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Auge um Auge

G

Gaius

Guest
Verschiedentlich ist in unseren Diskussionen das Wort vom "Auge um Auge, Zahn um Zahn" erwähnt worden, was als verwerfliches, rachsüchtiges Prinzip zu gelten habe. Ich hatte dann entgegnet, daß gerade dieses Wort der Beginn oder besser, der Kern der modernen Rechtsprechung sei, weil darin eine Angemessenheit der Einzelstrafe gegenüber der Einzeltat formuliert würde, während zuvor die gesamte Gemeinschaft in Haftung für die Einzeltat genommen wurde bzw. simpel Rache ohne Blick auf Verhältnismäßigkeit verübt wurde.

Hier nun das biblische Gesetzeswort vom "Auge um Auge" im größeren Zusammenhang.

Aus dem zweiten Buch Mose, Kapitel 21:

Vergehen gegen Leib und Leben
12 Wer einen Menschen schlägt, daß er stirbt, der soll des Todes sterben.
13 Hat er ihm aber nicht nachgestellt, sondern hat Gott es seiner Hand widerfahren lassen, so will ich dir einen Ort bestimmen, wohin er fliehen kann.
14 Wenn aber jemand an seinem Nächsten frevelt und ihn mit Hinterlist umbringt, so sollst du ihn von meinem Altar wegreißen, daß man ihn töte.

15 Wer Vater oder Mutter schlägt, der soll des Todes sterben.
16 Wer einen Menschen raubt, sei es, daß er ihn verkauft, sei es, daß man ihn bei ihm findet, der soll des Todes sterben.
17 Wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben.

18 Wenn Männer miteinander streiten und einer schlägt den andern mit einem Stein oder mit der Faust, daß er nicht stirbt, sondern zu Bett liegen muß
19 und wieder aufkommt und ausgehen kann an seinem Stock, so soll der, der ihn schlug, nicht bestraft werden; er soll ihm aber bezahlen, was er versäumt hat, und das Arztgeld geben.

20 Wer seinen Sklaven oder seine Sklavin schlägt mit einem Stock, daß sie unter seinen Händen sterben, der soll dafür bestraft werden.
21 Bleiben sie aber einen oder zwei Tage am Leben, so soll er nicht dafür bestraft werden; denn es ist sein Geld.

22 Wenn Männer miteinander streiten und stoßen dabei eine schwangere Frau, so daß ihr die Frucht abgeht, ihr aber sonst kein Schaden widerfährt, so soll man ihn um Geld strafen, wieviel ihr Ehemann ihm auferlegt, und er soll's geben durch die Hand der Richter.

23 Entsteht ein dauernder Schaden, so sollst du geben Leben um Leben,
24 Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß,
25 Brandmal um Brandmal, Beule um Beule, Wunde um Wunde.

26 Wenn jemand seinen Sklaven oder seine Sklavin ins Auge schlägt und zerstört es, der soll sie freilassen um des Auges willen.
27 Desgleichen, wenn er seinem Sklaven oder seiner Sklavin einen Zahn ausschlägt, soll er sie freilassen um des Zahnes willen.

Ist mein obiger Gedanke ganz abwegig?
Welche historischen Rechtsprechungssysteme, auf die sich das moderne Strafrecht beziehen kann, gibt es noch?

fragt als juristischer Laie
Gaius.
 
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Hi Gaius, als Kontrastprogramm zu dem von Dir angeführten biblischen Strafkatalog:

2000 Jahre später wird ein vierfacher Raub-Mörder für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, weil er inständig bereut hat.

Gruß von Claus
 
Tja, nach Moses kam Jesus und er war gegen Gewalt und sagte zudem "du sollst nicht töten". Danach sind weitere 2000 Jahre vergangen und viele neue Ideen sind dazu gekommen. Die Pharisäer unter uns finden aber immer wieder neue Zitate, um ihre Unzufriedenheit mit der im Grundsatz "friedlichen" Gesetzgebung der modernen Welt in Frage zu stellen.

Der Rachegedanke ist aus dem deutschen Strafrecht verschwunden (was natürlich heißt, daß er dort mal war) und wurde durch die Idee ersetzt, daß das strafrecht verschiedene Ziele zu erreichen habe. Dazu zählen die Besserung des Täters genau so wie die Sicherung der Ruhe in der Gesellschaft. Das wiederum bedeutet, daß eine Straftat natürlich irgendwie sanktioniert werden muß und dies in Relation zur Tat. So schwer dies auch zu verstehen sein mag: es handelt sich aber nicht um Rache.

