"Erkenne dich selbst"
coldbluice schrieb:
Kurz: Überlege dir, was Du suchst, wer Du bist und was Du willst. Sei
ehrlich zu dir und zu deinen Menschen. Dann werden sie es auch bei dir
sein, weil sie sich sicher fühlen.
Dazu der Hinweis:
e-a-s schrieb:
Hinweis: Nach dem Lesen von ca. 5.000 Büchern aller Arten erscheint diese Frage nicht mehr ganz so schwer zu beantworten......
Das Studium von Literatur darüber, was andere vor uns gedacht und gelehrt haben ist auf jeden Fall empfehlenswert, aber ob es sogar 5.000 Bücher sein sollen?
„Erkenne dich selbst“.
Von Gotthold Ephraim Lessing wurde das Wort geprägt:
„Mensch lerne dich selbst erkennen, das ist der Mittelpunkt aller Weisheit“.
„Erkenne dich selbst“. Diese Aufforderung galt als wichtigste Aufgabe an den nach Wahrheit und Erkenntnis strebenden Suchenden und befand sich an der Stirnseite des 478 v.Chr. vollendeten Apollotempels in Delphi, in dem die Pythia ihre weltberühmten Orakelsprüche verkündete. Das Orakel war eine Lebenshilfe für den Suchenden und sollte ihm, dem Hilfe suchenden Menschen, bei der Selbstfindung helfen.
„Erkenne dich selbst“ ist die Aufforderung an jeden Menschen, sich mit seinem „Ich“ auseinanderzusetzen.
In seinem Buch: „Ödipus der Rätsellöser“ hat Thorwald Dethlefsen die Suche des Menschen nach sich selbst interpretiert, und er nimmt die griechische Tragödie als Beispiel dafür, um uns einen möglichen Weg aufzuzeigen, sich aus den Verstrickungen der äußeren Verlockungen zu befreien.
Er schreibt:
„Am Ende ist vom äußeren Königtum allein der königliche Sinn geblieben, der durch den Bettler nicht gefährdet, sondern bereichert wird. Der Mensch ist immer beides, König und Bettler, und er ist einseitig und unheil, solange er nicht beides in sich entdeckt und verwirklicht hat.
Der Mensch ist zum Königtum berufen, zum Herrscher über sich selbst, und er ist gleichzeitig ein Bettler, der davon leben muß, was das Schicksal ihm zuteilt.
Seine Sehnsucht geht nach heiligen Hainen, nach dem Sitz eines Gottes. Als Bettler hat er seine wahre Bedürftigkeit entdeckt, weiß er, was ihm zum Heil und zum Glück fehlt, denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. (Zitatende)
Wenn die Forderung „Erkenne dich selbst“ an mich gestellt wird, ist dies zunächst scheinbar eine einfache Aufgabe, ich brauche doch nur in den Spiegel zu schauen. Das ist zu kurz gefasst, wenn ich nur flüchtig hinsehe.
Mache ich dies aber eine Stunde? Wie siehe ich dann in Wirklichkeit aus? Welche Gedanken gehen mir dann durch den Kopf?
Wollen wir uns wirklich selbst erkennen? Wer sucht wirklich die Wahrheit über sich selbst?
Sie könnte erschreckend sein, denn wir sind drei Personen in einer.
Nämlich:
einmal wie uns die anderen sehen,
einmal wie wir uns selbst sehen und
einmal wie wir wirklich sind.
Beide Sichtweisen, sowohl die, wie uns die anderen sehen als auch die, wie wir uns selbst sehen, sind sicherlich mit Mängeln behaftet.
Hier beginnt die Schwierigkeit, denn üblicherweise möchten wir unsere vorgefaßte Anschauung über uns selbst von unseren Mitmenschen - auch hier im Forum - bestätigt haben, und wer uns schmeichelt, ist uns allemal sympathischer als jener, der uns den Spiegel vorhält.
Gern wird davon gesprochen, dass nur die inneren Werte zählen, aber immer wieder wird nur auf die Oberfläche geschaut, dies zeigt sich vor allem in dem Wahn, dass äußere Schönheit und materieller Reichtum das einzig Erstrebenswerte im Leben sind, da wir angeblich nur hier und jetzt leben. Mit dieser Einstellung kann der Mensch aber nur seinen persönlichen Eitelkeiten frönen und zu keiner Reflexion über sich selbst gelangen und zu sich selbst finden.
In Extremsituationen z. B. kommt der Mensch der Erkenntnis seines Selbst wesentlich näher und misst dem bisherigen andere Bedeutungen bei.
Leo Tolstoi drückt es so aus:
„Einer, der zum sofortigen Tode verurteilt ist, wird sich nicht um die Vermehrung oder Erhaltung seines Vermögens, auch nicht um seinen guten Ruf, auch nicht um den Triumph seines Volkes über andere Völker, auch nicht um die Entdeckung eines neuen Planeten und ähnliches bekümmern. Er wird aber eine Minute vor der Hinrichtung den Betrübten zu trösten trachten, dem gefallenen Greise auf die Beine helfen, die Wunde verbinden, dem Kinde ein Spielzeug ausbessern und ähnliches tun.“
All dies muß aber früher geschehen, solange ausreichende Zeit gegeben ist. Wie oft hört man: „Würde ich noch einmal geboren, würde ich alles ganz anders machen!“
Und Friedrich Nietzsche hat einmal gesagt:
„Es gibt einen Weg, den niemand gehen kann außer dir. Frage nicht wohin er führt, sondern gehe ihn.“
Die Aufforderung „Erkenne dich selbst“, verlangt aber von mir, dass ich gleichsam aus meinem „Ich“ aussteige und mich von einer höheren Warte aus kritisch betrachten soll, um mein höheres „Selbst“ zu suchen. Denn nur so wird es mir möglich, wenn ich ehrlich bin, mich in etwa so zu sehen, wie mich die anderen sehen.
