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Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie

AW: Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie

Hallo Axl,

es ist sicherlich richtig, dass Ernst Mach oftmals die nötige Klarheit vermissen lässt und stattdessen auf aphoristische Beispiele zurückgreift, die Behauptungen von ihm stützen sollen. Ich denke hier bspw. an die Stelle in der Analyse der Empfindungen, wo Mach Halluzinationen anspricht; am Ende weiß man (resp. ich) nicht, was für Mach Halluzinationen nun eigentlich sind, abgesehen vielleicht von einer rein normativen Angelegenheit, kurz: gerade der kritische Leser wird auf einem Häuflein Fragezeichen gleichsam sitzengelassen.

Allerdings denke ich nicht, dass Mach "mit den Begriffen teils falsch [jongliert]", schließlich war er ein hochschlauer Mann und nicht auf den Kopf gefallen. Die Frage ist doch eher die, was er mit manchen Begriffen explizit meint. Dass er sie oft in sehr origineller Weise nutzt und in ungewöhnliche Bezüge setzt, das ist klar. Die Schwierigkeit für mich ist momentan die, jene Bezüge selbst zu verstehen: dass Mach ein in sich schlüssiges Gesamtbild vor Augen hatte, daran zweifle ich weniger.

Wirklich "falsch" daherreden kann man meiner Meinung nach ohnehin nur dann, wenn man eigentlich garnichts eigenes unter dem versteht, was man an angelesenen/aufgeschnappten Begriffen/Schlagwörtern vor sich herschiebt.

Ich finde, dass Mach ein überaus scharfsinniger Wissenschaftler mit einem starken eigenen Kopf war, womöglich ist er am Ende ein Opfer dieser zwar originellen aber eben auch etwas starrköpfigen Art und Weise geworden, wie er die Dinge sah. Aber allein seine Kritik an Newtons absolutem Raum (s. Machsches Prinzip) und die Tatsache, dass er einen genialen Kopf wie A. Einstein nachhaltig anregen konnte (immerhin war er Einsteins Lieblingsphilosoph), bestätigt meineserachtens den Wert seiner physiophilosophischen Ideen.

Es grüßt herzlich,

Philipp

Hallo Philipp,

zweifelsfrei steht fest, dass er ein scharfsinniger Denker und Wissenschaftler war. Nur reicht das aus?
Als ich mich aufgrund deines Hinweises noch mal an die Recherche gemacht habe, ist mir aufgefallen, dass er nur 3 Mal in Hirschbergers Geschichtsphilosophie auftaucht und zwar ausschließlich in Aufzählungen mit Kollegen, wie Laas, Schuppe und vorallem Avenarius, als neuer deutscher Positivismus oder Neukantianismus genannte und im Zusammenhang mit Lotze, Fechner, Helmholtz und Wundt, wobei ausnahmslos alle außer Mach selbst detaillierte persönliche Angaben (Kurzvita) und die Wirkung ihres Denkens offen gelegt werden. Nun ja, das soll ja nichts heißen, wenn Hirschberger selbst den Scharfsinn des Machs nicht erkannt hat.
Aber selbst in dem Buch "Die Philosophie der Physiker" von Erhard Scheibe, wo der philosophische Diskurs Planck versus Mach, Boltzmann versus Mach usw. beschrieben steht, teils mit ganzen original Textpassagen, einschließlich Kommentierung, könnte ich nicht viel entnehmen.
Aber auch das soll nichts heißen.
Es waren schon viele verkannte und schwer verständliche Denker hinterher zu großen Denker-Ehrungen gekommen, ich denke da an z.B. an Heraklit....

Vielleicht kannst Du uns ja die Mach'sche Denkstruktur etwas näher bringen.

Gruß
Axl
 
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AW: Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie

Hallo Philipp,

zweifelsfrei steht fest, dass er ein scharfsinniger Denker und Wissenschaftler war. Nur reicht das aus? [...]
Es waren schon viele verkannte und schwer verständliche Denker hinterher zu großen Denker-Ehrungen gekommen, ich denke da an z.B. an Heraklit....

Vielleicht kannst Du uns ja die Mach'sche Denkstruktur etwas näher bringen.

Gruß
Axl


Hallo Axl,

die Frage, ob das [der Scharfsinn] ausreiche, bezieht sich vermutlich auf den Anspruch eines zu erreichenden Wahrheitsideals. In diesem Falls müsste man wohl verneinend antworten, zumal das - soweit ich beurteilen kann - ja garnicht Machs Intention ist, er möchte schließlich gerade solche Ideale (bspw. absolute Wahrheit, Seele, Gott, Ding ansich usf.) als zwar mitunter praktisch notwendige, aber eben nicht dem eigentlichen und einheitlichen wissenschaftlichen Erkennen entsprechende und also metaphysische Vorstellungen erweisen.

