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Schämen

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Original geschrieben von majanna
Es ist sehr schwer zu lieben!

Da sind wir uns doch einig?
Nö. Ich unterwerfe mich keinem Zwang, was Liebe fühlen betrifft. Wenn sie kommt, dann kommt sie, und das ist schön. Wenn nicht, dann nicht, ich bestimme das nicht. Die Ablehnung ist eine Gefühlswahrnehmung, die ich nicht unterschlagen möchte. Worum ich mich bemühen kann, das ist die Perspektivenverschränkung. Den Begriff hat - glaube ich - ein gewisser herr Klaus Ottomeyer erfunden. Der hatte damals an der Uni Bremen abgeschlossen, WOW! :p Jesus kannte diesen Begriff nicht. Damals wurde das Verstehenwollen unter dem Begriff "Liebe" abgehandelt.

Gysi
 
Na, Gisbert und Walter, da seid Ihr ja zu beneiden.


Abert , lieber Walter :) , was soll denn das Wörtchen "kann" in Deinem lapidaren Satz?

Und, lieber Gisbert: Du wirst staunen, aber als alte Materialistin halte ich es beim Thema Liebe eher mit Jesus

"Damals wurde das Verstehenwollen unter dem Begriff "Liebe" abgehandelt." (Gysi)



Ende der Meldung........ majanna:eek:
 
Um Himmels willen, ist das Thema schon beendet, komme ich etwa zu spät?!? *hektisch umschaut*

Egal, ich möchte dennoch einen kurzen Beitrag einwerfen, möge jener eben hinter dem bereits gesetzten Schlussstrich seine Aufwartung machen...

Ich vermute, der Überbegriff für die Bedeutungen, welche u.a. in den Begrifflichkeiten Scham und Gewissen enthalten sind, kann man als die ausgeprägten und stets vielfältigst wirkenden Bestandteile unseres individuellen Wertesystemes betrachten.

Wie Majanna bereits trefflichst zugefügt hat, sind Werte nicht nur von außen bedingt, sondern entstehen zweifelsohne auch und vielleicht sogar primär aus uns selbst heraus. Denn wir werden schließlich nur die kürzeste - wenn auch prägenste - Zeit unseres Lebens elterlich erzogen, später sagt uns niemand mehr, "lass das, das macht man nicht, pfui"...später sind gar wird es, die jene unreflektierten Phrasen dreschenderweise an den eigenen Nachwuchs weitergeben.

So werten wir selbst, wir bewerten andauernd andere Menschen und auch unser eigenes Tun, wir prüfen, ob es unseren individuellen Wertevorstellungen entspricht. Das Beispiel von Majanna besagt, wie ich finde, dass man mit den eigenen Werten leicht in Konflikt geraten kann, vor allem dann, wenn Dritte diese Werte beeinflussen und eigene Moralvorstellungen dann übergangen werden, um - sei es auch nur aus Unsicherheit oder Unbeholfenheit - die von außen gestellten Erwartungen zu erfüllen. Hierzu gibt es auch interessante wissenschaftl. Studien, eine hiervon ist sehr bekannt. Menschen, welche vollkommen harmonisch in der Gesellschaft leben und keinerlei kriminelle oder gewalttätige Tendenzen aufzeigen, werden im Zuge einer solchen Studie zu sadistischen Folterern, nur weil das eigene Wertesystem zeitweise durch ein von außen aufoktroyiertes ersetzt wird. Dieses durch die Anderen verlangte und somit scheinbar legitimierte Tun, wird von den Menschen als höherwertig eingestuft, so dass sie eigenes Reflektieren und Werten in den Hintergrund drängen. Sie handeln somit nicht mehr eigenreflektiert. In nur sehr wenigen Ausnahmefällen, war das individuelle Wertesystem stabil und dominant genug, um weiter zu funktionieren und die scheinbare Autorität des äußerlich verlangten Tuns in Frage zu stellen. In den meisten Fällen war dem jedoch nicht so.

