AW: Darf der Staat foltern?
Nun gehen wir einen Schritt weiter. Der gleiche Zug, Bremsen kaputt, Motoren aus. Allerdings kommt nach einem Kilometer eine Kurve, der Zug würde wahrscheinlich entgleisen. Zufällig steht ein dicker Mann neben den Gleisen. Auch hier gibt es wieder zwei Szenarios: entweder man tut gar nichts und überlässt den Zug gewissermaßen seinem Schicksal und hofft, dass es irgendwie glimpflich ausgehen wird; oder man beschliesst es nicht dem Zufall zu überlassen und - in Ermangelung an anderen Mitteln - wirft den dicken Mann vor den Zug, der dadurch weiter gebremst wird und so nicht entgleist.
Wir haben es hier nun ziemlich auf die Spitze getrieben. Die Entscheidung dürfte sicher sein: natürlich werden wir den Mann auf keinen Fall vor den Zug werfen, das wäre ein klarer Mord, er ist völlig unschuldig und unbeteiligt.
Es isdt zwar wohl Mord, aber es würde nicht bestraft. Ich habe Jura studiert und kann nur sagen
Mord ist, wenn man aus niedrigen Beweggründen ( liegt hier nicht vor, da man den Zug retten will, was ein moralisch hochstehendes Motiv ist), grausam (ebenfalls nicht, da es die Zufügung langdauerneder erheblicher schmerzen voraussetzt u.hier stirbt der mann schnell), zur ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat tötet (ist unproblematisch zu verneinen).
Bleibt nur noch die Heimtücke. Heimtücke ist bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit eines anderen. Arglos ist, wer mit keinem Angriff auf sein Leben rechnet, wehrlos ist, wer aufgrund der Arglosigkeit in seiner Verteidigung stark eingeschränkt ist.
Der dicke Mann ist arglos, denn er rechnet nicht damit, dass ihn jemand vor den Zug wirft. Deshalb ist er auch wehrlos, da er nicht glaubt, sich verteidigen zu müssen und überrascht wird.
Also liegt Mord vor.
Aber es liegt ein übergesetzlicher entschuldigender Notstand vor, da der Mord zur Rettung von einer größeren Anzahl von Menschen begangen wird. Gerechtfertigt ist die Tat zwar nicht, da Leben nicht gegeneinander abgewogen werden können. Der Täter wäre aber freizusprechen.