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Systemtheorie

Es kommen auch Kritiker zu Wort wie der Sozialphilosoph Oskar Negt in der Tradition der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule:

ZUSPIELUNG (Negt)

Luhmann sagt, Systeme bestehen darin, daß sie verläßliche Verhaltensorientierungen sichern, also zum Beispiel das Familiensystem, daß man nicht jeden Tag darüber nachdenken muß, welche Beziehung habe ich zu meinen Eltern, zu meinen Kindern, sondern es ist eine Art verläßliche Dimension, die hauptsächlich im Verfahren besteht, nicht in den Inhalten. Und die Verfahrensrationalität ist der in meiner Sicht reduzierte Begriff der Vernunft. Einen anderen Vernunftsbegriff gibt es nicht bei Luhmann.

Sondern Vernunft ist in Verfahrensrationalität übergegangen. Aber gerade darin zeigt sich das Problem bei Luhmann, daß er zum Beispiel sagt: Die Positivierung des Rechts in der Verfahrensrationalität ist die äußerste Stufe der Emanzipation des Rechts. Sehen Sie, gerade nach dem Dritten Reich und der großen Kritik von Gustav Radbruch, wo er sagt, nicht wahr, ein positives Recht ohne Kerngedanken von Gerechtigkeit verletzt den Rechtsbegriff, selbst wenn das Ver-fahren stimmt. Und das ist ja das Fatale im Dritten Reich gewesen, daß die Verfahren - sogar die Nürnberger Gesetze sind da mit einem hohen Grad von Verfahrensrationalität. Mit anderen Worten: Die Systeme, die in sich ihre eigene Steuerungslogik haben, noch in Zusammenhang zu bringen mit dem bestehende Herrschaftssystem - auch dem politischen Herrschaftssystem, ob es demokratische Verhältnisse sind oder nicht -, wäre für mich der Schritt, der über Luhmann hinausgehen müßte.

[...]
 
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majanna schrieb:
Hallo, Nase,

Bevor ich mich genauer mit dem von Dir oben angeführten Theorien beschäftige - wenn ich das Geschriebene richtig verstanden habe, stimme ich ihnen zu: Systemtheorie löst nicht die Fragen, die metaphysisch oder behavioristisch eben als; Geist,Bewusstsein , Seele in unserer Metaebene eine große Rolle spielen, möchte ich fragen.

Bitte kläre mich auf, was in diesem Zusammenhang Attraktoren sind?
Sind es die - sogar geschlossenen Systemen - Vorfindlichkeiten, die auf die obigen Fragen verweisen?


Danke im Vorhinein

Marianne


Majanna, ich greife mal der Antwort voraus: WOKEPEDIA erklärt den Attraktor
so

Attraktoren spielen eine Rolle in komplexen Systemen, die zu den offenen Systemen gehören. Mehr dazu auch wieder hier bei WIKEPEDIA:

http://de.wikipedia.org/wiki/Komplexe_Systeme
 
_its_not_me_,

ich schliesse mich gerne der Meinung von Heraklit an, dass ein Guter Geist trocken ist,

aber diese Luhmann-Gespenster sind mir denn doch eine Spur zu trocken.

Heraklit hat ja auch gemeint, dass Alles fliesse,

könnte man nicht diesen Luhmann ein wenig anfeuchten, damit er auch zum Fliessenlegen zu gebrauchen ist ?


Das musste auch einmal gefragt werden.

lg nase

PS: Luhmann ist offenbar gar nicht der gründliche Analytiker, als der er gerne hingestellt wird.
Nehmen wir z.B. nur die Aussage: "Das Kommunikationsmodell sieht ja vor, daß Kommunikation aus drei
Momenten besteht - Information, Mitteilung und Verstehen".

Hier fehlt eine ganz wichtige Komponente, nämlich der Transport der Mitteilung vom Absender zum Empfänger,
bei dem ja auch eine Veränderung der Mitteilung (Übertragungsstörung) erfolgen kann.

Ich habe nur wenig Lust, mich mit einem neuen Gedankengebäude vertraut zu machen, wenn ich
aus Kostproben den Eindruck mitnehme, dass bei der Errichtung dieses Gebäudes geschludert wurde.
 
Neugier schrieb:
Hier fehlt eine ganz wichtige Komponente, nämlich der Transport der Mitteilung vom Absender zum Empfänger,
bei dem ja auch eine Veränderung der Mitteilung (Übertragungsstörung) erfolgen kann.

Ich habe nur wenig Lust, mich mit einem neuen Gedankengebäude vertraut zu machen, wenn ich
aus Kostproben den Eindruck mitnehme, dass bei der Errichtung dieses Gebäudes geschludert wurde.

