Hallo Ling,
da das Glaubensmodell der katholischen Kirche ein einzig wahres Weltbild vertritt und propagiert, ist demzufolge alles andere zwangsläufig unrichtig und heidnisch. Ein überzeugter Katholik wird in mir als Agnostiker also immer ein verirrtes Schaf annehmen müssen, denn sonst kommt er mit dem eigenen bzw. übernommenen Glaubensmodell in Konflikt. Insofern ist die Toleranz der katholischen Kirche natürlich von jeher enorm beschränkt. Schon allein deshalb, weil das Glaubensmodell der kath. Kirche in keinster Weise auf Eigenschaften wie Toleranz oder persönliche Freiheit eingeht. Der einzige Gott ist der Herrscher und der Mensch ist verpflichtet ihm zu dienen und nach seinen Regeln zu leben. Die Kirchenhierarchie fängt bei Gott an, setzt sich über Engel, Apostel, Papst, Kardinäle, Bischöfe, Äbte etc. fort und hört ganz unten beim kleinen Gläubigen auf. Sie entspricht somit excellent dem mittelalterlichen Seilschaftsmodell, darum hatte die kath. Kirche im - nicht umsonst - "düsteren" Mittelalter auch ihre Glanzzeit.
Heute muss sich die kath. Kirche zwangsanpassen, sonst ist sie nicht mehr überlebensfähig in der immer liberaleren und aufgeklärteren Gesellschaft. Zwar erfolgt diese Anpassung nur sehr träge - was das versteift-konservative System der kath. Kirche unterstreicht - jedoch, es tut sich wohlgemerkt ab und an etwas. Man füllt nicht mehr nur den eigenen Geldbeutel - denn Jesus hatte schließlich einen dicken Geldbeutel, wie man zufälligerweise im Mittelalter herausfand *g* - sondern ist bestrebt, sich als soziale Einrichtung auf Dauer zu etablieren. Das wichtigste jedoch ist, dass niemand mehr zum Glauben gezwungen wird.
Der Religionsunterricht in den Schulen ist zwar auch mir noch ein Dorn im Auge, allerdings sehe ich hier die wenigsten Probleme. Wenn ein Kind mit Bibelgeschichten in jungen Jahren geimpft wird, dann wird es vermutlich ersteinmal davon geprägt sein. Auch ich hatte im zarten Alter von 10 Jahren das Glaubensbild des Religionsunterrichtes übernommen und hielt das für richtig. Doch bereits mit 13 Jahren regten sich intensive Zweifel und nach und nach eroberte ich mir meine geistige Freiheit selbst zurück. Diese etappenweise Zurückeroberung habe ich als enorm wichtig empfunden. Wenn man selbständig aus einem Glaubenskonstrukt ausgestiegen ist, dann prägt dies nachhaltig.
Wenn ein Mensch nicht aus eigenen Stücken die erlernten Glaubensbilder wieder ablegen kann, dann wäre er früher oder später - meiner Ansicht nach - ohnehin in einen Glaubenspool geraten. Da ist es besser, wenn psychisch schwächere Menschen vorzeitig von einem halbwegs seriösen Glaubensmodell aufgefangen werden. Daher sehe ich im Religionsunterricht an den Schulen keine grundlegenden Bedenken. Zumal es seit längerem Alternativmöglichkeiten gibt, welche jedoch vom Elternhaus unterstützt und eingefordert werden müssen, z.B. Ethik.
Viele Grüße,
Philipp