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Das schlechte Gewissen

suzki

New Member
Registriert
30. Januar 2005
Beiträge
14
Wo kommt es nur her, dieses schlechte Gewissen?

Seit ich denken kann, plagt mich mein Gewissen. Um richtig verstanden zu werden: Ich bin ein sehr fröhlicher und glücklicher Mensch. Auch glaube ich, dass ich mir meiner Stärken und Schwächen bewußt bin und diese in einem gesunden Gleichgewicht stehen. Ich denke, dass Probleme da sind, um gelöst zu werden und Fehler, um daraus zu lernen. Ich stecke mir Ziele, die ich meistens auch erreiche. Und dennoch: Da ist ständig ein schlechtes Gewissen anderen Menschen gegenüber. Vor allem der Gedanke, nicht fair gewesen zu sein. Das ergibt sich schon aus den banalsten Alltagssituationen.

Kennt jemand von euch dieses diffuse Gefühl? Wer kann mir sagen, was es damit auf sich hat? Hat die Philosophie Erklärungsansätze?
 
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Wenn Du meine Meinung zu der von Dir aufgeworfenen Frage hören willst: hier ist sie.

Jeder Mensch zimmert sich im Laufe seines Lebens Regeln ein ( oder sie werden ihm "eingetrichtert" und er internalisiert diese Fremdgebote -), um sein Leben so zu regeln, wie er es eben will.Dabei übereinstimmt er äußere Zwänge und die diesen oft entgegengesetzten eigenen Wünsche.

Verletzt das Subjekt nun diese Gebote, bekommt es ein " schlechtes Gewissen".


Nun kannst Du Dir vorstellen, dass es so viele schlechte Gewissen gibt, wie es Menschen gibt; die Zeit von für alle Menschen verbindlichen Regeln ist unwiderruflich hin.... :nein: Das sagt jetzt jeder nur noch zu sich selbst, wenn er seine Gebote verletzt.
Und das tut er tagtäglich, wenigstens ich.


Ich habe in diesem Zusammenhang schon öfter die DDR-Liedermacherin Bettina Wegener erwähnt mit ihrem Lied:

"Na, Gebote braucht der Mensch, um zu überleben".



Er braucht sie, um eine innere Kontrollinstanz in Kraft treten zu lassen, die ihm seinen Weg anzeigen.

Und brechen muss er sie, um sich das (Schein)gefühl der Freiheit zu bewahren.


Marianne
 
Und ergänzend noch:
Ich vermute, dass das schlechte Gewissen durch die INformationsvielfalt der Mediengesellschaft zugenommen hat. Man muss sich jetzt nicht nur an Regeln orientieren, die man sich selbst, bzw. die nächste Umgebung aufgelegt hat; sondern man muss unter Umständen seine gesamte Existenz einer Prüfung unterziehen, zum Beispiel, ob man seinen Wohlstand verdient hat; ob man genug für die Armen der Gesellschaft tut usw.
Ich glaube zum Beispiel, dass die Verpflichtung zu spenden oder sich sozial einzusetzen ein Phänomen der Neuzeit ist (zum Glück).
Aber selbst ohne diesen Aspekt bieten Vorbilder in den Medien teilweise widersprechende Rollenmodelle, die einem ein ständiges Unwohlsein einflößen können.
 
Robin, Du hast Recht - so glaube ich wenigstens - , wenn Du den Aspekt der Überhöhung der Gewissensgebote auf eine große Gruppe hin ansprichst. Dieser Prozess hat sich in der Mediengesellschaft rapid verdoppelt. Gründe brauche ich nicht zu nennen: Stichwort: Hast Du schon dein Tsunamiopfer geleistet?
Obwohl ich zu bedenken gebe, dass in diesen Fällen doch noch das eigene Gewissen entscheidet, ob oder ob nicht.


Spenden - den Armen geben - war nicht nur im christlichen Mittelalter ein Gebot. Bettler konnten so nur überleben - es gab eigene Bettlergilden.
In der mosaischen Religion ist es verpflichtend, einem "Schnorrer" etwas zu geben. Dieser durfte zu Recht auf solche Glaubensgenossen schimpfen, wenn er nichts bekam. Selbst in den ärmsten Familien des Stettls wurden ein paar Groschen für diesen Fall aufgespart.
Besondere Verdienste erwarben sich diejenigen, die ihre Mizwe ( so heißt diese Spende) im Verborgenen gaben; so, dass die rechte Hand nicht wusste, was die linke tat.


