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Schönheit und Seele, Positivismus und Reinheit

fuel.

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Registriert
23. Mai 2005
Beiträge
85
-Super short stories-
Folge 4einhalb (Zwischenfolge)



-Für Alwin und alle mit Sonne im Herzen.-


Wo soll ich beginnen? Vielleicht keinesfalls mit einer abgedroschenen Einleitung. Ja genau, das wirds’ sein. Also nochmal:

Womit würde jemand beginnen, der abgedroschene Einleitungen hasst? Vermutlich mit einer abgedroschenen Einleitung um auf ebendiese Profanität hinzuweisen. Hah! Genau.

Das Licht brach sich in den kristallinen Harztropfen meiner Kokospalme, als mir wieder einmal bewusst wurde, daß unser Leben unendlich schön sein kann. Ich riss die Vorhänge auf und eine intensives Gelb schlug mir ins Gesicht. Dahinter ein schwaches Grau und die Töne der Hammerklaviersonate, wie sie sich in den honigüberfluteten Windungen meines Kopfes nachhallten. Pling Plang! Ein Überrest des gestrigen Tages, als ich umtopfte. Denn ich hörte dabei klassische Musik, habe schließlich einen gewissen Anspruch.
Die Kokospalme, welche in der Nische am Fenster stand, bekam endlich den verdienten Platz neben dem Kühlschrank. Ein zartes zwei Meter Pflänzchen, konträr zur Kälte der Industriegesellschaft. Und, wie ich finde, ergibt dies ein schönes Gleichnis zur Dualität des Universums. Ja, ich stelle Planzen nicht einfach nur auf. Ich benutze sie als Symbole, weil ich mir was dabei denke. Das Zyperngras steht nun in einem Vollkreis um meine Matratze. Ein Halbkreis wäre nicht genug gewesen. Eine gewisse Geschicklichkeit ist zwar nötig um ins Bett zu steigen, aber die Symbolkraft und so halt, naja.

Die drei Strahlenaralien, welche bisher neben dem Bücherregal standen, begrünen nun das Bad. Zwei neben der Schüssel und eine an der Wand gegenüber dem Spiegel. Pling-Pling Plang! Wenn ich morgends in den Spiegel sehen würde, hätte ich im Hintergrund die friedfertige Aura der Natur. Auf der Toilette sitzend und umzäunt von Schefflera giganteus. Schon schön, das. Und clever, denn sie verbessern die Luft, wie man weiß.
Sie werden mir den Frieden der Natur schon am Morgen mit auf den Weg geben. Damit sie nicht nur bei meinem Gang zur Toilette ihr Licht bekämen, installiere ich morgen spezielle Lampen. Warum sollte das Bad nicht ein Ort von Leben sein? Ich weiß, sowas macht der normale Mensch ja nicht. Aber ich bin ein Revoluzzer, gewissermaßen. Wie damals, als ich in der U-Bahn, auf dem Weg zur Arbeit, mir die Zeit mit Stricken vertrieb. Mal einen Pullover, mal schöne, warme Socken für die kalte Zeit des Jahres. Ja, ich schrie es der Gesellschaft mitten ins Gesicht. Ein Mann, 36 Jahre alt, mit selbstgestrickter Mütze, Pullover, Socken, wie er gerade eine Hose strickt. Strickhosen sind sehr angenehm zu tragen, aber das weiß ja auch kaum jemand.
Früher hing ich in verräucherten Studentenbuden ab. Heute bin einfach nur glücklich. Ich besuche regelmässig meine Schwiegereltern. Auch meine Eltern und meine Ex-Freundin. Sie liegen alle auf demselben Friedhof.

Jeden Sonntag ist Familientag. Man sollte sich Traditionen bewahren. Auch finde ich nichts dabei, wenn man sie zelebriert. Ein, zwei Dutzend Teelichte um die Grabsteine, eine Matratze für die Nacht und ein gutes Buch aus dem ich vorlese. Die verwunderten Blicke der anderen Friedhofsbesucher ignoriere ich. Schließlich sind auch sie aus einem ähnlichen Grund hier. Stehen eine halbe Stunde vor dem Grab und fummeln mit der einen Hand in der Hosentasche an dem Einkaufszettel. Ich hingegen, berichte von freigelassenen Tieren, meinen Erkenntnissen der buddistischen Lehre und meinem schönen Leben. Habe ich es schon erwähnt? Es ist schön.

