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Systemtheorie

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Hallo liebe "Sytemdenker",

(falls nicht bekannt),das Gedicht von Claudius (Seht ihr den Mond dort stehen . . .) und das "Motto von "It´s not me" (Was du Mistvieh . . .(Augustinus) passen gut zusammen, jedenfalls Bei Wittgenstein.

Der zitierte öfters Augustins Satz. Und wollte mal das Gedicht von Claudius als Motto dem Tractatus logico-philosophicus voranstellen.

Von Systemtheorie habe ich keine Ahnung. Trotzdem eine Frage (ziemlich dreist was?): Giib´s da so was Sie Selbstbewußtsein? Wenn ja, wie kommt das zustande? Wie funktioniert´s?

Gruß Ferdinand
 
durch die Chaostheorie lassen sich Qualitätssprünge (das Wachstum von Netzwerken) und Störungsresistenz (einer der möglichen Zustände eines Systems) erklären

beides war wichtig, damit sich Leben bilden konnte
das Selbstbewusstsein gehört zur Evolution des Lebens

Vögel und Säugetiere haben Selbstbewusstsein
Fische und Reptilien wohl noch nicht
(bei Dinos dürfte das Gehirn zu klein gewesen sein)

bspw. halten für den Zirkus dressierte Affeneltern ihren Nachwuchs von den wildlebenden Affen gleicher Art fern
als ob sie wüssten, daß sie etwas besonderes sind
 
Bewusstsein und so

Hallo Me und andere!

Während ich noch immer nach Zeit, Ruhe und einem Ansatz suche, um auf die Frage nach der emotionalen Qualität der Systemtheorie zu antworten, habe ich beim Durchforsten meines Computers eine Datei gefunden, die eine frühere Antowrt hier in diesem Forum enthält. Sie antwortet vielleicht auf Ferdinands Frage.
Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, sie zu überarbeiten und perfekt auf die Fragestellung abzustimmen; aber sie greift nochmals Aspekte auf, die hier schon behandelt wurden. Mit der Suchfunktion kann man sicher die Zusammenhäge aufspüren, in der sie entstanden ist. Und hier it comes:

Meiner Antwort zugrunde liegt die Idee des Bewusstseins als "autopoietisches System" im Sinne der Systemtheorie Niklas Luhmanns (gestützt auf biologischen Ideen Maturnas, bzw. mathematischen Heinz von Foersters).
Denken ist demnach eine Operation unseres BewusstseinsSYSTEMS, dass sich gleichzeitig durch diese Operationen selbst erhält. Durch diese rückbezügliche (rekursive) Selbsterhaltung schließt sich das System nach Außen ab, ist also durch Operationen fremder Systeme nicht zu erreichen, sondern nur zu irritieren.
Allerdings ist das Bewusstseinssystem evolutionär abhängig von Irritation durch die Umwelt. Das heißt, ohne Anstoß von Außen gehen uns nicht nur die Ideen sondern auch die Gedanken aus. Dieses scheinbare Paradox, dass das System einerseits autonom ist und dann doch abhängig, lässt dich durch genaue Betrachtung der theoretischen Unterschiede von Operation und Irritation auflösen.
Da es aber nun abhängig ist, fährt man besser, die Frage umzustellen: Es geht also nicht um Gedanken von Innen oder Außen (denn Gedanken sind immer "innen"), sondern darum, wie das Bewusstsein Wahrnehmung (Irritation von Außen) selektiert. Es geht also darum, ein anderes Verhältnis zu Informationen aufzubauen, sie zum Beispiel verstärkt Konsistenzprüfungen zu unterziehen und andererseits verstärkt aktiv nach Informationen zu suchen, um sich irritieren zu lassen, um dann zu so etwas zu kommen, was man allgemeinhin als "eigene Gedanken" bezeichnet.
Was ist nun in diesem Zusammenhang als freier Wille zu bezeichnen? "Freier Wille" ist ein gesellschaftssemantisch geprägter Begriff, der sich nur in der historischen Analyse erklären lässt. Ich will hier nur andeuten, dass es in Bewusstseinsprozessen (wie bei allen anderen Systemen) um das Verhältnis von Kondensierung und Variabilität geht. Das heißt, man kann einerseits nicht denken was man will, weil man auf das aufbauen muss, was im Gedächtnis abrufbar ist und durch Erfahrungen geprägt ist, andererseits gibt es natürlich Varianz, die einerseits durch Zufall, anderseits durch Selbstkonditionierung des Systems Ausdruck findet. Dieser Prozess ist aber weder vollständig steuerbar noch durchschaubar. Daher meine Ablehnung des Begriffs freier Wille. In anderen semantischen Zusammenhängen, würde ich da eventuell anders argumentieren.
Zum Ursprung des Denkens: Ich nehme an, dass du auf ein irgendiwe geartetes, transzendentes Phänomen anspielst, göttliche Gedanken etwa oder holistische spirituelle Gedankenwelten.
Die evolutionäre Sozialtheorie und wohl auch die Biologie kommen ohne das aus. Die Ausbildung eines Bewusstseins lässt sich modellhaft als eine Evolution von Einheiten betrachten, die zu Unterscheidungen fähig sind. Die ursprüngliche (und laut Luhmann immer noch hauptsächliche) Aufgabe des Bewusstseins besteht im Wahrnehmen, das heißt dem Markierung von Dingen oder Sachverhalten mithilfe von Bezeichnungen. Unterscheidungsvermögen führt evolutionär zum Gedächtnis (denn der überlebt, der Erfahruung behält) und der Schritt zum Bewusstsein vollzieht sich, wenn ein Überschuss von Information nach Abgleich mit dem Gedächntnis verarbeitet werden kann/muss in letzendlich: Gedanken.
Dieser Prozess ist natürlich von Irritationen abhängig, sie sind der Treibstoff, ohne Teil des Bewusstseins zu werden.
Noch zwei Beispiele: Ein typischer Fall für die Eingebung von Außen war der Geniekult der Romantik. Insbesondere Musiker standen im Verdacht, ihre Fähigkeiten von Gott oder ähnlichem zu empfangen. Und noch in einer Beethovenausgabe der Klaviersonaten von Anfang des 20 JHds lesen wir im Vorwort, dass diese Werke eine Gabe Gottes seien, die, wenn sie von Stümpern gespielt würden, quasi entweihet würden. Doch schon wenn wir den Arbeitsprozess Beethovens betrachten (mit seinen hunderten von Korrekturen und Verbesserungen) sehen wir uns bestätigt, dass auch die Sonaten und anderes von ihm Ergebnis eines evolutionären Prozesses seines Bewusstseins waren.
Und was ist mit Kaspar Hauser? Wenn die Gedanken von Außen "nachfütterbar" wären, warum hat er dann nicht eine normale Intelligenz, ein normal funktionierendes Bewusstsein erhalten, nachdem er gefunden war? Weil er eben die Jahre an evolutionärer Entwicklung von Gehirn und Bewusstsein nicht mehr aufholen konnte.
 
schöner und differenzierter Text

Denken ist demnach eine Operation unseres BewusstseinsSYSTEMS, dass sich gleichzeitig durch diese Operationen selbst erhält. Durch diese rückbezügliche (rekursive) Selbsterhaltung schließt sich das System nach Außen ab, ist also durch Operationen fremder Systeme nicht zu erreichen, sondern nur zu irritieren.

Ökologen nennen derartige Systeme Sphären
und über Sphären, Blasen und Globen handelt die Buchreihe eines äußerst bekannten Philosophen

bildlich gesprochen, sind Sphären Inseln,
die es nur deshalb gibt,
weil es das Umgebende gibt,
die sich aber früher oder später im Umgebenden wieder auflösen werden
(bspw. Strudel im strömenden Wasser)
 
Gefühl und Differenz

Scilla, danke für das Lob!