Mir wurde erzählt - oder habe ich es in einer Kultursendung gesehen -, dass buddhistische Mönche sich nicht einmal bedanken müssen, wenn sie in ihre Schale Reis oder ähnliches bekommen. Der Mönch ist der Gebende: er gibt dem Spender ein " gutes Gewissen".


Aber selbst ohne diesen Aspekt bieten Vorbilder in den Medien teilweise widersprechende Rollenmodelle, die einem ein ständiges Unwohlsein einflößen können.


Das stimmt!

Aber hängte dieses Unwohlsein nicht mit sich in uns widersprechenden Moral -oder Weltanschauungsverpflichtungen zusammen?

Marianne
 
Für mich ist das Gewissen wie eine innere Stimme, eine innere höhere Instanz,
die mich mahnt (beim schlechten Gewissen) oder bestärkt (wenn ich etwas mit gutem Gewissen mache).
Ich glaube das individuelle Gewissen eines jeden wurde im Laufe unseres Lebens in uns "abgelegt". Am meisten richtet es sich nach Erfahrungen und Gelerntem aus der Kindheit, denn da saugen wir ja alles, was von außen auf uns einströmt, wie ein Schwamm auf und rufen es dann im späteren Leben bei Bedarf ab.
Alle gegenwärtigen Erfahrungen und Erlebnisse werden mit diesen "alten" Vorstellungen immer wieder ver- und auch abgeglichen. Daraus resultiert dann "etwas mit schlechtem (oder gutem Gewissen) machen".
Ist meine Meinung dazu.

Liebe Grüße
-Heumond-
 
suzki schrieb:
Wo kommt es nur her, dieses schlechte Gewissen?
....
.....
Hat die Philosophie Erklärungsansätze?
Hallo Suzki !

Wie Marianne schon schrieb, kommt das schlechte Gewissen daher, dass man gegen seine (anerzogenen oder selbst gebastelten) Moralvorstellungen gehandelt hat.
Die Moralphilosophie müsste eigentlich - schon um ihrem Namen Ehre zu machen - Erklärungsansätze haben.

Wenn mich ein schlechtes Gewissen plagt, gehe ich
beichten
entschuldige mich bei der Person, die unter meiner amoralischen Handlung gelitten hat (falls das noch möglich ist),
tue irgendetwas Gutes (helfe einer alten Frau über die Straße oder spende etwas für die Armen).​

Im übrigen schließe ich mich der Meinung von Heumond an.

--------------------------------

>suzki, weißt Du, dass es im Juni ein Treffen der Forumsbenutzer in Wien gibt ?

Liebe Grüße

Zeili
 
suzki schrieb:
...Und dennoch: Da ist ständig ein schlechtes Gewissen anderen Menschen gegenüber. Vor allem der Gedanke, nicht fair gewesen zu sein. Das ergibt sich schon aus den banalsten Alltagssituationen.

Kennt jemand von euch dieses diffuse Gefühl? Wer kann mir sagen, was es damit auf sich hat? Hat die Philosophie Erklärungsansätze?

fair zu sein ist also dein anspruch an dich selbst. bist du fair anderen gegenüber? oder bist du dir nicht sicher?
es könnte auch schon reine gewohnheit sein, immer ein schlechtes gewissen zu haben. es ist auch bequemer, etwas immer wieder falsch zu machen, das man eigentlich anders tun wollte, als es einmal richtig zu machen.
ich meine damit, dass du nach deinen eigenen wertvorstellungen beurteilst, was für dich richtig und falsch ist. wenn du dauernd etwas tust, das nachher ein schlechtes gewissen erzeugt, wäre es vielleicht auch interessant, die sache einmal anders zu betrachten. möglicherweise entsprechen diese vorstellungen gar nicht deinen werten, vielleicht hast du sie von irgendjemandem übernommen und sie passen jetzt nicht mehr. vielleicht willst du gar nicht immer fair sein!

das wäre eine sichtweise von einem anderen standpunkt aus.

