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Gedanken zur menschlichen Würde

AW: RE an lilith

"ich find Beleidigungen auch nicht ok"

Bin beunruhigt, daß Du etwas als Beleidigung auffaßt. War jedoch nicht meine Absicht. Habe nur mein Erstaunen ausdrücken wollen.

Du hast mich nicht beleidigt. Ich meinte dein Beispiel von scilla. Ich bin halt eher fürs drüber Reden, als für gekränkten Rückzug. Aber jeder machts auf seine Art.
:blume1:
 
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RE an lilith

"Ich bin halt eher fürs drüber Reden, als für gekränkten Rückzug."

Das war kein "gekränkter Rückzug". Ich nämlich bin eher dafür, zu so etwas zu schweigen. Zum einen: weil ich das Antworten auf einen "Beitrag" wie den von scilla für unter meiner Würde (um wieder auf den hiesigen Titel zurückzukommen) halte -, zum anderen: vernünftige Antworten gäbe es zu so etwas sowieso nicht, nur ärgerliche/streitende.

Und der von mir zitierte "Beitrag" von scilla ist ja noch harmlos gegen den #44. Zu diesem habe ich mir dann das (gekränkte? nein - empörte) Wort (in Schrift) regelrecht verbieten müssen, um nicht selber ausfallend zu werden.
 
AW: Gedanken zur menschlichen Würde

Hallo Ginsi

Last uns gemeinsam eine Zeitreise machen.. Sagen wir ins 14. Jahrhundert.
Scilla ist ein Kaufmann mit hohem Ansehen, einem Sitz im Stadtrat. Sie bewegt sich nur in den höchsten Kreisen.

Philipp und ich sind zwei fromme Bauern, die ordentlich ihr Feld bestellen und jeden Sonntag dem Pfaffen gut zuhören um nach ihrem beschwerten Leben das Seelenheil zu erreichen, was ihnen zusteht.

Welche Werte werden denn Phillipp und ich haben und welche Werte wird Scilla in der Öffentlichkeit vertreten? .. Etwa die gleichen Werte? Etwa universelle Werte? Und warum vertreten wir nicht die gleichen Werte?

quod licet iovi, non licet bovi
(was Scilla erlaubt ist, ist Ginsi und Phillipp noch lange nicht erlaubt)
bzw.
'in Amt und Würden sein'
(Scilla gehört zu den Honoratoren der Stadt)
bzw.
Dr. h.c.
(Scilla gehört ehrenhalber zum Kreise der Doktoren)


Die Würde des Grundgesetzes ist eine andere Würde

meine Würde unterscheidet sich von Deiner, Phillipps oder ... Würde
nur durch die konkrete Situation,
in der man mich bzw. Euch als Mensch behandelt

... that all men are created equal

behandle einen Menschen so,
daß er damit als Mensch (ohne Klassenunterschiede) zufrieden sein kann

... die Würde des Menschen ist unantastbar

ist eigentlich eine Definition:
Mensch und Würde sind dasselbe

Hintergrund des Grundgesetzes sind die vielen Opfer des Dritten Reiches

ein Opfer wurde geopfert
Menschen sollen aber nicht geopfert werden

Menschen sind keine Statisten,
die verheizt werden können

würdelose Kunst ist die von Vanessa Beecroft
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Gedanken zur menschlichen Würde

Als ich heute Morgen nochmals in diesem Thread gelesen habe und auf den Beitrag #53 stieß, fiel mir spontan ein Text ein den ich als aussagekräftig und treffend beachte - und so überlasse ich nun das Wort Ernst Jandl.

Roberto, ich denke, dass auch so ein Text uns veranlassen kann über die menschliche Würde nachzudenken, über die Art wie manche sich als würdevoller betrachten als ihre Mitmenschen - und wie gut Ernst Jandl dies wiedergibt:


m1:mein sprach sein ein loben
immer wenn sprechen ich loben den sprach
mein sprach sein ein loben
m2: du sein gut sprechen
du haben denkenkraft
du wortengewalt
m1: ich sein ein professor
was du sein?
m2: ich sein ein kunstler
was du sein?
m1: ich sein ein universitäten professor
was du sein?
m2: ich sein ein groß kunstler
was du sein?
m1: ich sein ein universitäten professor von geschichten
was du sein?
m2:
ich sein ein groß deutschen und inder national kunstler
was du sein?
m1: ich sein ein universitäten professor kapazität von den geschichten
was du sein?
m2: ich sein ein groß deutschen und inder national
nobel preisen kunstler
was du sein?
m1: ich sein ein nobel preisen universitäten professor
kapazität von den deutschen geschichten
ich sein ein nobel preisen
m2: ich auch sein ein nobel preisen
m1: ich und du sein ein nobel preisen
m2: herren kollegen
m1: herren kollegen
m2: ich und du sein ein nobel preisen
m1: ich und du sein ein herren kollegen