Dies zeigt u.a., dass das menschliche Wertesystem enorm komplex und so leicht nicht zu durchleuchten ist. Wir handeln nicht immer so, wie wir es selbst für richtig erachten, sonst hätten wir keine Gewissensbisse.

Nochmal kurz zur Scham. Eines ist mir an mir persönlich aufgefallen. Je selbstbewusster man wird und je stabiler und eigenständiger das eigene Werten geartet ist, desto seltener sehe ich mich mit Schamgefühlen konfrontiert. Scham ist für mich kaum noch präsent und wenn, dann bin ich animiert, jene Schamgefühle zu hinterfragen, was selbige dann zumeist ihrer ohnedies zweifelhaften Substanz beraubt.

Viele Grüße,

Philipp
 
Noch ein Gedicht

Ein Mensch, der spürt, wenn auch verschwommen,
er müßte sich - genau genommen -
im Grunde seines Herzens schämen,
sieht vor, es nicht genau zu nehmen.

Eugen Roth
 
Hallo, Philipp!
„Ich vermute, der Überbegriff für die Bedeutungen, welche u.a. in den Begrifflichkeiten Scham und Gewissen enthalten sind, kann man als die ausgeprägten und stets vielfältigst wirkenden Bestandteile unseres individuellen Wertesystemes betrachten.“(Philipp)

Das vermute ich auch, Philipp.


Von der Studie habe ich auch bereits vielfach gehört. Sie zeigt, dass , wenn ganz normale Menschen Gewalt anwenden – ihrer Meinung nach – müssen, sie sich je nach Anlage zwar widerstrebend aber doch aus Gehorsam dazu bereit fanden. Manche fragten nach, wenn sie das simulierte Stöhnen hörten. Mir ist nicht bekannt, ob sich die Probanden schämten, als sie hörten, dass eigentlich sie getestet wurden , nämlich ihre Bereitschaft, Gewalt anzuwenden.

Aber sicher war dieser Test für sie eine Möglichkeit aus ihrer“ heilen Welt“ aufzuwachen.



Zu Deinen folgenden Worten:“
Nochmal kurz zur Scham. Eines ist mir an mir persönlich aufgefallen. Je selbstbewusster man wird und je stabiler und eigenständiger das eigene Werten geartet ist, desto seltener sehe ich mich mit Schamgefühlen konfrontiert. Scham ist für mich kaum noch präsent und wenn, dann bin ich animiert, jene Schamgefühle zu hinterfragen, was selbige dann zumeist ihrer ohnedies zweifelhaften Substanz beraubt“ (Philipp).

Ich denke, dass ist altersgemäß völlig in der Reihe. Zum Erwachsenen gehört ja das Abgestreift-Haben von Außenvorschriften.

Ich kann Dir von mir nur sagen, dass mit höherem Alter, wenn man sich seiner Werte ziemlich sicher ist, die Scham wieder tiefer wird, wenn man gegen selbst auferlegte Gebote verstößt. Das ist dann ein Gefühl, das gegen einen selbst gerichtet ist.Aber die Wangen werden genau so rot, wie in der frühen Jugend bei den Fremdgeboten.

Und wie gesagt, mich interessiert es nach wie vor, dass Schamhaftigkeit so ambivalent gesehen werden muss.


Übrigens: Zwischen Gisbert, mir und Walter hat nur ein Zwischengeplänkel über das Gebot der Liebe stattgefunden. Gisbert meint, dass Liebe fokussiert wird, Walter meint, dass Liebe auch schön sein kann und ich bin eigentlich der Ansicht, dass Liebe verdammt schwer ist, wenn man/frau sie als oberstes Gebot in den Handlungsanweisungen ansieht. Du siehst, wir haben geschlenkert.

lbg: majanna
 
Ein Mensch, der spürt, wenn auch verschwommen,
er müßte sich - genau genommen -
im Grunde seines Herzens schämen,
sieht vor, es nicht genau zu nehmen.

