Der Begriff Frutarismus taucht immer wieder mal auf, ich halte ihn aber für eine rein hypothetische Konstruktion, eine Art Fantasiegebilde.
Kein Mensch kann allein von der Ernährung durch Früchte existieren. (1)
Die drei Grundsäulen der menschlichen Ernährung sind Kohlenhydrate, Fette und Proteine (Eiweiße). Kohlenhydrate und Fette sind in gewissen Grenzen im Prinzip miteinander austauschbar, da sie hauptsächlich der Lieferung von Energie dienen. Fehlen Kohlenhydrate, kann man Fette essen und umgekehrt. (2)
Proteine sind hingegen essenziell (=unverzichtbar). Der menschliche Körper benötigt sie zum Aufbau und Ersatz körpereigener Proteine. Er kann sie nicht aus anderen Nährstoffen selbst synthetisieren. Es findet auch keine "Stoffwechselanpassung" statt, der menschliche Organismus kann sich an das Fehlen essenzieller Nährstoffe nicht anpassen. (3)
Früchte sind reich an Kohlenhydraten, hauptsächlich Zucker, vor allem Fruchtzucker (Fructose). Es gibt auch wenige Früchte, die fettreich sind, die Avocado etwa. Proteine aber: Fehlanzeige, Früchte enthalten so gut wie keine Proteine.
Fehlen in der Nahrung die notwendigen Proteine, dann verteilt der Körper die zu wenigen Proteine nicht mit der Gießkanne. Vielmehr schaltet er nach und nach die weniger wichtigen Funktionen ab, um das Überleben des Individuums so lange wie möglich zu garantieren. Im biologischen Sinne sieht der Körper den Mangel als eine möglicherweise vorübergehende Phase an, als eine aktuelle Notlage, die es zu überwinden gilt, bis wieder gehaltvollere Nahrung kommt.
Zuallererst betroffen sind daher die Haare und die Haut, als die für das Überleben des Organismus am ehesten zu vernachlässigenden Funktionen. (4) Im nächsten Schritt folgt eine Einschränkung der Sexualfunktionen: Wichtig ist nunmehr das Überleben des Individuums, nicht das der Spezies. Außerdem wäre eine Reproduktion und erfolgreiche Aufzucht der Nachkommen bei einem anhaltend so schlechten Ernährungszustand ohnehin erfolglos und zu kräftezehrend. (5) Es folgen Immunsystem, Muskulatur, innere Organe und schließlich Nervensystem und Gehirn. Spätestens wenn Nervensystem und Gehirn betroffen sind, werden die Schäden übrigens irreversibel.
Es gibt Zeitgenossen, die auf die biologisch-evolutionäre Herkunft des Homo Sapiens als Primat zeigen, oft mit dem Querverweis auf den uns biologisch und genetisch am nächsten verwandten, noch heute existierenden Primaten, den Schimpansen.
Das ist, in der Konsequenz, vordergründig, romatisierend ... und falsch.
Der letzte gemeinsame Vorfahre von Schimpanse und Mensch lebte etwa vor sechs Millionen Jahren - und in dieser Zeit ist etwas passiert, mit dem Schimpansen, vor allem aber mit dem Menschen.
Rechnet man die Anatomie des Schimpansen auf die des Homo Sapiens hoch, dann verfügt der Mensch nur über 60% der Darmlänge des Schimpansen. Die ältesten, sicher datier- und einschätzbaren und nachweislich von Hominiden benutzten Feuerspuren sind knapp eine Million Jahre alt. In der Nähe fand man gegarte Nahrungsreste. Anatomische Vergleiche und neue Methoden der Mikrochemie legen nahe, dass der Mensch und dessen Vorfahren seit mindestens 1,2 - 1,5 Millionen Jahren gegarte Nahrung zu sich genommen haben, wenngleich unklar ist, in welchem Umfang.
Seitdem ist eine biologische Evolution des Menschen erfolgt. Der Homo Sapiens mit seiner nunmehr min. 300.000 Jahre währenden Vergangenheit hat sich von vorneherein von gegarter Nahrung ernährt, von Anfang an. Denn angefangen haben damit bereits seine evolutionären Vorfahren, Homo Rudolfensis, Homo Erectus, wenn nicht andere vor ihnen.
Der Mensch ist auf gekochte Nahrung angewiesen. Es gibt weltweit keine einzige menschliche Gesellschaft ohne gekochte Nahrung. (6)
Rohkost ist ein nettes, frisches Add-On ... allein von ihr leben kann aber letztlich niemand. Gegarte Nahrung hat in etwa den doppelten Energiegehalt von Rohkost - weil sie besser aufgeschlossen sind weil der Körper sie besser verdauen kann.(7)
Durch die Zufuhr von gegarter Nahrung seit Jahrhundertausenden hat sich der menschliche Körper verändert. Der Mensch hat nicht die Anatomie und Biologie eines Schimpansen oder anderer Primaten. Und außer ein paar Beeren ist die Nahrung des Schimpansen für Menschen unverzehrbar, ungenießbar und unverdaulich: Hart, faserig, bitter und wenig gehaltvoll. Außerdem beschäftigen sich Schimpansen fast ihre ganze Wachzeit nur mit der Nahrungssuche und der Nahrungsaufnahme.
Und selbst Schimpansen keine reinen Vegetarier. Sie fressen Insekten, suchen sie sogar, Ameisen etwa. Sie fangen und jagen andere Affen. Sie räubern die Nester von Vögeln aus uvm.
Anmerkungen:
(1) Es hängt allerdings davon ab, wie man die Kategorie "Früchte" definiert. Erfasst man "Früchte" im Sinne des Lebensmittelhandels (Apfel, Birne, Orange, Banane usw.), dann ist eine vollwertige Ernährung allein durch Früchte nicht möglich. Zählt man allerdings Nüsse auch zu den Früchten, dann kann es etwas anders aussehen (wenngleich schwierig).
(2) Letztlich auch nicht ganz richtig, denn zwei Fettsäuren, Linolsäure und Linolensäure gelten als essenziell.
(3) Fehlen essenzielle Nährstoffe, dann folgt immer dasselbe Schema:
1. Die Körperwerte verändern sich.
2. Es wird pathologisch.
3. Der Tod tritt ein.
(4) Gib einmal in einem Vegetarierforum testweise in die Suchfunktion die Stichworte "Haare" und "Haut" ein. I.d.R. findest Du auf Anhieb Dutzende Beiträge, die über Haar- und Hautprobleme berichten. Dass die Menschen sich so einen Unfug wie "Entgiftungserscheinungen" oder "Verschlimmbesserungen", "Anpassungsprobleme" einreden - das macht es nicht besser.
(5) Bei Frauen kommt es zum Erliegen der Menstruation, denn es findet kein Eisprung mehr statt. Aber auch bei Männern kann es zu Einschränkungen der Sexualfunktion bis zur Impotenz kommen. Vor wenigen Jahren riet einer veganen Aktivistin im Netz ihr Frauenarzt: Wenn sie nicht bald mit diesem Unsinn aufhöre, dann käme sie in die Wechseljahre. Im Alter von 25 Jahren.
(6) Auch nicht, entgegen historischen Behauptungen, die Inuit.
(7) Dann iss mal einen Karottensalat, und sieh, was du wieder ausscheidest: Aha, da sind sie wieder, die Karottenschnitzel.