan folgen, der mit den Tests der Wirksamkeit von Medikamenten vergleichbar ist. Ein solcher Plan erfordert "reine" Patienten (das heißt, Patienten mit einer einzigen Störung ohne Symptome aus anderen diagnostischen Kategorien - ein Patiententyp, den man in der klinischen Praxis kaum antrifft), ein kurze therapeutische Intervention und einen wiederholbaren Behandlungsmodus - am liebsten nach Handbuch, das heißt ein Verfahren, das sich auf einen Schritt für Schritt vorgeschriebenen Leitfaden reduzieren läßt. Diese Methode begünstigt die KVT deutlich und schließt die meisten traditionellen Therapien aus, in denen es auf die enge (nicht schriftlich festgelegte) Beziehung zwischen Therapeut und Patient ankommt, die in authentischer Weise aufgebaut wird und sich in ihrer spontanen Entwicklung auf das Hier und Jetzt konzentriert.
Die EVT-Forschung geht von vielen falschen Voraussetzungen aus: dass sich langfristige Probleme durch eine kurze Therapie lösen lassen, dass Patienten nur ein definierbares Symptom haben, das sie bei Beginn der Therapie akkurat benennen können, dass die einzelnen Elemente einer effizienten Therapie voneinander zu trennen sind, und das ein schriftlicher systematischer Leitfaden es minimal ausgebildeten Personen erlaubt, eine wirkungsvolle Therapie durchzuführen.
Die Analyse der Resutate von EVTs (siehe die Studie von Weston und Morrison) deutet auf weitaus weniger eindrucksvolle Ergebnisse hin, als im Allgemeinen angenommen. Nach einem Jahr gibt es nur selten Nachuntersuchungen, nach zwei Jahren praktisch gar keine mehr. Die frühen positiven Reaktionen auf EVTs (die für jede therapeutische Intervention gelten) haben zu einem verzerrten Bild von ihrer Effizienz geführt. Der Prozentsatz von Patienten, denen es auch langfristig besser geht, ist überraschend niedrig. Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Festhalten des Therapeuten an einem Handbuch positiv mit einer Besserung korreliert - eher Hinweise auf das Gegenteil. Die Implikationen der EVT Forschung sind weit über das wissenschaftlich Nachweisbare hinaus ausgedehnt worden.
Eine realistische Erforschung der klinischen Praxis von EVTs offenbart, dass die Kurzzeit-Therapie gar nicht so kurz ist: Therapeuten, die mit EVT arbeiten, behandeln ihre Patienten wesentlich länger, als in Veröffentlichungen angegeben ist. Alles deutet darauf hin (was niemanden verwundern kann), dass akute Beschwerden durch sie schnell gelindert werden können, chronische Leiden dagegen eine weitaus längere Therapie erfordern, und eine charakterliche Veränderung die allerlängste.
Eine letzte boshafte Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Ich habe den starken Verdacht (der nur anekdotisch begründet ist), dass EVT-Anwender, die selbst psychotherapeutischer Hilfe bedürfen, keine kurze kognitive Verhaltenstherapie beginnen, sondern sich an einen hervorragend geschulten, erfahrenen Therapeuten werden, der eine dynamische Therapie ohne Handbuch anbietet.
(Irvin D. Yalom, Der Panama-Hut oder was einen guten Therapeuten ausmacht, btb Verlag, 2002)