Eugen Roth



Er schämt sich weder da noch hier.
So wird er wieder hübsch zum Tier.
Er wiehert, zwitschert, tut allerhand Laute rauspressen
und hat am Ende gar vergessen,
was Scham ist und der ganze Kram,
der von Urväter Ahnen auf ihn kam.


aus Majannas Replikkiste
 
Hallo Majanna,

in jüngeren Lebensjahren basiert unser Wirken also vornehmlich auf den übernommenen und von außen beigebrachten/anerzogenen Verhaltensweisen, die Werte sind also hauptsächlich fremdbestimmt. Je reifer unser Selbst nun wird und je mehr eigene Lebenserfahrungen und Eindrücke wir sammeln, desto mehr werden nun eigene Werte - jedoch immer auf grundlegender Basis der früheren Werte - herangebildet.

So können alte Werte mittels eines langen Prozesses - mitunter einer eingehenden Selbstreflexion - eine Wandlung oder Ergänzung erfahren, vielleicht sogar tatsächlich eigenständig geändert werden. Dies ist aber sicherlich nur dann der Fall, wenn der Mensch aktiv an sich arbeitet, reflexiv-selbstkritisch eingestellt, d.h. die alten Werte bewusst aufarbeitet und kritisch beäugt, also nicht verharrt und innerlich versteift, wie dies leider bei vermutlich nicht wenigen Mensch vorkommt.

Wie dem auch sei, bedrückend finde ich, dass wir stets immer nur ein vollkommen subjektives Wertevermögen besitzen können, also allein von uns selbst ausgehend und niemals allen möglichen Erfordernissen gewachsen. Wir werden also mit Handlungen und Ereignissen konfrontiert und können diese mit unserem eigenen Wertevermögen situativ nicht ausreichend erfassen, wie dein eigenes Beispiel sehr gut aufzeigt. So kommt ein innerlicher Wertekonflikt zustande, der dann auch mit Scham vor dem eigenen Unvermögen einhergehen kann, und dieser wird einen nun in der Folge fordern, die eigenen Werte nochmals zu überdenken und das eigene Handeln vor allem kritisch zu reflektieren, sofern man das Vermögen hierzu besitzt.

Man reift also durch die Konfrontation der inneren Werte mit dem eigenen Handeln und der hieraus enstehenden Differenzen, jedoch bleibt die Frage offen, in wie fern sich die Werte am Handeln selbst orientieren können. Die frage, die ich mir gerade stelle: "Woran orientiert sich unser Wertesystem grundlegend, am Handeln, an beigebrachten Wertemustern, oder vielleicht anhand fester genetischer Muster, welche durch unser Wirken nur entsprechend angepasst und eher willkürlich geformt werden?".

Nun ja, sicherlich nicht leicht zu klären...aber interessant hierüber nachzusinnen, wahrlich.

Viele Grüße,

Philipp
 
Zuletzt bearbeitet:
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Ich würde mal schnell antworten: unser Wertesystem entsteht und reguliert sich sowohl aus genetischer Gabe ( alles, was mir unserem „Charakter“ zusammenhängt, zumindest das, was aus „dem Bauch“ kommt, soll nach neuesten Studien zu einem großen Prozentsatz genetisch bedingt sein),aus anerzogenen Werten ( hier ist wieder das Elternhaus enorm prägend - auch die informelle Gruppe in der Jugend) und aus dem verantwortungsbewussten Tun des handelnden Menschen.

Nun macht es mich ein wenig traurig, dass so wenig Menschen die Möglichkeit haben, wirklich zu dem letzten Schritt, dem korrigierenden Umgang mit sich selbst zu kommen. Viele Menschen kommen nicht zu einem Hinterfragen der überkommenen Werte. Viele tun Scham als völlig unnötiges Gefühl ab. Viele denken bei dem Begriff Scham nur an
Sexuelles.

Wahrscheinlich brauchten wir an dem Punkt unserer Diskussion wirklich wissenschaftliche Hilfe. Aber beide vermuten wir doch mehrere Ursachen, warum es zur Ausbildung von Wertemustern kommt.Und dass Scham das Gefühl ist, das den Menschen überkommt, wenn er gegen Werte im Handeln verstößt, ist uns beiden auch klar.

lbg: majanna
 
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