Der Begriff, zu dem ich mich in der Systemtheorie am meisten emotional hingezogen fühle, ist die von mir schon öfter penetrierte Einheit der Differenz.
Auf diesen Begriff bin ich bei Luhmann das erste Mal gestoßen, man kann ihn aber auch erstmal von der Systemtheoire abkoppeln und ihn als Ausdruck einer allgemeinen Philosophie sehen, die ich Differenzphilosophie nennen würde.
Es gibt auch andere Differenzphilosophien, zum Beispiel dialektische Gedankengebäude. Diese haben aber m.E. den Nachteil, dass sie zu schwammig operieren, bzw. den Dialektikbegriff nicht von größten Einheiten (Geschichtsbetrachtungen) auf kleinste (Alltagskommunikation) hinuntertransponieren können. Außerdem stört mich der oft benutzte Begriff der Synthese, der etwas vorgaukelt, was es nicht gibt.
Bei einer Differenzphilsophie, die mir vorschwebt, kann aus einer Differenz nur wieder eine neue Differenz entstehen. Und das wichtige dabei ist, dass hierbei nicht schon immer normativ gewertet wird oder ein Fortschrittsdenken impliziert wird. Das Einzige, was mit ziemlicher Sicherheit zunimmt, wenn sich Differenzen aneinanderreihen, ist die Komplexität.
Aber zurück zum Persönlichen: Was mich an der Differenz interessiert, ist die Überschreitung von Grenzen. Und das jetzt alles andere als in dem Sinn von Bewusstseinserweiterung und auch nicht im Sinne vom Ausloten persönlicher Grenzen. Sondern es geht einfach darum, wenn man über etwas nachdenkt oder etwas wahrnimmt, sich die andere Seite bewusst zu machen, die Grenzen zur anderen Seite der Unterscheidungen bewusst zu überschreiten oder (wenn man das "geübt" hat) zumindest unbewusst (vorbewusst?) zu spüren, dass wenn etwas ist, wie es ist, es immer auch anders sein könnte und dass das Gegenteil von dem, was ist, durch seine Ausgeschlossenheit in die Realität eingeschlossen ist.
Das klingt jetzt wieder eher abstrakt, denn emotional.
Aber genau das wäre ein gutes Beispiel. Wer den Augenmerk auf Grenzziehungen legt, der merkt auch bald, dass die Gesellschaft dazu neigt, Grenzen "falsch" zu ziehen. Zum Beispiel der Gegensatz emotional/rational. Menschen neigen dazu, rationalen Aussagen die emotionale Basis abzusprechen und emotionalen die rationale Basis. In Wirklichkeit geht Keines ohne das Andere. Jeder noch so rationale Aussage, gehen emotionale Vorgänge vorraus; und sie belohnt sich durch Emotionen. Und jede Emotion bekommt ihren Wert erst durch rationale Einordnung oder (und sei es nachgeschobene) Begründungen.

In manchen Bereichen haben Leute große Angst, Grenzen zu queren, sensible Bereiche wie Freundschft, Liebe, Moral usw. Für meinen Teil kann ich sagen: Wenn ich die Grenze quere, so zum Beispiel in der Liebe mich auch mit der Möglichkeit, nicht geliebt zu werden auseinandersetze, vielleicht Phasen, in denen ich den anderen weniger oder garnicht liebe, zulasse und reflektiere, hilft mir das. Es tötet die Liebe nicht, wenn man sich zeitweilig von ihr abwendet, es kann sie beleben. Genauso die Moral. Das krampfhafte auf der guten Seite der Moral bleiben wollen, bringt oft die unmoralischsten Handlungen hervor. Zudem, wenn ich die Grenze bewusst und kontrolliert überschreite, also wähle, wo ich Unmoral entweder zulasse oder sie zumindest nicht ablehnend beobachte, verhindere ich, dass ich unmoralisch dann agiere, wenn ich wirklich größeren Schaden anrichten könnte.
Ein bekanntere Begriff für undurchlässige Grenzen ist Tabuisierung. Enttabuisierung des eigenen Denkens und Wahrnehmens bedeutet Grenzüberschreitungen von postiven zu negativen Werten ein und derselben Unterscheidung, allerdings ohne die große Geste. Das Stichwort ist Gelassenheit.
Gelassenheit ist für mich ein sehr positiv besetztes Wort, obwohl es natürlich auch wieder Paradoxien mit einschließt; denn natürlich ist Gelassenheit nur dann möglich, wenn man auch wieder ungelassen sein kann, zum Beispiel Emphase oder Engagement zeigt.

