Minni, das sind aber gleich viele Fragen.
Hat man diese Fähigkeiten nicht erst, wenn sie zu Tage treten, und auch erst in diesem Moment? Woher weiß ich, dass sie vorher bereits vorhanden waren, wenn sie nie auftraten?
Das interessante ist ja, dass sie eigentlich immer zutage treten. Nur man beachtet sie nicht oder man ignoriert sie absichtlich, weil man nicht glaubt, dass es Fähigkeiten sind. Beispiel: Viele Menschen meinen, dass man nur ein guter Verkäufer sein kann, wenn man viel redet und extrovertiert ist. Man kann aber auch sehr gut sein, wenn man durch seine Ruhe Vertrauen ausstrahlt und nur Dinge sagt, die Bedeutung haben. Daher sagt man, dass man immer dann am besten ist, wenn man sich selbst so gut wie möglich nutzt und nicht versucht etwas anderes zu sein.
Und ist Kritik von Dritten nicht auch Glaubenssache? Dritte könnten sich irren, da sie mich ja auch nur so sehen, wie sie glauben, dass ich sei. Und zudem muss ich glauben, dass sie mich tatsächlich so sehen, wie ich wirklich bin.
Sicher solltest du nicht alles glauben, was dir andere sagen. Doch zuhören solltest du und wenn du das gleiche öfters hörst, dann solltest du dich damit beschäftigen. Zudem solltest du Menschen deine Vertrauens um ehrliche Kritik bitten. Ich hatte mit einem sehr guten Freund oft folgendes getan: Man sitzt zusammen in einem Zimmer, ohne Musik, ohne TV etc. Dann darf der Andere 10 Minuten über dich reden und du darfst nichts sagen. Danach darfst du 10 Minuten über den Anderen reden (ohne dich jedoch zu verteidigen!!) und er darf dazu auch nichts sagen. Auch später wird dies nicht diskutiert und jeder nimmt das Gesagte erst einmal zur Kenntnis.
Das Ich ist m. E. zu flüchtig, um bestimmte Eigenschaften festzulegen, es ändert sich in jedem Augenblick, auch wenn man eine gewisse beständige Linie im eigenen Sosein zu erkennen vermeint.
Der Meinung bin ich eigentlich nicht. Sicherlich, wir ändern uns, doch in den seltensten Fällen ändern wir uns grundsätzlich und dann auch noch plötzlich. Du solltest deine Launen nicht mit deinem Ich verwechseln.
Und meinst du, es gibt ein Ich „an sich“ und eines, das man durch Selbstkritik erkennt? Ist das Ich etwas, das bereits existiert und man erkennt einfach immer neue Seiten an „ihm“? Das würde meinen Ansichten über das momenthafte Werden des (Er-)Lebens widersprechen.
Ja, ich meine, dass es dieses Ich gibt und man sagt nicht umsonst, dass man „zu sich finden muss“. Es ist ein Weg des Erkennens und in manchen Phasen weiß man eben nicht alles über sich. Doch wenn du dich regelmäßig beobachtest, dich in Frage stellst, dich fragst, warum du manches gerne tust und anders nicht, dann wirst du bald ein gutes Bild von dir haben. Dich selbst zu erkennen ist keine Frage der Ausbildung oder des Wissens. Es ist eine Frage, wie genau du in dich hörst und wie ehrlich du bereit bist dir gegenüber zu sein.