„Erkenne dich selbst“ erfordert Selbstkritik, Einsicht in die eigenen Fehler und die eigene Unvollkommenheit.
Wir wurden in die materielle Welt hineingeboren und irren im Labyrinth des irdischen Lebens auf dem Weg aus der Dunkelheit des Uterus - und der erste Schrei war bereits der erste Protest gegen dieses Dasein - hin zum Tor des Todes, das viele Menschen als Weg in eine unbekannte Dunkelheit verstehen. M.E. ist aber das Tor des Todes, der Schritt ins Licht, denn solange ich an die Materie gebunden bin, bin ich in
der Daseinsebene gefangen,
die, die kath. Lehre als Hölle und Finsternis bezeichnet. Die Hölle ist für mein Verständnis kein imaginärer Ort im Jenseits, sondern für unendlich viele inkarnierte Seelen, die Erde, wobei es für mich ohne weiteres denkbar ist, dass es auch andere uns noch unbekannte materielle Welten geben kann, auf oder in denen wir unsere Reise zur Vervollkommnung fortsetzen.
Wir gehen also einen Weg aus der Dunkelheit zum Licht, wir gehen diesen Weg tastend und unsicher.
Nun möchte ich zu einem anderen Aspekt kommen.
Immer wieder hören wir, die Gesellschaft müsse ihr Verhalten ändern, z. B. gegenüber unserer Umwelt, gegenüber der Ablehnung von ausländischen Mitbürgern, gegenüber Andersgläubigen oder Andersdenkenden und es ließen sich beliebig viele Beispiele anführen. Wer ist diese Gesellschaft? Die Gesellschaft sind wir alle, da wir ein Teil davon sind, also jeder Einzelne 1/80.000.000 in unserem Land.
Viele sagen von sich: mich betrifft dies aber nicht. Das mag zunächst subjektiv richtig sein, ob aber dieses Vorurteil einer kritischen Selbstprüfung standhalten kann, muss jeder für sich allein, in den Tiefen seiner Seele ausloten und ein bekanntes Sprichwort sagt:
„Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“. Deshalb ist die Selbsterkenntnis für den denkenden Menschen so außerordentlich wichtig.
Wir wurden von Gott mit dem freien Willen ausgestattet in diese Welt gesandt, in der wir nun gleichsam wie in einem Labyrinth umherirren, um uns hier zu erkennen und zu vervollkommnen; um dann nach einem möglichst würdigen und erfüllten Leben, den Kreis zu schließen und zu ihm - unserem Ausgang – zurückkehren sollen.
Erkennen heißt: zur Wahrheit vordringen.
Auch die Gewissenserforschung der kath. Kirche ist eine Übung, die in diese Richtung zielt, mit der Vorgabe, dass es vor Gott keine Geheimnisse gibt, also ein Verstecken hinter dem berühmten Feigenblatt nichts nutzt. Hierher gehört der Satz aus der Bibel:
„Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge.“ ( Matth. 7.3 )
Um diese Lebenslüge: „Selbsttäuschung“ zu überwinden, wird hier der Einzelne ganz massiv aufgefordert der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, denn nur zu gern baut der Mensch eine Fassade auf, die er vor sich selbst und den Mitmenschen verteidigt.
Nur wer ständig an seinem „Selbst“ arbeitet und so sich zum Guten hin verändert, wird erkennen und erfassen, warum ich in diese Welt gesandt wurde.
Also möchte ich zum Anfang zurückkommen, die zentrale Forderung an uns alle lautet immer wieder von neuem:
„Erkenne dich selbst!“
MfG
Jan Amos
Anmerkung:
Jan Amos Comenius (1592-1670) schreibt in seinem Buch: „Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens.“
„Was du, lieber Leser, hier lesen wirst, ist keine Dichtung, auch wenn es die Form eines Romanes hat. Aber die Begebenheiten sind wahr. Das wirst du erkennen, wenn du mein Leben und meine Geschichte kennst. Denn zum großen Teil erzähle ich meine eigenen Geschichten, die ich in den wenigen Jahren meines Lebens selbst erlebte; aber auch einige, die ich bei anderen beobachtete.
Zwei Führer hatte ich, wie jeder, der in der Welt herumtappt: die Neugier des Geistes, die alles versucht; und jene Gewohnheit, die den Täuschungen der Welt die Farbe der Wahrheit gibt. Wenn du mit dem Auge des Verstandes ihnen nachgehst, erblickst du mit mir gleichsam das miserable Durcheinander deiner Mitwelt; wenn es dir anders vorkommen wird, dann wisse, daß auf deiner Nase die Brille der Verblendung sitzt, durch die du alles verkehrt siehst.“
Er beschreibt darin wie ein junger Mann (also er selbst), durch die Welt irrt, modellhaft dargestellt an einer Stadt, gleichsam wie durch ein Labyrinth wandert und dabei die verschiedensten Menschen aus allen sozialen Schichten vorstellt und der Gesellschaft einen Spiegel vorhält, damit sich diese darin wiedererkennt.
In diesem Buch beschreibt er den Menschen mit all seinen Facetten und man glaubt es wäre heute geschrieben.
„Klugheit ist Erkennen der Grenzen.
Höchste Klugheit ist Erkennen der eigenen Grenzen.“
(Franz Carl Endres 1878-1954)