Ein weiterer Aspekt, der mir bei der Systemthoerie behagt, ist die Entkopplung vom Ich. Das steht zwar so nicht bei Luhmann, interpretiere ich aber so, wenn man gelassenerweise beginnt, weniger Dinge entweder sich selbst oder dem Schicksal zuzuordnen.
Sowohl als Künstler als auch als denkender Mensch und auch als Alltagskommunizierer kann ich damit leben, dass bestimmte Dinge nicht mir entspringen, sondern in Prozessen entstehen. Ist das Kunstwerk Medium für meine Gedanken? Oder bin ich selbst Medium für die Realisierung des Kunstwerkes? Sind meine Aussagen etwas Singuläres, Einmaliges? Oder erhalten sie ihren Wert erst als Kommunikation, wenn sie verstanden, interpretiert werden und ihr Eigenleben bekommen?
Dahinter steht im Ganzen gesehen ein Gedanke des Loslassen könnens und sich nicht zu wichtig nehmens (Paradox kann man wieder formulieren: Nimm dich wichtig, indem du dich nicht zu wichtig nimmst). Loslassen heißt auch, eine Grenze zu akzeptieren zwischen sich und allem anderen, auf das man keinen wirklichen Einfluss hat. Loslassen heißt auch, nicht darauf zu beharren, dass mir angeblich etwas zusteht, dass ich etwas "verdient" habe, sondern Zufälle akzeptiere, gerade dann, wenn sie es gut mit mir meinen und dann vielleicht negative Erlebnisse besser wegstecke. Loslassen heißt auch, verstärkt die Beobachterposition einnehmen und eben auch aus der Beobachtung von negativen Dingen wieder Positives zu ziehen; denn auch so herum gilt natürlich die EInheit der Differenz.
Loslassen heißt auch, zu akzeptieren, dass die Welt unerreichbar bleibt und die posotve Seite dieser Akzeptanz ist dann die Freude am Leben an sich, die nur da sein kann, wenn die Welt unerreichbar bleibt.
 
Robin schrieb:
Gelassenheit ist für mich ein sehr positiv besetztes Wort, obwohl es natürlich auch wieder Paradoxien mit einschließt; denn natürlich ist Gelassenheit nur dann möglich, wenn man auch wieder ungelassen sein kann, zum Beispiel Emphase oder Engagement zeigt.

Robin,

diese Aussage von Dir finde ich es Wert, in meinem Hinterkopf gespeichert zu werden. Aber vielleicht hätten sich manche ehemalige Forumsteilnehmer nicht verabschiedet, wenn sie die Aussage vorher gelesen hätten.

Aber es gibt ja systemtheoretisch nach Deiner Aussage auch die Möglichkeit der
Wiederkehr, jedenfalls erweitere ich so die folgende Ausage von Dir:


In manchen Bereichen haben Leute große Angst, Grenzen zu queren, sensible Bereiche wie Freundschft, Liebe, Moral usw. Für meinen Teil kann ich sagen: Wenn ich die Grenze quere, so zum Beispiel in der Liebe mich auch mit der Möglichkeit, nicht geliebt zu werden auseinandersetze, vielleicht Phasen, in denen ich den anderen weniger oder garnicht liebe, zulasse und reflektiere, hilft mir das. Es tötet die Liebe nicht, wenn man sich zeitweilig von ihr abwendet, es kann sie beleben. Genauso die Moral. Das krampfhafte auf der guten Seite der Moral bleiben wollen, bringt oft die unmoralischsten Handlungen hervor. Zudem, wenn ich die Grenze bewusst und kontrolliert überschreite, also wähle, wo ich Unmoral entweder zulasse oder sie zumindest nicht ablehnend beobachte, verhindere ich, dass ich unmoralisch dann agiere, wenn ich wirklich größeren Schaden anrichten könnte.
 
Aber es gibt ja systemtheoretisch nach Deiner Aussage auch die Möglichkeit der
Wiederkehr, jedenfalls erweitere ich so die folgende Ausage von Dir:

Naja, man muss ja nicht alles immer auf DAS eine Thema hininterpretieren. Aber du hast natürlich Recht.
ich kann ja die Gelassenheit nur dann schätzen, wenn ich an mir und anderen die Nachteile der Ungelassenheit erfahren habe...

@Me:
Danke sehr. Ich wollte übrigens im mind 2 Forum zum Thema der Differenz schön/hässlich posten (unter Umgehung div. Hässlichkeiten), bin aber erstmal nicht reingekommen. Entweder technisches Unvermögen oder Sicherheitsschranken? Na , mal sehen.
 
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