Um es stark verkürzt (und daher notwendig unzureichend) darzustellen:

Das nennt Mach wiederum die "reine Erkenntnis", die einsieht, dass die Welt weder Geist noch Materie ist, sondern alles zusammenhängt (daher wird seine Ansicht später auch neutraler Monismus genannt) und sich Unterschiede allein aus der Untersuchungsrichtung heraus ergeben. Demnach ist die Welt aus Empfindungskomplexen bestehend, die - sofern eine nicht selbstreflexive Untersuchungsrichtung vorliegt - auf die kleinsten Bestandteile, Elemente genannt, gebracht werden können: die sog. Elementenkomplexe also. Hier ist der Gedanke der Relationen zu finden, wonach also die Art und Weise des Zusammenspiels jener Elementenkomplexe untereinander das ergibt, was wir uns gemeinhin als separiert und getrennt (in materieller wie metaphysischer Hinsicht) vorstellen. Als Beispiel: es gibt eigentlich kein Ding (bspw. Stuhl), sondern lediglich verschiedene Empfindungskomplexe (Elemente (bspw. Gerüche, Töne, Farben, Drücke)), die in bestimmter (wandelbarer) Relation zueinander stehen.

Mach baut hier offenbar auf die Feststellung, dass wir unsere Welt (gleich ob Innen- oder Außenwelt) stets nur qua Empfindung wahrnehmen können. Und eben hier setzt sein Einheitsgedanke an, an jener Stelle sieht er die Basis gegeben, um eine Einheitswissenschaft zu begründen. Zugleich ist das aber auch einer der kritikwürdigsten Momente seiner Sichtweise, denn was eine Empfindung eigentlich (positiv) sein soll, diese Antwort bleibt er - soweit ich dies bislang sehe - schuldig. Er geht wohl sogar davon aus, dass man Empfindungen nicht erklären müsse, resp. könne. Dies ist einigermaßen verständlich, denn in diesem Falle würde sich Mach wohl selbst ad absurdum führen. Dennoch mutet gerade dies kritikabschottend an.

Nun wird auch klar, weshalb er von verschiedenen Seiten des Solipsismus und Idealismus bezichtigt wird (u.a. von Lenin höchstselbst), obwohl ja sein Grundanliegen ist, sich allein auf das Gegebene zu beziehen. Es liegt also nahe davon auszugehen, dass sich die Anti-Metaphysische Katze letztlich selbst in den Schwanz beißt, da Empfindung (Geruch, Druck, Gehör usf.) doch offensichtlich zwar etwas Gegebenes sind, jedoch mehr Mittlerfunktionen zwischen verschiedenen Gegebenheiten darstellen und damit nicht selbst als letzte Gegebenheit annehmbar/verstehbar sind. Das, was er unter Empfindungen versteht, wäre somit nicht das, was man positiv vorfindet und damit selbst metaphysisch/ideel aufgeladen.

Derzeit bemühe ich mich, eben diese Problematik etwas zu beäugen. Dabei geht es mir weniger darum, Mach abwertend zu kritisieren, sondern seinen Ansatz erstmal umfassend genug nachzuvollziehen. Denn oftmals hören Kritiken schon beim ersten Machschen Ansatz auf, nämlich dass es ja nicht sein könne, dass alles Empfindung sei, weil...

So plump denkt Mach jedoch nicht und vieles von dem, was er schreibt, resultiert aus überaus exakten und scharfsinnigen (mitunter auch selbstkritischen) Beobachtungen. So jedenfalls meine vorläufige Ansicht hierzu.

Es grüßt herzlich,

Philipp
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie

Hallo nochmals,

ich habe heute erstmals etwas Maturana gelesen, was ich bisher allerdings las, das war nicht gerade sonderlich überzeugend. Trotzdem bin ich neugierig geworden und möchte - sofern ich wieder etwas mehr Zeit haben sollte - mich eingehender mit seinen Ansichten beschäftigen. Übrigens: Hans Albert hat in seiner Biografie ("In Kontroversen verstrickt") Maturana am Rande erwähnt. Er habe ihn auf einer Veranstaltung erlebt, wo er einen Vortrag gehalten und auf die anschließende Kritik abweisend und missgelaunt reagiert habe; das erwähne ich nur, weil ich es frisch gelesen habe. ;)

Beste Grüße,

Philipp
 
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AW: Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie

Hallo Axl,

die Frage, ob das [der Scharfsinn] ausreiche, bezieht sich vermutlich auf den Anspruch eines zu erreichenden Wahrheitsideals. In diesem Falls müsste man wohl verneinend antworten, zumal das - soweit ich beurteilen kann - ja garnicht Machs Intention ist, er möchte schließlich gerade solche Ideale (bspw. absolute Wahrheit, Seele, Gott, Ding ansich usf.) als zwar mitunter praktisch notwendige, aber eben nicht dem eigentlichen und einheitlichen wissenschaftlichen Erkennen entsprechende und also metaphysische Vorstellungen erweisen.