Dahinter stecken humanistische Gedanken der deutschen und europäischen Geschichte und die Überzeugung, daß Töten in jedem Falle "Unrecht" ist und Unrecht bleiben muß. Wie zu einem anderen Thema bereits ausgeführt, ist auch die Notwehr nichts anderes als eine illegale Handlung, die jedoch nicht mit einer Strafe belegt wird. Das Unrecht der Tötung bleibt aber auch bei der Notwehr bestehen.

So gesehen kann sich auch der Staat nicht über diese Hürde hinwegsetzen. Der Mörder hat bereits getötet und der Staat kann hier nicht mehr in Notwehr handeln, da keine direkte gefahr mehr besteht. Das wäre dann Notwehrexzeß, der wiederum auch in Deutschland noch strafbar ist.

Wie die Bundeswehr mit den Tötungen im Krieg zurecht kommt ist mir nicht nachvollziehbar, aber ich denke auch dort strapaziert man das Prinzip der Notwehr.

Sollten wir die Bibel heranziehen wollen, dann ist dies in sich wiedersprüchlich, da es dort Argumente für beide Seiten gibt. Dein Zitat mag ja so im Buch der Bücher stehen, aber das sagen die Muslime auch, wenn sie nach Sharija vorgehen und Frauen steinigen lassen, die Ehebruch begangen haben (nota bene: nicht jedoch die untreuen Männer)! Auch dem Dieb wird dort so locker mal die Hand abgeschlagen und alles im Namen des Herrn im Himmel.

Warum also bei der Bibel halt machen? Es gibt sicher noch mehr Papier, das uns zu noch mehr Greueltaten motivieren und uns dazu auch noch berechtigen könnte locker weiter zu morden.

So kann man aber auch lesen: "wer Haß säht wird Haß ernten" oder "was du dem geringsten meiner Brüder angetan hast, das hast du mir angetan". Es ist mir gerade unklar, warum Jesus sich mit Prostituierten, Kriminellen und anderem Gezockse abgegeben hat, wo er die doch alle locker hätte bestrafen lassen können. Hmm, da sollte man mal nachdenken.

Welche Theorie suchst du denn?

Höre mal in dich selbst und versuche dann eine Meinung zu bilden, die mit deinem Weltbild in Harmonie zu bringen ist. Da brauchst du keine Theorien, die du übernehmen kannst. Denn die Verantwortung solltest du dann schon selbst übernehmen. Denn: auch derjenige der zum Töten motiviert oder dieses nicht verhindert macht sich letztlich schuldig ... zumindest könnte man das von dir zitierte Buch der Bücher dahingehend auslegen.

Nur so zum nachdenken gedacht .....
 
Claus schrieb:
Hi Gaius, als Kontrastprogramm zu dem von Dir angeführten biblischen Strafkatalog:

2000 Jahre später wird ein vierfacher Raub-Mörder für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, weil er inständig bereut hat.

Gruß von Claus

Denkst du ein Mörder kann nicht bereuen.
 
loiuz30 schrieb:
Die Pharisäer unter uns finden aber immer wieder neue Zitate, um ihre Unzufriedenheit mit der im Grundsatz "friedlichen" Gesetzgebung der modernen Welt in Frage zu stellen.
Aber das ist doch nur zu begrüßen, wenn einer seine Unzufriedenheit in Frage stellt ;)

Nur um Mißverständnissen vorzubeugen: ich persönlich bin alles andere als unzufrieden mit dem Rechtssystem des Landes, in dem ich lebe. Das habe ich aber doch schon an vielen Stellen in diesem Forum zum Ausdruck gebracht?

louiz30 schrieb:
Welche Theorie suchst du denn?

Höre mal in dich selbst und versuche dann eine Meinung zu bilden, die mit deinem Weltbild in Harmonie zu bringen ist. Da brauchst du keine Theorien, die du übernehmen kannst. Denn die Verantwortung solltest du dann schon selbst übernehmen.
Vielleicht habe ich den thread etwas ungeschickt eröffnet? Ich suche nicht nach einer Theorie für mich selbst, an die ich mich klammern könnte - dazu bin ich staatsbürgerlich vielleicht zu simpel gestrickt, auf der Ebene von "Weltanschauung" oder sowas zu diskutieren liegt mir nicht so sehr - sondern wollte rein sachlich nach der Bedeutung jenes "Auge um Auge" im Kontext der Entwicklung der Rechtsprechung fragen.

louiz30 schrieb:
Denn: auch derjenige der zum Töten motiviert oder dieses nicht verhindert macht sich letztlich schuldig ... zumindest könnte man das von dir zitierte Buch der Bücher dahingehend auslegen
Meine Güte, dann ist ja jeder von vornherein schuldig, dem kann er gar nicht entgehen. Pardon, das ist mir zu abstrakt.

louiz30 schrieb:
Tja, nach Moses kam Jesus und er war gegen Gewalt und sagte zudem "du sollst nicht töten".
Ja, er hat das mosaische Gesetz zitiert. Er hat aber bekanntlich noch mehr gesagt, als daß man ihn umstandslos als Pazifisten vereinnahmen könnte:

Matthäus 10, 34-39

34 Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
35 Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter;
36 und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein.
37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.
38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.
39 Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.
Schon richtig: Die Worte der Propheten verschiedener abrahamitischer Religionen sind einander manchmal zum Verwechseln ähnlich.

