AW: Seid ihr glücklich mit euerem Beruf?
Hi Ben!
Ich arbeite derzeit nur fallweise und in befristeten, meist sehr kurzen Arbeitsverhältnissen. Diese Art von Arbeit entspricht meinen derzeitigen Lebensbedürfnissen. Ich arbeite zu Hause und kann die vier Stunden Arbeitszeit, die ich täglich aufwenden muss, nach meinem Gutdünken einteilen. Es ist ein einfacher Job, ohne hohe Ansprüche, allerdings wäre er ohne eine gewisse Lebenserfahrung nicht durchzuführen. Und das macht mich auch zufrieden mit dieser Arbeit. Ich überlege mir allerdings genau, ob das Geld, das ich dafür kriege, auch ein angemessener Preis für die Einschränkung meiner Freiheit ist. Denn wenn ich grad nichts extra brauche, dann arbeite ich auch nicht. Diesen Entscheidungsspielraum habe ich glücklicherweise.
Was deine Frage nach dem Beruf betrifft, da sieht es bei mir schon anders aus. Ich hab eine Ausbildung zur Heimerzieherin, mit Diplom abgeschlossen, aber ich habe nie in diesem Beruf gearbeitet. Schon als ich die vorgeschriebenen Praktika absolviert hatte, wusste ich, in solchen Einrichtungen, wie es Erziehungsheime damals waren, würde ich niemals arbeiten können. Mein Engagement verlagerte sich dann mehr in den ehrenamtlichen bzw. privaten Bereich und Arbeit war für mich nur noch reiner Broterwerb. Da mein Mann tödlich verunglückte, als ich noch relativ jung war und mit drei Kindern alleinerziehend war, kriege ich eine Witwenpension, die meine Existenz absichert. Das ist das Privileg, das es mir ermöglicht, mir die Art und Weise meiner "Berufstätigkeit" auszusuchen.
"Beruf" war für mich immer mit der Erfüllung von Erwartungen, die Arbeitgeber bzw. potentielle Kunden (bei Selbständigen oder Freiberuflern) an mich stellen, verknüpft. Und damit steckte ich einem Pflichterfüllungsverhältnis, das bei mir immer ganz starke Widerstände erzeugt hatte. Diese Einstellung hat sich mittlerweile zwar geändert, aber ich bin trotzdem froh, dass ich es nicht nötig habe, eine Arbeit zu machen, die mir keine Freude macht.
Der "Ernst des Lebens" war für mich immer eine schlimme Falle, in die die Erwachsenen, die selber darin gefangen sind, ihre Kindern auch hineindrängen, um ihr eigenes "ernstes" Leben im Nachhinein zu rechtfertigen. Als Sachzwang, gegen den man leider leider nichts machen kann.
Daran hab ich nie geglaubt, darunter hab ich lange Zeit gelitten und daraus konnte ich mich glücklicherweise befreien. Es gibt auch eine andere Form zu leben.
