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Warum wollen wir die Wahrheit?

weltendenkerin

Well-Known Member
Registriert
1. November 2021
Beiträge
472
Hallo Community,

In "Jenseits von Gut und Böse" findet sich am Anfang folgender Aphorismus:

"Der Wille zur Wahrheit, der uns noch zu manchem Wagnisse verführen wird, jene berühmte Wahrhaftigkeit, von der alle Philosophen bisher mit Ehrerbietung geredet haben: was für Fragen hat dieser Wille zur Wahrheit uns schon vorgelegt! Welche wunderlichen schlimmen fragwürdigen Fragen! Das ist bereits eine lange Geschichte – und doch scheint es, daß sie kaum eben angefangen hat? Was Wunder, wenn wir endlich einmal mißtrauisch werden, die Geduld verlieren, uns ungeduldig umdrehn? Daß wir von dieser Sphinx auch unsrerseits das Fragen lernen? Wer ist das eigentlich, der uns hier Fragen stellt? Was in uns will eigentlich »zur Wahrheit«? – In der Tat, wir machten lange halt vor der Frage nach der Ursache dieses Willens – bis wir, zuletzt, vor einer noch gründlicheren Frage ganz und gar stehenblieben. Wir fragten nach dem Werte dieses Willens. Gesetzt, wir wollen Wahrheit: warum nicht lieber Unwahrheit? Und Ungewißheit? Selbst Unwissenheit? – Das Problem vom Werte der Wahrheit trat vor uns hin – oder waren wirs, die vor das Problem hintraten? Wer von uns ist hier Ödipus? Wer Sphinx? Es ist ein Stelldichein, wie es scheint, von Fragen und Fragezeichen. – Und sollte mans glauben, daß es uns schließlich bedünken will, als sei das Problem noch nie bisher gestellt – als sei es von uns zum ersten Male gesehn, ins Auge gefaßt, gewagt? Denn es ist ein Wagnis dabei und vielleicht gibt es kein größeres."

Meiner Meinung nach wird hier die Grundfrage aller Philosophie gestellt: Warum wollen wir - wir Denker und Philosophen, vielleicht auch wir freien Geister - die Wahrheit? Warum nicht die Unwahrheit? Die Antwort auf diese Frage ist mir Nietzsche bisher schuldig geblieben und vielleicht hat er sie selbst nicht gekannt. Zudem spricht Nietzsche im selben Werk auch von "Die Unwahrheit als Lebensbedingung zugestehn". Das gibt mir zu denken. Und tatsächlich ist es doch so, dass wir manchmal die Unwahrheit als attraktiv empfinden und wir unserem Gegenüber die Wahrheit nicht zumuten oder sie vor ihm verbergen. Warum tun wir das, wenn nicht deswegen, weil wir denken, unser Gegenüber bräuchte die Unwahrheit und käme damit besser zurecht als mit der Wahrheit? Viele wollen sich diese Lebensbedingung der Unwahrheit aber nicht eingestehen.
Ich denke also, dass Nietzsche diese Frage, warum wir die Wahrheit wollen, zurecht stellt. Warum wollen wir die Wahrheit? Warum suchen wir sie?

Nicht zu vergessen ist hier natürlich auch, dass Nietzsche selbst an keine objektive Wahrheit an sich glaubt. Alles ist bei ihm relativ. Trotzdem stellt er hier die Grundfrage der ganzen Philosophie: Warum wollen wir die Wahrheit? Ich habe keine Antwort darauf.

Und ihr?

LG
die weltendenkerin
 
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Ich denke also, dass Nietzsche diese Frage, warum wir die Wahrheit wollen, zurecht stellt.
Der Mensch strebt zurecht nach Wahrheit, solange er sie willentlich nicht kennt.
Kennt er sie willentlich, dann beschützt er sie unwillentlich.
Warum wollen wir die Wahrheit? Warum suchen wir sie?
Was keinen Grund hat, das sei nicht wahr - nicht wahr?
Die Suche nach einem Grund macht jede Sache erst rund.
Nicht zu vergessen ist hier natürlich auch, dass Nietzsche selbst an keine objektive Wahrheit an sich glaubt.
Eine objektive Wahrheit an sich müsste eine Erkennung des Objektes an sich ermöglichen, also selbst wahrnehmendes Leben bedingen.
Alles ist bei ihm relativ.
Alles was relativ ist, das ist und wird auch "verwandt".
Trotzdem stellt er hier die Grundfrage der ganzen Philosophie: Warum wollen wir die Wahrheit? Ich habe keine Antwort darauf.
Dann musst Du dich als 'kleine weltendenkerin ' aber wenigstens zur Kompensation ganz großartig zu schämen vermögen!? ;)
Bei mir hat die Wahrheit kein menschliches Wollen, schon um sich nicht in die Wolle zu geraten. :)
:cool: ..Kein Mensch kann ‚Wollen wollen‘ um im ‚Sein sein‘ ans ‚Denken zu denken‘..:cool:
LG
die weltendenkerin
Ich glaub Dir das nicht. Das kannst Du ernsthaft nicht wollen. Aber zum Spaß glaube ich Dir das. ;)

Denn der Wille zur Wahrheit wirkt wie eine Pille zur Klarheit und Klarheit hat die äußerst problematische Durchsichtigkeit im Gepäck.
Vielleicht wollen wir die Wahrheit weil sie Klarheit schafft? :rolleyes:
Klar, Klarheit wollen wir und der Unklarheit grollen wir möglicherweise - oder danken wir "unter gewissen Umständen" als schützende Eigenschaft.
Austauschfähige Eigenschaften (= materielle Substanzen) 'haben oder besitzen' sich nicht selbst.
Sie sind aber sich selbst vermittelnd über Substanz und Obstanz.