m1: ich dir zitieren einen spruchen
ich sein historiken
sein ein historiken spruchen
ich dir zitieren einen spruchen:
der kurten sein furten
die missen geburten
jetzt es gehen uns gurten
du hören?
der kurten sein furten
die missen geburten
jetzt es gehen uns gurten
m2: das sein ein nazi spruchen
m1: ja das sein ein nazenspruchen:
der kurten sein furten
die missen geburten
jetzt es gehen uns gurten
m2: das sein
nazenspruchen gewesen
m1: sein es gewesen gegen kurten schuschniggen
du noch erinneren dollenfußen?
engelberten dollenfußen
m2: ich dir zitieren einen gedichten
ich sein sprachenkunstler, sprachenkunstler
ich dir zitieren einen goethen:
in walden ich gehen so führen mich hinnen
und nichtsen zu suchen das sein mein sinnen
in walden ich sehen ein blumen stehn
wie sternen leuchten wie augen schön
ich wollen den blumen brechen sein
sprechen den blumen: nein nein nein
in walden ich gehen so führen mich hinnen
und nichtsen zu suchen das sein mein sinnen
sein ein goethenspruchen
goethengedichten...
das sein ein sprach...

Fragment aus: Ernst Jandl: Die Akademiker
 
AW: Gedanken zur menschlichen Würde

in einem bereich - abseits vom normalen menschlichen denken - nennen wir ihn seele - ist die würde eines jeden menschen unantastbar.
die seele kennt keine geringschätzung - keine abwertung - kein (verstandes-)urteil.

von dieser tatsache hat der denkende mensch zumindest eine ahnung.
und darum schreibt er auch grundrechte fest.
doch wie er die würde in seinen alltag bringen kann - alles, was ist, würdigen kann - jedem, den er trifft, die würde belassen - und seinem eigenen leben würde verleihen kann - das weiß er (noch) nicht.
darin übt er aber.
 
AW: Gedanken zur menschlichen Würde

kathi schrieb:
in einem bereich - abseits vom normalen menschlichen denken - nennen wir ihn seele - ist die würde eines jeden menschen unantastbar.
die seele kennt keine geringschätzung - keine abwertung - kein (verstandes-)urteil.

Liebe Kathi, du magst ja Recht haben mit deiner Betrachtung über die menschliche Seele, aber in einer Umkehrung kann man sagen: "Der Mensch lebt nicht von Seele allein" – nein, er lebt auch vom Brot. Dies zu übersehen bedeutet seine Würde stark anzutasten.

Es wären so viele Facetten noch zu beleuchten, wenn wir über die menschliche Würde sprechen. Für mich stehen im Vordergrund das schon erwähnte Recht auf Nahrung – aber damit auch eng verbunden: das Recht auf Arbeit – denn auch dieses Recht, so es nicht respektiert wird, greift die Würde des Menschen an.

Ich möchte nochmals zurück auf den ersten Aspekt: das Recht auf Nahrung, auf das Sattwerden – und wenn wir darüber hier in einem westeuropäischen Land sprechen, geht es sicherlich nicht nur um unser Recht dieses Grundbedürfnis zu befriedigen.

Irgendwo in einem Thread – es ist schon länger her, hatte ich mal in einem ähnlichen Zusammenhang einen Dokumentarfilm erwähnt der mich tief beeindruckt und auch empört hatte.
Es geht um Die Sammler und die Sammlerin der französischen Filmemacherin Agnes Varda.
Dabei wird uns sehr sachlich und nüchtern gezeigt wie die Lebensmittel in unserer Überflussgesellschaft gehandhabt bzw. entsorgt werden wenn sie bestimmten Marktnormen nicht entsprechen. Es geht nicht um Lebensmittel die den Anforderungen an Frische oder anderen hygienischen Normen nicht entsprechen würden, nein es geht zum Beispiel bei Kartoffeln um ihre Größe und Form. Entsprechen sie diesen Normen nicht, werden ganze Lastwagen aus der frischen Ernte auf offene Felder gekippt, wo sie dann verrotten.

Diese Stellen sind den Obdachlosen bzw. Arbeitslosen schon bekannt – und so kommen sie hin um einen geringen Teil davon doch noch zu verwerten, ihre Mittel reichen nämlich nicht aus um ihre Grundversorgung zu sicher.
Wenn man nun diese Gedanken oder Bilder die aus der so genannten ersten Welt stammen auf die dritte Welt überträgt, ist das Drama ein Vielfaches größer.