Mein Liebes, das Einzige, das hier schludert, bist du.
Glaubst du wirklich, aus dem Zitat eines Radiointerviews, das auch nicht von Luhmann stammt und bei dem das Problem des Mediums gar nicht relevant ist, schließen zu können, dass sich die Systemtheorie nicht mit dem Problem der Medien beschäftigt hat? :rolleyes:
Glaubts du, dass Luhmann seine x Bücher zu dem Thema geschrieben hat und sich dachte, och, die Tatsache, dass Kommunikation auch technisch transportiert werden muss, lass ich weg?
Selbstverständlich sind Medien ständig ein Thema, seien es technische Medien, Massenmedien, symbolisch generalisierte Medien und, keine Angts, auch der ewige Spruch "the medium is the message" wird irgendwo aufgenommen und kritisch betrachtet.

Ich bezweifle allerdings, ob – um in der Sprache der Systemtheoretiker zu bleiben, so komplexe Systeme, wie sie gesellschaftlich vorfindbar sind, völlig autopoietisch erklärbar sind.

Dazu habe ich bereits weiter oben die Begriffe Irritation und strukturelle Kopplung eingeführt. :rolleyes:
Wenn ein Künstler (in Interaktion mit seinem Kunstwerk) Kunst herstellt und jemand diese Kunst dann betrachtet, so ist dies Kommunikation im Sinne eines SUbsystems KUNST. Wenn er dann mit jemandem um den Preis des Bildes verhandelt, ist dies Kommunikation im Sinne des Subsystems Wirtschaft.
Wenn ich also sage: "Das Bild erinnert mich an Van Gogh - ob es wohl auch so teuer ist?", wechsle ich in der Kommunikation mitten im Satz von Kunst zu Wirtschaft. Das ist das Entscheidende, das Grenzen zwischen den sozialemn Systemen nicht entlang von Personen (Malern oder Bänkern) sondern von Codierungen laufen.
Dies Beispiel war aber eines auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung.
Eine Irritation auf der Ebene der Beobachtung erster Ordnung wäre, wenn in die Schaffung eines Kunstwerks schon kommerzielle Aspekte mit eingehen (was selbstverständlich ständig der Fall ist).
 
instanton schrieb:
eine philolehrerin sagte mal: man kann ,wenn man den konstruktivismus einmal wirklich durchdacht hat, kein Fundamentalist mehr sein-in sofern ists was gutes!!! :jump1:

Und ob das etwas Gutes ist. Und wie gesagt, damit einhergehend die Befreiung von ideologischem Balast, der die Sozialwissenschaften von Marx über Adorno bis Habermas belastet hat.

(Luhmann hatte durchaus Respekt vor Marx oder auch Habermas. Er hielt ihre Arbeit nurab einem gewissen Punkt für falsch. Sie generell zu verdammen wäre ja auch schon fast wieder ideologisch gewesen.)
 
_its_not_me_ schrieb:
Sondern Vernunft ist in Verfahrensrationalität übergegangen. Aber gerade darin zeigt sich das Problem bei Luhmann, daß er zum Beispiel sagt: Die Positivierung des Rechts in der Verfahrensrationalität ist die äußerste Stufe der Emanzipation des Rechts. Sehen Sie, gerade nach dem Dritten Reich und der großen Kritik von Gustav Radbruch, wo er sagt, nicht wahr, ein positives Recht ohne Kerngedanken von Gerechtigkeit verletzt den Rechtsbegriff, selbst wenn das Ver-fahren stimmt. Und das ist ja das Fatale im Dritten Reich gewesen, daß die Verfahren - sogar die Nürnberger Gesetze sind da mit einem hohen Grad von Verfahrensrationalität. Mit anderen Worten: Die Systeme, die in sich ihre eigene Steuerungslogik haben, noch in Zusammenhang zu bringen mit dem bestehende Herrschaftssystem - auch dem politischen Herrschaftssystem, ob es demokratische Verhältnisse sind oder nicht -, wäre für mich der Schritt, der über Luhmann hinausgehen müßte.

[...]

Natürlich ist die Beurteilung solcher Phänomene nicht Bestandteil einer sozialen Theorie. Luhmann hat nie bestritten, dass Systeme korrumpiert werden können und es ist evident, dass gerade ihr internes, reibungsloses Funktionieren dann fatal ist (ich erinnere "Die Banalität des Bösen", Hanna Ahrendt).
Moderne Deomkration haben nicht umsonst die Macht auf drei Säulen verteilt. Und es ist klar, dass die Sache im Ganzen am Besten funktioniert, wenn die gegenseitige Kontrolle funktioniert.
Da die Macht als System aber eben die eigentliche Macht hat, besteht immer die Gefahr der Korrumpierung, auch bei Demokratien.
Wenn wir Anerkennen, dass die die Vernunftrationalität die einzige Vernunft ist, so ist dies gewiss armselig. Allerdings wird dies durch die Realität bestätigt. Die Ausprägung der Vernunft ist armselig. Die angebliche Vernunft der Wirtschaftsrationalität (im Sinne des Neoliberalismus) ist armselig. Aber auch ideologisch gesprägte "Wunschvernunft" macht einen eher jämmerlichen Eindruck. Vernunft an sich war immer mehr Wunschbild als Realität.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Lieber Robin,

sicher keine Absicht - aber das: "Zitat von _its_not_me_: Sondern Vernunft ist in ..." ist nicht von mir, sondern von Negt. :-)

Ich kann auch leider nicht die Rolle Negts (schöner wäre wohl noch Habermas :-) übernehmen und dessen Standpunkt verteidigen ...