meiner erfahrung nach ist das schlechte gewissen eine reine energieverschwendung. es ändert nichts an den tatsachen, aber es macht dich klein und betrübt. verzeih dir, du bist ein mensch, und das nächste mal machst du es eben anders. und wenns wieder daneben geht, verzeih dir auch das. irgendwann klappts schon. und vor allem, verzeih dir, dass du immer noch ein schlechtes gewissen hast.
(siehe auch meine signatur :) )
es geht darum, dich nicht mehr schuldig zu fühlen dafür, dass du bist wie du bist.

lilith51
lilith
 
lilith51 schrieb:
es könnte auch schon reine gewohnheit sein, immer ein schlechtes gewissen zu haben. es ist auch bequemer, etwas immer wieder falsch zu machen, das man eigentlich anders tun wollte, als es einmal richtig zu machen.
ich meine damit, dass du nach deinen eigenen wertvorstellungen beurteilst, was für dich richtig und falsch ist. wenn du dauernd etwas tust, das nachher ein schlechtes gewissen erzeugt, wäre es vielleicht auch interessant, die sache einmal anders zu betrachten.lilith

Hallo lilith!

Danke für deine Sichtweise. Ich hatte wirklich noch nicht daran gedacht, dass es einfacher sein kann, sich manchmal entgegen den eigenen Wertvorstellungen zu verhalten, als sein Verhalten zu ändern - und das schlechte Gewissen gleichsam als Entschuldigung zu missbrauchen. Ich muss gestehen, dass mich dieser Ansatz peinlich berührt. Da wird dann wohl was Wahres dran sein.
Aber auch den zweiten Ansatz finde ich sehr interessant: dass nämlich manche Werte, denen man unbedingt entsprechen will, gar nicht unsere eigenen sind. Dazu fällt mir spontan ein "gute Mädchen kommen in den Himmel, Böse überall hin", obwohl ich das Buch nicht gelesen habe. Na jedenfalls bringt mich das auf folgende Idee:
Kann es sein, dass es gar nicht so sehr um schlechtes Gewissen geht, als um die Angst, sich nicht sozial erwünscht verhalten zu haben? Die Angst vor sozialer Ächtung? Wenn man ein Mensch ist, der davon überzeugt ist, dass es wichtiger ist den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden als es anderen recht zu machen, gesteht man sich womöglich nicht ein, dass es eben doch ein Bedürfniss ist, dass auch andere eine gute Meinung von einem selbst haben. Dieses Bangen, was wohl andere von den eigenen Verhaltensweisen halten maskiert sich dann als ein diffuses Gefühl, das man für sich selbst als schlechtes Gewissen bezeichnet.

Na jedenfalls bringen mich diese Überlegungen ein schönes Stück weiter.

vlg
Suzki
 
Zuletzt bearbeitet:
hallo suzki!

suzki schrieb:
Hallo lilith!

Kann es sein, dass es gar nicht so sehr um schlechtes Gewissen geht, als um die Angst, sich nicht sozial erwünscht verhalten zu haben? Die Angst vor sozialer Ächtung? Wenn man ein Mensch ist, der davon überzeugt ist, dass es wichtiger ist den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden als es anderen recht zu machen, gesteht man sich womöglich nicht ein, dass es eben doch ein Bedürfniss ist, dass auch andere eine gute Meinung von einem selbst haben. Dieses Bangen, was wohl andere von den eigenen Verhaltensweisen halten maskiert sich dann als ein diffuses Gefühl, das man für sich selbst als schlechtes Gewissen bezeichnet.

Na jedenfalls bringen mich diese Überlegungen ein schönes Stück weiter.

vlg
Suzki

ja, es ist ein weit verbreiteter wunsch, von allen anerkannt und geliebt zu werden. unsere erziehung fördert ja das wohlverhalten mit liebe und anerkennung, liebesentzug ist ein gängiges erziehungsmittel.

du kannst es sowieso niemals allen recht machen, also mach es dir selber recht.

ich hab mich meistens an einem sehr hilfreichen spruch orientiert:
"ist der ruf mal ruiniert, lebt sich´s gänzlich ungeniert!" hab leider vergessen von wem der ist.
:banane:

herzlich
lilith
 
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