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Dieser Ausdruck ergibt für mich keine Logik - wie kann ein Mensch, durch das, was er nicht weiß, das sein, was er nicht zu sein weiß? Egal ob Halb -Fehl oder Unwissen- es ist eben immer nur dies: ein Nicht-Wissen und folglich eine Nicht-Existenz. (Eine Existenz bezieht sich immer auf ein Zu-Seiendes)

Möglicherweise habe ich mich unklar ausgedrückt oder gar polemisch.
Gemeint hatte ich Aussagen oder ganze Themen, die immer wieder geäußert worden und werden - und einfach nicht stimmen. I.d.R. deshalb, weil sie immer wieder aufgewärmt und nachgeplappert werden, ohne dass sie jemand recherchiert und verifiziert. Manches wird (oder wurde) sogar in Schulbüchern vertreten, in "seriösen" Medien aufgetischt oder in ebensolchen Dokus filmisch inszeniert.
Es sind Missverständnisse, oft romantischen Charakters, die dadurch aber nicht weniger falsch sind. Manche von ihnen haben sich derartig in unsere Hirne eingebrannt, dass Zeitgenossen hoch gehen wie eine Rakete, wenn man etwas anderes behauptet (selbst schon erlebt).

Ein paar Beispiele:

1. Durch die Fahrten des Christoph Kolumbus (in manchen Varianten auch durch Magellan) wurde die Kugelgestalt der Erde etabliert und endgültig bewiesen.
Diese Behauptung, die u.a. auch in meinem Schul-Erdkundebuch zu lesen war, ist in dieser Form falsch. Denn die Kugelgestalt der Erde stand nie in Frage und wurde bereits seit der Antike von allen führenden Gelehrten vertreten. Die Idee der flachen Erde war zu allen Zeiten eine Minderheitenmeinung, die nur von unbedeutenden Autoren vertreten wurde.
Die kirchliche Expertenkommission, die Kolumbus Expedition zunächst abwies, begründete sich vor allem darauf, dass die von Kolumbus angenommene Erde zu klein sein müsse und der Weg nach Asien zu weit für die damaligen Möglichkeiten der Seefahrt. Damit lagen sie ziemlich genau richtig (und das zwischen Europa und Asien die amerikanischen Kontinente liegen, das konnten sie ja nicht wissen).

2. Das medizinische Werk der Hildegard von Bingen.
Hildegard von Bingen (1098-1179) wird immer wieder von Lifestyle-Magazinen, pharmakologischen Magazinen (z.B. Apotheken Umschau) zitiert, meist in der Form wie "... wie auch Hildegard von Bingen schon wusste, kann Knoblauch ..." oder sogar in Dokus in ihrer Klosterapotheke bei Kerzenschein filmisch inszeniert.
Hildegard von Bingen war Äbtissin, hinterließ ein umfangreiches mystisches Werk und kommunizierte mit hochrangigen und bedeutenden weltlichen oder kirchlichen Zeitgenossen.
Ihr medizinisches Werk aber ... stammt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von ihr. Es tauchte erst rund 300 Jahre nach ihrem Tod auf, als eine Art spätmittelalterlicher Fälschung, und wurde ihr zugeschrieben, um dem Werk mehr Bedeutung zu verleihen. Außerdem enthält es im Wesentlichen nur den Aberglauben der damaligen Zeit, Edelsteintherapie, Alraunen auflegen uvm.
Die vielfältigen Pflichten als Äbtissin hätten Hildegard von Bingen auch gar nicht die Zeit gelassen, ein solches Werk zu erarbeiten.

3. Die Hexenverfolgung fand im Mittelalter statt und wurde von der Inquisition durchgeführt.
Die Inquisition verfolgte Menschen, aber keine Hexen. Die Inquisition verfolgte vor allem Häretiker, also Gelehrte und Prediger, die abweichende Glaubensinhalte vertraten. Im Mittelalter vertrat die Kirche sogar den Standpunkt, der Glaube an Hexerei sei Aberglaube. Die Hexenverfolgung wurde durch weltliche Gerichte betrieben. Die Hochphase der Hexenverfolgung fand in der frühen Neuzeit, also nach dem Mittelalter statt und zwar vor allem in Nord- und Mitteleuropa und im Zusammenhang mit der Kleinen Eiszeit und dem 30jährigen Krieg (1618-1648). In den genuin katholischen Ländern (Italien, Spanien) fand die Hexenverfolgung praktisch kaum statt.

4. Die Glühbirne wurde nicht von Edison erfunden, sondern in Wahrheit von einem Deutschen, Briten, Italiener, Franzosen ...
Im zeitlichen Umfeld von Thomas Alva Edison tüffelten mindestens 20 andere an der Glühbirne herum. Die Idee lag praktisch in der Luft. Je nach Nationalität und -stolz benennt dann jedes Land gern einmal seinen "wahren" Erfinder der Glühbirne. Nur war es leider Edison, dessen Erfinderwerkstatt und Ingenieure die Glühbirne schließlich zur Marktreife entwickelten. Und dessen politische Kontakte es ermöglichten, die Glühbirne auch am Markt durchzusetzen.
Auf Edison geht auch die Verwendung des Elementes Wolfram für den Glühfaden zurück, das nach langen Reihentests als das beste Material gefunden wurde und auch später das Material der Wahl für den Glühfaden blieb. So gesehen ist Edison der Erfinder der Glühbirne, während seine Mittbewerber nur Tüftler in irgendwelchen Hinterhof-Werkstätten blieben.

5. Orson Welles' Hörspiel "Krieg der Welten" (1938) im Radio löste eine Massenpanik aus.
Der Journalist Ulrich Wickert verstieg sich in einem seiner Bücher sogar zu der Behauptung, "Millionen" seien durch die fiktive Reportage Welles in eine Massenpanik geraten. Einiges spricht dafür, dass diese nie stattfand und die Radiohörer sehr wohl die Fiktion erkennen konnten, von einzelnen Verwirrten vielleicht abgesehen. Mutmaßlich ist die angebliche Massenpanik eine nachträgliche Erfindung der Boulevardpresse.

6. Ein einzelner Fauxpas, aber dennoch: Guido Knopp und sein Goethezitat.
In einer Anmoderation an eine Doku weist uns Guido Knopp darauf hin (sinngemäß zitiert): "Wie auch der alte Goethe schon wusste, gibt es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit uns träumt."
Diese Anmoderation wieder immer wieder einmal gesendet, wenn die Doku mal wieder im Fernsehen wiederholt wird. Ich weiß nicht, ob es noch nie jemand gemerkt hat ... oder ob man einfach Guido Knopp ärgern will.
Denn das Zitat ist überhaupt nicht von Goethe.
Vielmehr handelt es sich um ein Zitat aus Shakespeares Hamlet, im Original:

"There are more things between heaven and earth that are dreamt in Your philosophy, Horatio.", woraus in der klassischen Schlegel-Tieck-Übersetzung (ungenau)

"Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde als Eure Schulweisheit Euch träumt, Horatio"

wird.
 
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