Der Sonnenschein wie er mein Gesicht erwärmt, Blätter im Wind, wie ich deren Photosynthese im Herzen zu ergründen versuche, die Salami im Kühlschrank.
Ich fühle mich zu nichts berufen, denn ich habe Erfolgsdruck transzendiert. Auch die Transzendenz habe ich transzendiert. Ich sitze strickend in der U-Bahn und lächle die Leute an. Pling Plong!

Alkohol, Drogen, Hass, Kampf, Tod, all das habe ich transzendiert. Es vergiftet das spirituelle Gleichgewicht. Ich sehe mein Leben als einen Gang auf den Sonnenuntergang. Mit Betonung auf der Sonne, nicht auf Untergang. Oh, das ist gut! Diese Metapher, Sonne als Geburtsstätte des strahlenden Schönen und der Untergang als schreckliches Ereigniss. Aber der hat keine Chance! Nicht bei mir. Daß mir das Wort ‚Sonnenuntergang’ eingefallen ist, ist ja wirklich gut. Ja, ich verfüge über die Fähigkeit, meine wahre Persönlichkeit in schöne Worte zu fassen. Weil ich ein blühender Mensch bin. Rein, unverfälscht und positiv.
Keine Badewanne mit Säure gefüllt und auch keine an der Wand hängenden Folterinstrumente in der eigenen Nasszelle. Nicht mit mir.
Budda und Bachblüten und jede Menge Zimmerpflanzen geben mir Ausgeglichenheit und den spirituellen Frieden einer guten Seele, welche zu sein, ich jeden Tag aufs neue versuche.

An diesem morgen strahle ich das Licht unendlicher Güte aus, denn ich werde Dünger kaufen. Für meine schönen blühenden Pflanzen. Als ich gerade die Socken über die Hosen streife (ich fahre nur noch Fahrrad) klingelt es an der Tür. Manchmal besuchen mich die Zeugen Jehowas, Leute von Greenpeace oder andere Unterschriftensammler. Diese lieben Menschen, welche sich für die guten und wichtigen Dinge im Leben einsetzten.
Ein fremder Mann steht vor meiner geöffneten Tür. Seltsamer Anzug, denke ich. Irgendwie lose zusammengewürfelt, mit dem Charme von Secondhandläden. Nicht daß ich es abwertend meinte, ich bemühe mich, immer nur den Menschen hinter seiner Kleidung und seinem Umfeld zu sehen. Schließlich sind wir alle gleich. In einem Secondhand-Laden arbeitete ich früher auch mal. Als freiwilliger Helfer, um den Obdachlosen wenigstens eine warme Suppe zu ermöglichen. Pling Kaplomm!
Ich frage ihn, was denn wohl sein Anliegen wäre.

Nichts, was mein Leben ausmachte, zog an mir vorbei. Budda, Delfine und Wale; Jesus und fair gehandelter Kaffee, Mozart und Koniferen im Sonnenlicht und meine vegetarische Ernährung. Verölte Strände und „Taoismus im Abendland“ lösten sich in Nichts auf. Meine Bücher zu alternativer Lebensweise, spirituellem Frieden, Harmonie des Zusammenlebens, meine Freunde mit denen ich Stunden diskutierte über Seelenleben und das Leben der Legehennen in ihren Käfigen. Ich hatte mich doch eingesetzt.
Als mich das Geschoss ins Gesicht trifft, spüre ich nur einen kräftigen Ruck im Nacken und kippe wie eine Schaufensterpuppe nach hinten zu Boden. Ich falle mit meinem halben Gesicht in den Blumentopf der Kokospalme.
Ich denke, das wird meinem zukünftigen, spirituellem Erdenleben entgegenstehen.

[fuel.]
 
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Hallo fuel. !

Du schreibst: Nichts, was mein Leben ausmachte, . . .

also in der Vergangenheit. Lebst Du (oder Dein Held) nicht mehr ?

Ich hoffe doch und es ist nur einer deiner Rechtschreibfehler, wie "eine intensives Gelb" oder "morgends".

Alles in allem würde ich schon versuchen, bei einem Verlag unterzukommen, falls du 100 Seiten schwach A5 zusammen hast.

Liebe Grüße

Zeili
 
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Hallo Zeili,

Wenn ich 100 Seiten zusammenhabe, werde ich keinen Verlag brauchen. Dann brauche ich einen Therapeuten.

Die Zeitformen vergesse ich manchmal.

Grüße,
fuel.
 
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