Diethelm der leider schon seit längerer Zeit sich hier im Forum nicht mehr zeigt, schrieb einmal sinngemäß, dass Hunger und Hungertod - er bezog sich natürlich auf die ganze Welt - auch als eine andere Form von Abu Ghraib bezeichnet werden könnten.

Und ich weiß noch, dass wir auch dann über den schon erwähnten Jean Ziegler diskutierten. Es scheint tatsächlich, dass wir unser Gewissen einfach solchen Menschen delegiert haben, weil er und andere diesbezüglich kompetenter sind als wir.
Das kann schon sein, dass ein UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, ein größeres Wissen hat als wir.
Aber dürfen wir ihm dadurch auch das Gewissen überlassen?

 
AW: Gedanken zur menschlichen Würde

Menschen sind keine Statisten,
die verheizt werden können

würdelose Kunst ist die von Vanessa Beecroft

bei Vanessa Beecroft stehen 100 nackte Frauen
(mit blondierten Haaren, dafür ohne Schamhaar)
wie eine Kompanie aus Schaufensterpuppen
in Reih und Glied
(und an letzteres denkt dann auch der männliche Betrachter)

auf einem FKK-Strand (oder in der Sauna) bewegen sich Menschen (darunter auch Frauen) ganz natürlich
(der männliche Betrachter ist selber nackt und kommt unverkrampft mit denen ins Gespräch,
die ihm über den Weg laufen)
 
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AW: Gedanken zur menschlichen Würde

Diethelm der leider schon seit längerer Zeit sich hier im Forum nicht mehr zeigt, schrieb einmal sinngemäß, dass Hunger und Hungertod - er bezog sich natürlich auf die ganze Welt - auch als eine andere Form von Abu Ghraib bezeichnet werden könnten.

Angebracht erscheint es mir, hier Brecht aufwarten zu lassen.

Es gibt viele Arten zu töten.
Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen,
einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen,
einen in eine schlechten Wohnung stecken,
einen zum Selbstmord treiben,
durch Arbeit zu Tode schinden,
einen in den Krieg führen usw.
Nur weniges davon ist in unserem Staate verboten.

Der direkte Mord - das Eindringen einer Klinge in menschliches Fleisch, das Quetschen der Luftröhre, das Unterwasserdrücken eines Leibes - sticht uns ins Auge. Er verstoße einzig und alleine gegen die Würde des Menschen. Fast ist es so, als müsse der Tod spektakulär herbeigeführt werden. Als über 100.000 Menschen von einer Welle weggespült wurden, nahm die gesamte Welt daran Anteil. Diejenigen, die still und zurückhaltend in Lazaretten sterben, an heilbaren Krankheiten, an Hunger, werden kaum beachtet.

Zynisch darf festgehalten werden: Soll eine Flut der Anteilnahme losgelassen werden, so muß der Tod außergewöhnlich gestaltet sein, ein banales Hungern reicht nicht aus. Das schleichende Elend kann ertragen werden, doch wirkt es plötzlich auf uns ein, wird der Einzelne von gleich auf jetzt ins Elend geworfen, so nehmen wir mitfühlend anteil.

Den Worten Miriams will ich mich anschließen. Zuerst das Fressen, dann die Moral. Würde ist ein hinfälliger Begriff, wo einzig und alleine das Abstraktum Seele damit konfrontiert wird. Es gibt keine Würde ohne ein Leben, bei dem es am Notwendigen und Nötigen nicht mangelt.

Doch bleibt die Definition der Würde durch das Recht auf Arbeit ein Problemfall. Arbeit sichert nicht die Würde des Menschen. Provozierend muß man in den Raum stellen: Verbreiteten Arbeitslager verschiedenster Färbung - ob nun KZ oder Gulag -, den angenehm-süßlichen Duft menschlicher Würde?

"Arbeit macht frei" oder: Arbeit verleiht die Würde der Freiheit. Das sein Nazenspruchen gewesen! - Arbeit verleiht zunächst nichts, außer Qualen, Blasen an den Händen und das unerträgliche Gefühl von Ausbeutung.

Arbeit, die Lebensunterhalt sichert, kann mit dem Würdebegriff aber vereinbart werden. Ohne diesen Zusatz, erscheint mir gerade das Gegenteil gegeben. Im Schweiße seines Angesichts schuften, dann aber hungern, kränkeln und mangelhaft gekleidet sein - was soll daran würdevoll sein?
 
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