AW: Menschenskinder!
Hallo Grübelbernd,
Lebensfreundlich ist in meinem heutigen Verständnis der einzige sinnige Maßstab, wenn man so will „Wert“.
Ich verstehe Leben im weitesten Sinne als eine pulsierende Bewegung, die ein inneres Wachstum besitzt. (meine Definition)
Jede Unterbrechung dieses Pulsierens, jedes Lenken und Behindern dieser Bewegung, sehe ich als lebensunfreundlich, da es scheinbar - und „scheinbar“ gründet sich lediglich auf meine eigenen Beobachtungen - das unwillkürlich ablaufende Wachstum behindert...
Das ist eine sehr interessante Beschreibung. Um also nicht lebensfeindlich zu sein, müßte man dieses Pulsieren komplett verstehen, man müßte erkennen, wann es pulsiert, wann es stillsteht, wann man lenkt oder hindert. Da das Leben aber so verdammt komplex ist, scheint mir das ein Ding der Unmöglichkeit. Demnach agieren wir ständig lebensfeindlich, ob bewußt oder unterbewußt. Liege ich da richtig?
Ich meine hier kein Lippenbekenntnis, keinen Wunsch, keine Vorstellung eines Idealzustandes. Ich meine ein inneres Gefühl. Wenn du das hast?, hmm, das würde ich dir wünschen. Ich würde aber an dieser Stelle frech behaupten, dass deine Formulierungen auf etwas anderes hindeuten. Bitte nicht böse sein.
Wiese sollte ich böse sein? Ich bin froh, daß du mir geantwortet hast. Aber:
Ich würde an dieser Stelle frech behaupten, daß du keine Kinder hast, zumindest keine ehelichen, und einmal unglücklich verheiratet warst. Bitte nicht böse sein.
Grenzenloses Vertrauen kann es m.E. mit unserem heutigen Lebensverständnis nicht geben. Warum?, weil dem Leben ein „werden“ vorgesetzt wird, was dem „sein“ (dem Istzustand) „vorn weg“ läuft. Dein jetziges Wohlbefinden, deine Faulheit, dein Selbstbewusstsein, dein Wissen, die Bekämpfung von Krebs, die Badewassertemperatur, deine schmerzenden Hühneraugen...alles „könnte besser sein“.
Ich habe alles was ich mir wünschen würde (ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, warme Kleidung, geistige Freiheit und Zugang zu Büchern) und noch viel mehr. Mir kann eigentlich nichts Schlimmes passieren. Der Tod ist im Grunde nicht schlimm, er ist sogar ein Ass im Ärmel, das ich jeder Zeit ziehen kann, falls ich das Leben einmal nicht mehr ertragen sollte. Bis jetzt ist mir nur Gutes widerfahren (wenn man auch Leid als etwas Gutes oder zumindest Sinnvolles ansieht und annimmt, kann das jeder von sich behaupten). Ich habe also keinen Grund, dem Leben nicht zu vertrauen, deshalb vertraue ich ihm. Ist das nachvollziehbar?
Ein Mensch, der das Vertrauen in die Welt bis in jeden Körperteil spürt, wäre ein heiler Mensch, vielleicht ein Heiliger. Sein "sich entwickeln" dürfte dann anders aussehen, als das was wir darunter verstehen.
Dann wäre er gewiss ein Heiliger. Vertrauen in das Leben ist aber mMn nicht gleich Vertrauen in die Welt. Ich vertraue dem Leben, daß es mir nichts Schlimmes tut (wie oben gesagt kann es das gar nicht), vielmehr zwinge ich das Leben mit meiner Einstellung, mir dauernd wunderschöne Überraschungen zu bereiten. Vertrauen in die Welt würde aber bedeuten: Alles ist gut so wie es ist. Das will ich widerum nicht behaupten.
Viele Menschen WOLLEN dem Leben vertrauen. Manche nutzen einen Glauben, eine Philosophie eine Flasche Schnaps oder einen Partner, um dieses Gefühl zu immitieren. Man meint, indem man die Einsamkeit füllt, würde das Gegenteil automatisch eintreten. Das scheint ein Irrtum.
Wahrscheinlich meistest du hier: "Dem Leben vertrauen wollen" = "Glücklich sein wollen". Wenn nicht, bitte korrigiere mich, wenn schon, dann gebe ich dir vollkommen recht. Ich denke es ist nicht sehr klug, Glück an außerhalb von einem selbst liegende und damit nicht beeinflußbare Dinge zu knüpfen. Die Gründe sind offensichtlich.
Wie man es hingegen tiefgehend erreicht, damit beschäftigen sich zahlreiche Schulen. Aber ich kann mich keiner anschließen, weil ich vermute, das des Rätsels Lösung viel einfacher ist, als wir vermuten. Das mag ich jetzt nicht erklären.
Schade, das hätte mich wirklich sehr interessiert. Vielleicht verspürst du ja jetzt Lust dazu...
Wie erarbeitet man sich Leichtigkeit? Das macht mich neugierig.
Aufgepasst!

Als Beispiel nehme ich den Börsenmakler. Er kauft Aktien, die Kurse fallen, er springt aus dem Fenster, weil er glaubt, sein Leben hat keinen Sinn mehr. Keiner versteht, wie ihm etwas so Lächerliches so wichtig sein konnte (und so geht es dann immer weiter, bis man sich schlußendlich der Lächerlichkeit meines Bangens um die eigene Existenz gewahr wird, dann müßte man absolute Leichtigkeit besitzen). Das ist der Punkt, wenn ich mir darüber im Klaren bin, wie lächerlich in Wirklichkeit meine Ängste und Sorgen sind, besitzt man Leichtigkeit, nämlich die (ich glaube genau das meintest du auch damit), die Dinge nie zu ernst zu nehmen und sich nie von ihnen runter ziehen zu lassen.
Mit erarbeiten meinte ich - denken! Alles zu durchdenken, auch sich selbst und seine Werte, ehrlich und ohne Rücksicht. Mein freier Wille erlaubt es mir, jederzeit über alles nachdenken zu können (in Wirklichkeite ist dafür aber viel öfter ein schwerer Schicksalsschlag als Stein des Anstoßes nötig).
Viele Grüße und einen schönen Abend schickt
Grübelbernd
Viele Grüße zurück
und danke, daß du mir einen schönen Abend geschickt hast
