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Schämen

@Alzii, ich habe das eher so aufgefaßt, daß das Mädchen es nicht bemerkt hatte - also schon wußte, was eine Menstruation ist -, jedoch einfach die Blöße und den Spott der Anderen nicht ertragen hatte. Die Scham über das eigene Ich nicht überwinden konnte und sogar nicht mehr in die Schule gehen wollte.

So eine Reaktion kommt eher aufgrund des negativen Verhaltens von Seiten der Mitmenschen, als von der eigenen Unakzeptanz, bzw. der Unaufgeklärtheit.
 
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Lacuna, Du schreibst, die junge Frau konnte "ein paar Wochen nicht in die Schule kommen".
Diese, für meine Begriffe äußerst heftige Reaktion deutet für mich auf ein unvorbereitetes Einsetzen der Monatsblutung hin.

Mir ist kein Fall bekannt, in dem jemand wegen eines Blut- oder eines Urinflecks (ist auch "peinlich") längere Zeit ("Wochen") der Schule fernblieb.
Und schließlich ist es die Aufgabe eines einfühlsamen Lehrers, die Angelegenheit in verständige Bahnen zu lenken.
 
...ja es war wohl unvorbereitet, aber eher ihres wissens über ihren eigenen körper nicht erfahren. das ende vom lied war jedoch, daß sie den über sich lachenden und lästernden mitschülern nicht mehr in die augen schauen wollte und so keinen ausweg mehr sah in die schule zu kommen. für erwachsene fast unvorstellbar, aber für pupertierende mädchen die hölle.

deshalb kamen auch die eltern in die schule, um mit den lehrern zu reden, wie ihre tochter nun mit dieser situtation umzugehen hat, um sich wieder unter ihren mitschülern blicken lassen zu können. die scham war eben größer als das denken über das, was eigendlich normal sein sollte.
 
Bei uns in der Schule wäre so eine Situation gar nicht erst entstanden.
Dass junge Mädchen ihre "Tage" nocht nicht regelmässig bekommen ist normal und wir haben uns immer gegenseitig mit o.b.'s ausgeholfen. Das war eine Selbstverständlichkeit und niemals hätten wir eine Mitschülerin, wenn etwas
"daneben gegangen" wäre dermassen blossgestellt, sondern dafür gesorgt, dass niemand etwas bemerkt. Zur Not hätte eben der Lehrer helfen müssen.
 
hi alzi

komm doch mal ins Untertürkheimer
(aber nicht am Wochenende, da ist Fleischmarkt)
 
Wann schämen sich Menschen?
Wie gehen Menschen mit ihrer Scham um?
Soll der Mensch sich schämen können?

Aus philosophischer Betrachtung ist Schamempfindung eine Tugend der Selbsterkenntnis und das der Mensch sich schämt liegt in seiner Natur. Es gibt einen netten erkenntnistheoretischen Ansatz aus dem Alten Testament, wo beschrieben wird wie Eva, als sie vom Baum der Erkenntnis aß, sich ihrer selbst bewusst wurde, sie sah dass sie nackt war und schämte sich. Sie hat etwas verbotenes getan, ein Gesetz gebrochen -- sie gewann dadurch die Möglichkeit zur Selbsterkenntnis, die mit einer schmerzvollen Erfahrung einherging: dem Gefühl der Scham. Die Scham weist auf Verletzbarkeit hin - die eigene und auch die der anderen. Erkenntnis ist nur möglich durch Grenzüberschreitung und geht mit Schmerz einher.

Was der Mensch vor allem soll, ist zu verhindern, dem anderen ein Gefühl zu geben, dass er/sie sich zu schämen habe (Nietzsche: Was ist dir das Menschlichste? Jemanden Scham zu ersparen.) sofern ihm etwas an seinem Gegenüber liegt.
Der Mensch schämt sich heute mehr denn je, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere die den gegenwärtigen gesellschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht werden (man schämt sich für die Raucher, Alkoholtrinker, für diejenigen die noch Fliegen, die Fleisch konsumieren, für weiße, männliche Heterosexuelle, für Großkonzerne usw.) und das Paradoxe dabei ist, dass wir dadurch in einer Kultur der Schamlosigkeit angekommen sind.
Durch den Verlust der Scham entsteht im zwischenmenschlichen Umgang keine Demut mehr, ja nicht einmal die Bereitschaft für eine Diskussion, bei gegensätzlicher Weltanschauung/Bedürfnisbefriedigung. Sobald jemand dem gesellschaftlichen Soll nicht mehr entspricht wird er/sie entweder mundtot gemacht oder anderweitig bestraft. Die Scham wird instrumentalisiert und als Waffe eingesetzt um das Entgegengesetzte zu vernichten und leider bedeutet ihr Verlust, auch ein Verlust unserer Selbst.
 
Erkenntnis ist nur möglich, wenn wir etwas tun oder wagen, das wir uns für gewöhnlich nicht zutrauen, weil wir mit einem Verlust des alten Zustandes zu rechnen hätten oder Bestrafung fürchten usw... Ein Verlust ist schmerzlich. Erkenntnis und Schmerz gehen Hand in Hand, denn beide haben eine aufmerksammachende und reinigende Eigenschaft - davon geht eine kathartische Wirkung aus.
 
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