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diktatoren

flora

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20. März 2003
Beiträge
272
hallo!

ich habe unter einem der threads betreffend irakkrieg die meinung vertreten, dass es sicherlich wertvoll ist, den von einem terror-regime unterdrückten und betroffenen menschen zu helfen, dass es mir aber mindestens ebenso wichtig erscheint, politische aggressoren und tyrannen in ihrem unheilvollen und für viele generationen schädlichen wirken zu stoppen, wenn nötig mit gewalt auszuschalten.

in diesem zusammenhang habe ich ein buch von alice miller erwähnt, in dem sie sich u.a. mit den täterpersönlichkeiten von adolf hitler und nicolae ceausescu auseinandersetzt:

alice miller: abbruch der schweigemauer

wie konnte es passieren, dass sich ein mensch wie a. hitler eine gigantische todesmaschinerie ausdachte und millionen helfer fand, um sie jahrelang in gang zu halten?

aufgrund der vorhandenen dokumente kann man sich ein gutes bild von der atmoshäre machen, in welcher a. hitler aufgewachsen ist. die struktur seiner familie lässt sich als prototyp des totalitären regimes charakterisieren:
einziger, unumstrittener, oft brutaler herrscher ist der vater. frau und kinder sind seinem willen unterworfen und seinen stimmungen total ausgeliefert, müssen demütigungen und ungerechtigkeiten regungslos hinnehmen. gehorsam ist ihr wichtigstes lebensprinzip... bei einer gelegenheit erzählte hitler seiner sekretärin, wie er es geschafft hatte, während einer der üblichen auspeitschungen durch seinen vater nicht mehr zu weinen, nichts dabei zu empfinden und die 32 schläge sogar zu zählen.

aus psychoanalytischer sicht muss jedes kind erlittene misshandlungen zunächst verdrängen, um zu überleben, weil der kindliche organismus das ausmass dieser schmerzen nicht verkraften könnte. erst dem erwachsenen eröffnen sich andere möglichkeiten, mit seinen gefühlen umzugehen, allerdings meist auch nur dann, wenn er im laufe seines lebens alternativen zu blindem gehorsam und heuchelei kennenlernen konnte.

bei hitler führten die abwehr der schmerzen, ohnmachtsgefühle und verzweiflung zu völliger unfähigkeit zu empathie, erbarmungsloser gewaltausübung und menschenverachtung. die latent gebliebenen gefühle von hass und rachsucht trieben ihn zu immer neuen destruktiven aktionen.
dazu kam, dass adolf hitler den faschismus eigentlich nicht zu erfinden brauchte, denn er fand die wesentlichen elemente im totalitären regime seiner familie vor. im damaligen deutschland (anm: und natürlich nicht nur dort) gab es millionen von menschen, die in ihrer kindheit ähnliche erfahrungen gemacht hatten.

in ihrem buch listet a. miller die prinzipien des damaligen erziehungssystems auf:

* nicht das leben, sondern ordnung und gehorsam sind die höchsten werte
* nur mit gewalt lässt sich ordnung schaffen und aufrechterhalten
* kreativität (verkörpert) im kind ist eine gefahr für den erwachsenen und muss zerstört werden
* ungehorsam und kritik sind undenkbar, weil sie mit züchtigung bis hin zur todesdrohung bestraft werden
* die unerwünschten gefühle und wahren bedürfnisse müssen aufs entschiedenste unterdrückt werden

und sie zeigt eindrucksvoll auf, wie lückenlos diese prinzipien in hitler's ns-ideologie ihren niederschlag gefunden haben:

* der wille des führers ist das höchste gesetz
* der führer schafft mit gewalt ordnung. wer kritik wagt, landet im kz.
* juden, zigeuner, behinderte und geisteskranke sollen vernichtet werden.
* die freie kunst ist gefährlich, 'entartet', und muss, wie auch sonst jede form von kreativität, verfolgt werden.