Um es stark verkürzt (und daher notwendig unzureichend) darzustellen:

Das nennt Mach wiederum die "reine Erkenntnis", die einsieht, dass die Welt weder Geist noch Materie ist, sondern alles zusammenhängt (daher wird seine Ansicht später auch neutraler Monismus genannt) und sich Unterschiede allein aus der Untersuchungsrichtung heraus ergeben. Demnach ist die Welt aus Empfindungskomplexen bestehend, die - sofern eine nicht selbstreflexive Untersuchungsrichtung vorliegt - auf die kleinsten Bestandteile, Elemente genannt, gebracht werden können: die sog. Elementenkomplexe also. Hier ist der Gedanke der Relationen zu finden, wonach also die Art und Weise des Zusammenspiels jener Elementenkomplexe untereinander das ergibt, was wir uns gemeinhin als separiert und getrennt (in materieller wie metaphysischer Hinsicht) vorstellen. Als Beispiel: es gibt eigentlich kein Ding (bspw. Stuhl), sondern lediglich verschiedene Empfindungskomplexe (Elemente (bspw. Gerüche, Töne, Farben, Drücke)), die in bestimmter (wandelbarer) Relation zueinander stehen.

Mach baut hier offenbar auf die Feststellung, dass wir unsere Welt (gleich ob Innen- oder Außenwelt) stets nur qua Empfindung wahrnehmen können. Und eben hier setzt sein Einheitsgedanke an, an jener Stelle sieht er die Basis gegeben, um eine Einheitswissenschaft zu begründen. Zugleich ist das aber auch einer der kritikwürdigsten Momente seiner Sichtweise, denn was eine Empfindung eigentlich (positiv) sein soll, diese Antwort bleibt er - soweit ich dies bislang sehe - schuldig. Er geht wohl sogar davon aus, dass man Empfindungen nicht erklären müsse, resp. könne. Dies ist einigermaßen verständlich, denn in diesem Falle würde sich Mach wohl selbst ad absurdum führen. Dennoch mutet gerade dies kritikabschottend an.

Nun wird auch klar, weshalb er von verschiedenen Seiten des Solipsismus und Idealismus bezichtigt wird (u.a. von Lenin höchstselbst), obwohl ja sein Grundanliegen ist, sich allein auf das Gegebene zu beziehen. Es liegt also nahe davon auszugehen, dass sich die Anti-Metaphysische Katze letztlich selbst in den Schwanz beißt, da Empfindung (Geruch, Druck, Gehör usf.) doch offensichtlich zwar etwas Gegebenes sind, jedoch mehr Mittlerfunktionen zwischen verschiedenen Gegebenheiten darstellen und damit nicht selbst als letzte Gegebenheit annehmbar/verstehbar sind. Das, was er unter Empfindungen versteht, wäre somit nicht das, was man positiv vorfindet und damit selbst metaphysisch/ideel aufgeladen.

Derzeit bemühe ich mich, eben diese Problematik etwas zu beäugen. Dabei geht es mir weniger darum, Mach abwertend zu kritisieren, sondern seinen Ansatz erstmal umfassend genug nachzuvollziehen. Denn oftmals hören Kritiken schon beim ersten Machschen Ansatz auf, nämlich dass es ja nicht sein könne, dass alles Empfindung sei, weil...

So plump denkt Mach jedoch nicht und vieles von dem, was er schreibt, resultiert aus überaus exakten und scharfsinnigen (mitunter auch selbstkritischen) Beobachtungen. So jedenfalls meine vorläufige Ansicht hierzu.

Es grüßt herzlich,

Philipp

Hallo Philipp,

vielen Dank für die Erklärung.
Ich werde mir dann wohl den Mach mal im Original vornehmen und versuchen in sein philosophisches Schaffen einzutauchen.

Gruß
Axl
 
AW: Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie

Hi Axl,

dann wünsche ich Dir viel Spaß bei der Machlektüre. Sein Schreibstil ist zwar nicht der modernste, aber für damalige Verhältnisse vermutlich mit heutiger populärwissenschaftlicher Literatur vergleichbar.

Es grüßt,

Philipp
 
AW: Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie

Hi Axl,

dann wünsche ich Dir viel Spaß bei der Machlektüre. Sein Schreibstil ist zwar nicht der modernste, aber für damalige Verhältnisse vermutlich mit heutiger populärwissenschaftlicher Literatur vergleichbar.

Es grüßt,

Philipp

Hallo Philipp,

der Schreibstil ist mir recht egal, weil ich mir die Inhalte und Substanzen erarbeiten möchte. Es ist auch im Internet gar nicht so viel über Mach zu finden, jedenfalls nichts philosophisches....

Evtl. hast Du einen Tipp für mich, mit welchen seiner Werke ich anfangen sollte???

Lieben Gruß
Axl
 
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AW: Umberto Maturana: naturwissenschaftliche Philosophie

Hi Axl,

das ist allerdings etwas schwierig. Das Buch "Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen" ist zwar per Google-Books als Download zu haben, aber die Qualität ist dermaßen schlecht - einige Seiten fehlen wohl auch ganz -, so dass ich davon abrate.

Bleibt also nur eine UB in Deiner Nähe. Derzeit wird ein Reprint der "Analyse der Empfindungen" für teures Geld verkauft (48 Euro), aber das ist das Geld nicht wert, da die Qualität ebenfalls mangelhaft ist.

Über Amazon oder ZVAB gibt es einige wenige teure Exemplare im Angebot, aber das ist was für Sammler/Liebhaber.

Also: ab in die nächste UB! :schritt:

Grüße vom,

Philipp
 
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