Grüße me
 
_its_not_me_ schrieb:
Lieber Robin,

sicher keine Absicht - aber das: "Zitat von _its_not_me_: Sondern Vernunft ist in ..." ist nicht von mir, sondern von Negt. :-)

Ich kann auch leider nicht die Rolle Negts (schöner wäre wohl noch Habermas :-) übernehmen und dessen Standpunkt verteidigen ...

Grüße me

Das habe ich auch nicht so verstanden, bzw. natürlich kapiert, dass das ein Zitat im Zitat war. Hier spielt uns das Medium einen Streich ;)

Ich verteidige sowieso nicht, ich gehe einfach auf Argumente ein. Man kann die Systemtheorie ja mit gewissen Recht kritisieren, sollte aber nicht vergessen, wozu sie da ist. Es ist keine moralische Lehre, keine Ideologie, sondern nur eine Weltbeschreibung aus soziologischer Sicht.
Wenn ich zum Beispiel sage, dass sie den Balast des Normativen abwirft, so ist dies zwar sicher auch im Sinne von Wissenschaftlichkeit aber es kommt eben auch meinem Empfinden entgegen - die Rezepton ist subjektiv und selektiv.
(Daraus folgt nun wiederum nicht, dass ich ethische Standpunkte nun ganz ablehne. Aber eben alles zu seiner Zeit. Oder im Sinne eines Zitats, dass ich hier schon einmal sinngemäß angebracht habe: Eine neue Ethik müsste sich Gedanken darüber machen, wann die Anwendung von Moral überhaupt Sinn ergibt oder nicht.)
 
"Verteidigen" war schlecht gewählt, sicher. Mir schwebte wohl (unausgesprochen) so etwas wie ein Rollenspiel vor, wo einer den Luhmann und ein anderer den Habermas gibt :-) Und in diesem Rollenspiel könnte ich nicht (oder nur sehr sehr schlecht) in die Rolle Habermas (oder eben Negts) schlüpfen und diese Position (durchaus argumentativ) "verteidigen" ...

Wenn auch "Neugier" nicht neugierig genug ist, so hat das ganze für mich dennoch ein "Gutes" - ich hör mir jetzt noch mal den Vorlesungsteil "Idee der Rationalität an" :-)

Grüße me
 
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Robin schrieb:
Das habe ich auch nicht so verstanden, bzw. natürlich kapiert, dass das ein Zitat im Zitat war. Hier spielt uns das Medium einen Streich ;)

Kapiere ich richtig: Du meinst, man könne hier keine geschachtelten Zitate bringen? Das geht schon:


_its_not_me_ schrieb:
Jetzt wird _its_not_me zitiert und jetzt
negt schrieb:
Sondern Vernunft ist in Verfahrensrationalität übergegangen. Aber gerade darin zeigt sich das Problem bei Luhmann, daß er zum Beispiel sagt: Die Positivierung des Rechts in der Verfahrensrationalität ist die äußerste Stufe der Emanzipation des Rechts. Sehen Sie, gerade nach dem Dritten Reich und der großen Kritik von Gustav Radbruch, wo er sagt, nicht wahr, ein positives Recht ohne Kerngedanken von Gerechtigkeit verletzt den Rechtsbegriff, selbst wenn das Ver-fahren stimmt. Und das ist ja das Fatale im Dritten Reich gewesen, daß die Verfahren - sogar die Nürnberger Gesetze sind da mit einem hohen Grad von Verfahrensrationalität. Mit anderen Worten: Die Systeme, die in sich ihre eigene Steuerungslogik haben, noch in Zusammenhang zu bringen mit dem bestehende Herrschaftssystem - auch dem politischen Herrschaftssystem, ob es demokratische Verhältnisse sind oder nicht -, wäre für mich der Schritt, der über Luhmann hinausgehen müßte.

Im öffnenden Begrenzer aka Tag kann man den Zitierten hinter QUOTE gefolgt von einem Gleichheiteszeichen angeben. Dabei ist jede beliebige Textfolge möglich, nicht nur ein Benutzername dieses Forums. Nicht vergessen, dass die Endtags paarig sein müssen, also zu jedem Anfangstag gehört ein Endtag.
 
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