Ja, manche nehmen Kinderbücher über Tiere zu ernst und glauben, in der Natur würden all die Tiere in Freundschaft und Eintracht ihr Dasein fristen und nur der böse Mensch stört diesen Zustand.
Der Vegetarismus gewinnt immer dann an Popularität, auch und gerade historisch, wenn sich der Mensch einer für ihn unübersehbaren und undurchschaubaren technischen Welt gegenübersieht. Im deutschen Sprachraum der Moderne kam er ab der 2. Hälfte des 19. Jh. auf. Man kann das als eine Art romantische Gegenreaktion auf die Industrielle Revolution sehen.
Zu unseren Zeiten ist es die rasch fortschreitende Digitalisierung, die die Menschen zu einem Bestreben nach "Natürlichkeit" bringt.
Der Veganismus hingegen kam erst ab der 2. Hälfte des 20. Jh. auf, und zwar ausschließlich im Westen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Zum Einen war vorher das ernährungswissenschaftliche Hintergrundwissen dafür noch nicht vorhanden und/oder wenig verbreitet. Zum Anderen war die Logistik und der Handel für die für den Veganismus notwendigen, überregionalen Lebensmittel noch nicht vorhanden.
Trotzdem blieb der Veganismus noch lange eine Randerscheinung.(1)
Kulturhistorisch ist der Veganismus weltweit beispiellos. Selbst die von veganen Aktivisten erwähnten indischen Jains sind keine Veganer, sondern verzehren auch Milchprodukte und Eier. Außerdem ist die Gemeinde der Jains aufgrund ihrer strengen Lebensführung schon immer klein gewesen.(2) Und selbst die vielgepriesenen "indischen Vegetarier" sind mehr Zwangsvegetarier: Sie können sich Fleisch nicht leisten und leben deshalb mehr oder weniger vegetarisch. (3)
Ja, was nicht ins Konzept passt, wird ausgeblendet.
Das alleine wäre ja nicht so verwerflich denn der übliche Fleischesser denkt auch nicht oder zumindest sehr ungern an Schlachthausszenen beim Fleischgenuss, aber die Bigotterie, sich über die Ignoranz der "anderen" zu echauffieren, selbst aber nicht minder ignorant zu sein, nur eben bei anderen Gelegenheiten, erinnert an Angehörige einer Religion, die Nichtangehörige beschimpfen müssen.
Nach meiner persönlichen Erfahrung ist es oft so: Wenn die Menschen anfangen, ihre Ernährung unter einen ideologischen Vorbehalt (4) zu stellen, dann werden sie Erbsenzähler. In den einschlägigen Foren diskutieren Veganer dann darüber, ob es Medikamente (z.B. auch Anti-Baby-Pille) ohne Milchzucker gibt, und ob Weißweine mit Gelatine geklärt werden (eher nicht, und ganz bestimmt nicht in deren Preisklasse). Muslime hingegen schwadronieren über den Alkoholgehalt von Weißweinessig oder die Verwendung von Schweinefetten in technischen Geräten.
Überhaupt sind die Leute in diesem Punkt heutzutage Pedanten, Erbsenzähler. Als ich vor über 30 Jahren mit dem professionellen Kochen anfing, da gab es auch bereits Vegetarier. Sie wollten kein Fleisch essen, aber mal die Verwendung von etwas Rinder- oder Knochenbrühe, z.B. in für ansonsten vegetarischen Suppen - das war damals völlig okay, ja geschätzt.
Heutzutage kannst du dergleichen vergessen, das nehmen sie dann genau. (5)
Aber auch andere Befindlichkeiten (Gluten, Laktose) erlebe ich oft als absolute Kleinkrämerei.
Da man in der Praxis, insbesondere in kleineren Gastros, nicht alles in zig Versionen kochen und anbieten kann, landet man zuweilen eben immer beim kleinstmöglichen Nenner. Da muss dann die Gemüsecrèmesuppe mit Gemüsebrühe als Grundlage gekocht werden, auch deshalb, weil sie die einzige Suppe im Tagesangebot ist. (6) Oder Saucen dürfen nicht mehr mit Mehl gebunden werden, sondern nur mit Mais- oder Kartoffelstärke. (7)
Also bestimmen dann am Ende völlig unbedeutenden Minderheiten (Vegetarier: 4%, Zöliakie: 0,5-1%), was für einen langweiligen Kram denn alle anderen zu essen hätten.
Anmerkungen:
(1) Als ich z.B. Ende der 1980er Jahre meine Berufsausbildung als Koch abschloss, gab es in einer Großstadt wie Berlin (West) zwar schon einige Vegetarier, Veganer aber kannten wir bestenfalls nur in der Theorie.
(2) Oder nennen wir es beim Namen: Der Veganismus ist eine Kopfgeburt von reichen Wohlstandsmaden.
(3) Als Koch habe ich schon schrecklich fehlorganisierte Veranstaltungen erlebt: Da reserviert ein deutscher Veranstalter im Rahmen eines internationalen Kulturaustausches für Gäste aus Entwicklungs- und Schwellenländern einen Tisch mit "Schwerpunkt vegetarisch/vegan", stösst bei seinen Gästen aber eher auf Unverständnis. Denn die möchten dann das angebotene Fleisch essen - denn vegetarisch/vegan, dass essen sie daheim genug. Wenn schon Fleisch angeboten wird, dann möchten sie auch Fleisch essen. Außerdem: Was bist Du in deren Augen denn für ein Gastgeber, wenn Du mit diesem popeligen Zeug daherkommst?
(4) Oder auch religiösen Vorbehalt, aber das ist ja letztlich auch nichts anderes als eine Ideologie.
(5) Auch das ist, selbst aus einer gewissen ethisch-moralischen Logik her gesehen, völliger Quatsch. Denn was eine Knochenbrühe betrifft, so schlachtet niemand ein Tier nur wegen der Knochen. Vielmehr handelt es sich um ein Abfallprodukt der Tierschlachtung, das auch verwendet wird. Und das man durchaus essen kann, denn es entsteht, weil
andere Fleisch essen. Für ein tierisches Produkt wie etwa Leder gilt im Grunde dasselbe.
(6) Das kann man schon so machen, aber dann ist es halt Kacke. Mit Gemüsebrühe gekochte Suppen schmecken immer irgendwie "flach", es fehlt ihnen die Abgerundenheit, die einer Knochen- oder Fleischbrühe eigen ist. Nach meiner Einschätzung liegt dies am in der Gemüsebrühe fehlenden Protein. Tatsächlich habe ich versucht, Gemüsebrühen durch pflanzliche Proteine zu ergänzen, dies erweist sich aber de facto als unmöglich.
Denn pflanzliche Proteine sind nicht wasserlöslich, denn es gibt keine pflanzlichen kollagenen Eiweiße. Möglicherweise könnte man pflanzliche Proteine noch durch irgendwelche Tricks umwandeln - aber so eine hochprozessierte Scheisse will ja erst recht keiner mehr fressen.
(7) Grund dafür ist das im Mehl enthaltene Gluten, tatsächlich habe ich den Gehalt an Gluten einer mit einer Mehlschwitze gebundenen Sauce einmal ausgerechnet. Er liegt, bestenfalls, bei 0,5%. Bedenkt man, dass eine ordentliche Portion Sauce etwa 150 ml beträgt, dann reden wir da von weniger als einem Gramm Gluten - zugunsten von Menschen mit Zöliakie (Anteil an der Bevölkerung: 0,5-1%).