Grüße, Gaius
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Claus schrieb:
Hi Gaius, als Kontrastprogramm zu dem von Dir angeführten biblischen Strafkatalog:

2000 Jahre später wird ein vierfacher Raub-Mörder für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, weil er inständig bereut hat.

Gruß von Claus
...und als eine der wenigen Personen einen harten Kampf gegen Jugendkriminalität aufgenommen hat, der nun durch andere Mörder beendet wurde.

Könntest du das Leben innerhalb dieser Gangs so authentisch beschreiben wie der ermordete "Tookie" Williams?
Er stellte eine ganz besondere Figur im Kampf gegen "das Böse", gegen Jugendkriminalität und Kriminalität im allgemeinen dar.
Diese figur existiert nun nur noch in Form eines toten Körpers der demnächst unter der Erde verschwindet und zerfressen von Würmern in ein Paar Jahren verschwunden ist.
Der Geist lebt weiter - leider nur in den Köpfen derer, die sich bis zum Schluss für ihn eingesetzt haben und über seinen Tod hinaus sein Erbe annhemen wollen und sein Werk vollenden zu versuchen.

Und in der Bibel steht: Du sollst nicht töten.
Wer ist besser, im Recht: der Mörder der vier Personen umbringt, oder der Mörder der einen Mörder umbringt der vier Personen umgebracht hat?

ciao
 
He tosto,

ich habe mich dagegen ausgesprochen, ihn hinzurichten!

aber für den Friedensnobelpreis muß man wahrlich größere verdienste aufweisen können!

gruß von Claus
 
Claus schrieb:
2000 Jahre später wird ein vierfacher Raub-Mörder für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen, weil er inständig bereut hat.
...bei dem nicht eindeutig bewiesen war, daß er die vier Morde tatsächlich begangen hat, derer er angeklagt war - seine Verurteilung war wieder ein tolles Beispiel für die Willkürlichkeit von Geschworenengerichten - und der sich in vierundzwanzig Jahren Haft tatsächlich vom Saulus zum Paulus geläutert hatte. Was machen die da im Knast zu St.Quentin, California? Arbeiten die jetzt ohne Ansehen der Person ihre Liste ab?

Für den Friedensnobelpreis wurden schon ganz andere Schlitzohren nominiert, etwa der israelische Spion Mordechai Vanunu, der Details aus israelischen Atomanlagen an die BBC verraten hat; oder auch ein gewisser Yassir Arafat, weil er dem Staat Palästina einen dauerhaften, vertraglich gesicherten Frieden verschafft hatte - den Preis zumindest hat er sogar noch eingesteckt, bevor sich der alte Terrorist in ihm wieder regte *böse auflach*.

Und was hat das jetzt wohl mit "Auge um Auge" zu tun?
 
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Für den Friedensnobelpreis wurden schon ganz andere Schlitzohren nominiert, etwa der israelische Spion Mordechai Vanunu, der Details aus israelischen Atomanlagen an die BBC verraten hat; oder auch ein gewisser Yassir Arafat, weil er dem Staat Palästina einen dauerhaften, vertraglich gesicherten Frieden verschafft hatte - den Preis zumindest hat er sogar noch eingesteckt, bevor sich der alte Terrorist in ihm wieder regte *böse auflach*.

Und was hat das jetzt wohl mit "Auge um Auge" zu tun?

nein, Gaius, das hat mit dem vorgegebenen Thema nichts zu tun, war eine kleine Abschweifung, wie sie hier jedem von uns schon unterlaufen ist

Hast ja recht, es gab schon kuriose Friedenspreisverleihungen, der Saulus Arafat (der eine Zitlang Paulus war und dann wieder zum Terroristen geworden ist) wäre ja vergleichbar mit einem gewandelten Raubmörder, der in der Zelle zum Paulus wurde und nachdem er frei kam, wieder jemanden umbringt.

Es ist nur traurig für solche Preisträger, die eindeutige Friedensengel gewesen sind.

Gruß von Claus
 
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