Bernies Sage (Bernhard Layer)
 
Zuletzt bearbeitet:
Alles was relativ ist, das ist und wird auch "verwandt".
Tatsächlich ist für Nietzsche alles miteinander verwandt. Gegensätze gibt es nicht. Ich finde den Gedanken bei ihm interessant und bei näherem Überlegen gar nicht so abwegig.
Dann musst Du dich als 'kleine weltendenkerin ' aber wenigstens zur Kompensation ganz großartig zu schämen vermögen!? ;)
Ja, ich schäme mich ganz ungemein! ;)
Bei mir hat die Wahrheit kein menschliches Wollen, schon um sich nicht in die Wolle zu geraten. :)
Das ist auch okay.
Denn der Wille zur Wahrheit wirkt wie eine Pille zur Klarheit und Klarheit hat die äußerst problematische Durchsichtigkeit im Gepäck.

Klar, Klarheit wollen wir und der Unklarheit grollen wir möglicherweise - oder danken wir "unter gewissen Umständen" als schützende Eigenschaft.


Bernies Sage (Bernhard Layer)
Aber warum denn solcher Groll gegen die Unklarheit? Die lässt doch mehr Fantasie.
 
Aus Gründen des höheren Komforts streben viele nicht nach Wahrheit sondern vielmehr nach Bestätigung ihrer Meinung.
 
Der Wahrheitsgehalt der Worte,
macht für uns Menschen oftmals
ihre Bekömmlichkeit aus

oder auch…

je unbekömmlicher
manch` Worte umso höher
ihr Wahrheitsgehalt


© 09/2015 PRV
_______________________________________________________


Bei einem meiner letzten Stammtische (analog) wurde das Thema „Glaube u. Wissen“ behandelt. Hierbei ging es immer Mal wieder um den Begriff „Wahrheit“ und was wir Menschen darunter verstehen! Einige der Fragen, die sich uns damals stellten im Folgenden:

Müssen wir uns damit abfinden, dass es womöglich so viele Wahrheiten gibt, wie es Menschen auf der Welt gibt?

Können wir im Weiteren davon ausgehen, dass es so etwas wie ‚absolute Wahrheit‘ nicht gibt?

Oder ist es eine nicht zu widerlegende Wahrheit [im Sinne von Tatsache], wenn ich bspw. behaupte, dass alles im SEIN – zumindest innerhalb unserem Sonnensystems – vergänglich ist?

Derzeitig… wie nahe sind wir ‚DER WAHRHEIT‘, aufgrund der uns zur Verfügung stehenden modernen Forschung, im jeweiligen Einzelfalle?
 
DIE Wahrheit ist doch der marktschreierische ''Werbeslogan'' von Schriftstellern, die ihren Narzißmus verkaufen wollen? :dontknow:
Und das WIR doch immer nur EINe provokante Verallgemeinrung eines/einer EINzelnen? :homer:

PS: Hm, VerWIRer sind wahrscheinlich kleine Lichter, die ständig das große Feuer suchen? :kuss3:
 
Zuletzt bearbeitet:
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Ich würde damit anfangen zu sagen, dass nicht alle die Wahrheit wollen - so zumindest meine Beobachtung - und diejenigen die sie wollen, wollen meist sich selbst und das möglichst unverfälscht. Da verstehe ich den Willen zur Wahrheit als den Willen zum Selbst.

Im Zusammenhang mit der Wahrheit läuft parallel die Frage: Was weiß ich? Es geht also um Wissen und Wissen kann man als eine leere Täuschung betrachten. Das interessante dabei ist, das nur Täuschungen funktionieren - weil sie in ein Verhältnis gesetzt werden können (man kann sich in etwas über etwas täuschen). Deswegen glaube ich, dass man eigentlich nur von Irrtümern ausgehen kann, aber nie von der Wahrheit selbst.
Ich kann mir gar nicht vorstellen, was Wahrheit genau sein soll und ich glaube fast nicht daran, das man aktiv nach ihr suchen kann - vielleicht eher, dass sie sich in seltenen Fällen spontan zeigt? Womit man aber arbeiten kann, das sind Irrtümer, Täuschungen, Lügen usw.
Ich finde es sehr weise, dass Nietzsche diese Frage offen gelassen hat. Nur weil man bestimmte Fragen stellen kann, bedeutet dass ja nicht zwangsläufig, dass es eine allgemeingültige Antwort darauf gibt.

Bei Schopenhauer habe ich eine treffende Beschreibung über die Wahrheit gelesen, die mir bis heute noch sehr gut gefällt: "Die Wahrheit ist keine Dirne, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, dass selbst wer ihr alles opfert, noch nicht ihrer Gunst gewiss sein darf.
 
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