gemäss miller haben ungünstige ökonomische und politische verhältnisse gewiss einen fruchtbaren boden für faschismus und nationalsozialismus geliefert; die tatsache, dass hitler dem volk die lösung aller probleme versprach und ihm sündenböcke anbot, hätte aber nicht ausgereicht, um tausende menschen dazu zu bringen, sich als marionetten und henker gebrauchen zu lassen. diese versprechen mussten 'im stil des herrschsüchtigen, gewalttätigen vaters' gegeben werden, den die meisten zeitgenossen kannten, fürchteten, bewunderten, dem sie bedenkenlos glaubsten und folgten.

zu nicolae ceausescu:
die welt, in die ceausescu als drittes kind armer oltenischer bauern hineingeboren wurde, war trist: ein zimmer, keine betten und möbel. was in den meisten biographien nicht berichtet wird, ist die tatsache, dass ceausescu's vater nicht nur arm und vater von zehn kindern war, sondern dass er sein weniges geld im wirtshaus vertrank und seine kinder, statt sie zu ernähren, täglich 'zu ihrem besten' schlug. die mutter, eine analphabetin, war ehrgeizig und achtete streng auf die schulischen leistungen der kinder, welche sie ebenfalls ausgiebig prügelte. die eltern, die sehr religiös waren, fanden für ihr verhalten immer wieder gute 'moralische' begründungen, so dass die kinder an der richtigkeit der züchtigungen niemals zweifelten.

n. ceausescu's herrschaft brachte zum vorschein, was wohl alle ceausescu-kinder verdrängt hatten: die totale kontrolle, der man sich, zusammengepfercht in einem kleinen zimmer, nie entziehen konnte, brutale psychische und physische gewaltausübung, die heuchelei der religiösen erziehung und die ständige zeugung von kindern, denen man nur ungeduld, elend und lieblosigkeit anzubieten hatte.

als ceausescu an die macht kam, verhängte er über ganz rumänien das schicksal, das einst sein eigenes gewesen war: so wie die priester für das einhalten der göttlichen anordnungen in scornicesti gesorgt hatten, hatte nun die 'securitate' den auftrag, die frauen zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass der 'göttliche' wunsch des diktators nach kinderreichen familien erfüllt wurde. die von der geheimpolizei gesteuerte kampagne für eine höhere geburtenzahl kostete abertausenden von müttern und kindern das leben.

und noch ein weiterer dramatischer mechanismus lässt sich aus den taten ceausescu's ableiten: seine politische laufbahn wurde von anfang an von der idee der 'erlösung durch zerstörung' beherrscht. genau wie hitler, stalin und andere hatte er als kind immer wieder gehört, er sei nur in seinem interesse geschlagen und überwacht worden. diese nie durchschaute lüge wurde dann zum lebensprinzip. als folge fortdauernder verdrängung verfestigte sich bei ihm immer stärker die überzeugung, dass er das volk erlöste, wenn er es beherrschte, versklavte, demütigte und zum schweigen brachte. in seinem prozess sagte ceausescu, er habe ja die achttausend alten dörfer nur zerstören wollen, um dem volk spitäler und schulen zu bauen - demselben volk, das hungern und frieren musste, damit er für sich paläste bauen konnte........

im ihrem buch berichtet a. miller übrigens auch von einer 1989 in paris durchgeführten umfrage unter gymnasiasten, in der 78 % der befragten die schläge in ihrer erziehung als notwendig und richtig bezeichneten. diese untersuchung zeigt mit erschreckender deutlichkeit, wie früh sich die erfahrenen und gelernten lügen bereits in den jugendlichen zu meinungen und überzeugungen verfestigen. da die mehrheit sie vertritt, sind sie in ihrer destruktivität für viele schwer durchschaubar, besonders wenn zutreffende informationen fehlen........

grüsse, flora
 
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Da kann gesehen werden, was eine solche Erziehung anrichtet! Und offenbar hat unsere ach so moderne Welt nur wenig dazugelernt. Es ist ja auch eine persönliche Unterdrückung ein Gewaltakt, wie Mobbing, usw. Das gehört ja meist zu Schlägen in der Familie dazu. Sicher gibt es nicht viele, die ein Solches unbeschadet überstehen. Bei dem Beitrag kann ich mich wieder freuen, dass ich meine Kinder und Kinder Grundsätzlich nie geschlagen oder unterdrückt habe. Gruss von Alwin
 
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