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Die Beraterflut

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.643
Liebes Forum.

Gibt es denn eigentlich heute noch irgendeinen, der nicht Spiritualitätslehrer, Yogalehrerin, Religionslehrer, Hellseherin, Kartenleger, kosmischer Energieberater, Schamane ist oder „irgendwas mit ganzheitlich“ macht? (Von Steuerberatern und Rechtsberatern, Psychologischen- Erziehungs-,Vermögens- , Ernährungs- und Versicherungs, Wohn- und Typberatern will ich hier nicht reden, sie arbeiten ja nun offensichtlich wegen der Gegenleistung und der allgemein verbreiteten Autoritätsgläubigkeit.)

Aber aus welchem Grunde sollte ich glauben, dass das auf dem Lebensberatersektor tatsächlich anders sei? Und was taugt ein Lebensberater tatsächlich.

Gibt es überhaupt noch jemanden, der nicht anderen erzählt, was für sie gut ist?
Gibt es noch Menschen, die keine Heilsspender und selbsternannte Lichtquellen sind?
Woher nehmen all diese Heilsspender den Größenwahn, irgendjemand anderem tatsächlich irgendetwas fürs Leben mitgeben zu können. Das wirkt auf mich absurd. Was ich dir mitgeben kann, das passt in einen kleinen blauen Stoffbeutel und wenn ich dich mag, dann geb ich dir den Beutel vielleicht, aber „die ganze Welt“ beraten zu können...welche Tabletten müsste ich für soeine absurde Vorstellung nehmen.

Ist es tatsächlich reine Geschäftemacherei und pflege eines helfenden Selbstbildes?
Klar darf man das machen, wenn man „sonst alles“ im Leben geschafft hat. Aber meinst du wirklich, nur weil du ein paar Kurse und Bücher konsumiert hast oder ein bisschen Hatha, ein bisschen TM, ein bisschen integralen Yoga geübt hast oder von Lehrer zu Lehrer gepilgert bist, dich mit dem leuchtenden Energiefeld beschäftigt hast und einige bedeutende Namen ihren Theorien zuordnen kannst...dass das andere unbedingt aus deinem Munde wiedergegeben haben müssen? Meinst du, die anderen sind von Natur aus so orientierungslos oder besteht nicht auch ein gewisses Interesse daran, dass es so bleibt...und wird nicht Orientierungslosigkeit heute gerade wegen der Flut an redseligen Fachleuten (früher sagten wir Schwätzer) erzeugt?

Ich frage mich, wenn inzwischen alle Berater sind, wen beraten die denn dann? Ist davon nicht die Folge, dass sie sich selbst in garstigen Diskussionen und Größenvorspiegelungen zerrupfen?

Und sehe ich nicht eben dies hier manchmal im Forum?

Ich meine, die Aufgabe eurer Generation bestand darin, die starren Autoritäten im Elternhaus und in manchen gesell. Institutionen zu überwinden. Das ist euch geglückt. Wofür ich euch dankbar bin.
Die Aufgabe meiner Generation wird sein, nun eure Autoritäten im Denken zu überwinden.
Wo genau "meine Generation" jetzt ist?,... ja, das ist mir auch nicht ganz klar, möglicherweise in der Schule oder Uni. *etwas bösartig lächel*

Viele Grüße
vom heute etwas essigsauren Bernd
 
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AW: Die Beraterflut

Hallo Bernd!

Schau Dir doch mal den BERATUNGSBÜCHERBERG an.

Ein Stichwort (z.B. bei Amazon) genügt.

Und ich sage Dir (als Produzent des Katalogs
1000 Ratgeber):

Da kommst Du hier auf jeden Fall wesentlich schneller
durch. Wenn Du erkennst, wer (wenigstens) kompetent
ist.

Mit freundlichen Grüßen
Reinhard70
 
AW: Die Beraterflut

Lieber Bernd,

danke für diesen Denkanstoss, wie immer hebt er sich wohltuend von einer wie auch immer gearteten "Beraterei" ab.

Ich frage mich, wenn inzwischen alle Berater sind, wen beraten die denn dann? Ist davon nicht die Folge, dass sie sich selbst in garstigen Diskussionen und Größenvorspiegelungen zerrupfen?

Es scheint tatsächlich einen Markt für Beratungswillige zu geben.
Vielleicht weil sich die Leute nicht mehr selber zutrauen, für sich alleine die richtigen Entscheidungen zu treffen? Weil es inzwischen so viele verschiedene Ideen darüber gibt, was ein gutes und geglücktes Leben sein soll? Weil die meisten von uns so viele Optionen offen haben und gleichzeitig in sich selbst kein Gefühl dafür, was sie selber eigentlich wollen?

Ja und es ist schon so, dass sehr viele, die dann meinen für sich endlich eine Antwort darauf gefunden zu haben nicht begreifen können, dass diese Antwort höchstens für sie selbst die Passende ist.

Und wenn zwei Beraterpersonen mit unterschiedlichen Wahrheiten aufeinandertreffen - ja, das kann dann schon garstig werden.
Aber im Notfall kann man sich ja immer noch auf den Standpunkt zurückziehen, dass der andere halt einfach irgendwie schlecht beraten wurde und ihm raten, sich mal in eine Beratung zu begeben. ;)
 
AW: Die Beraterflut

Lieber Bernd,

mir scheinen deine Gedanken eine wahre Wohltat – du hast es auf dem Punkt gebracht, was uns da alle (die wir schon länger hier schreiben) irritiert, manchmal sogar Fluchtgedanken aufkommen lässt.
Nun hast du die Fluchtgedanken eher in Fluchworte bei mir verwandelt – ich verstehe nämlich wirklich nicht wie man uns so sehr eine neue Denkrichtung vorgeben will – indem man uns als erstes jeder Rationalität amputieren möchte.

Du fragst zu Recht wen die vielen Berater eigentlich noch beraten wollen. Nun, ein wenig anders formuliert, hatte ich mir diese Frage auch schon gestellt. Und es ist eigentlich logisch, dass sie sich dieses Forum nun ausgesucht haben, weil hier dieser Trend fast unbekannt war.
Warum im Esoforum schreiben? Die sind wahrscheinlich Profis – also wurden wir Dummis ausgewählt.

Mir scheint noch etwas sehr bemerkenswert: die geschulte Fähigkeit zum Missverständnis – man widerspricht (unsererseits) zum Beispiel – und es wird als Bejahung interpretiert - und auch in diesem Sinne geantwortet.

Eine Marktlücke entdeckt? Vielleicht. Aber dann stellt sich die Frage wer dies alles bezahlt?

Miriam - Essigkonzentratsauer
 
AW: Die Beraterflut

Und wenn zwei Beraterpersonen mit unterschiedlichen Wahrheiten aufeinandertreffen - ja, das kann dann schon garstig werden.
Aber im Notfall kann man sich ja immer noch auf den Standpunkt zurückziehen, dass der andere halt einfach irgendwie schlecht beraten wurde und ihm raten, sich mal in eine Beratung zu begeben. ;)


Dem kann ich mich nur anschließen, weil es mir gelungen ist, während meines lauten Lachens noch ein paar Tasten auf der Tastatur in die richtige Reihenfolge zu fügen.:D
 
AW: Die Beraterflut

Woher nehmen all diese Heilsspender den Größenwahn, irgendjemand anderem tatsächlich irgendetwas fürs Leben mitgeben zu können. Das wirkt auf mich absurd.



Liebes, gutes Bernd,

hier scheibt Dir ein Forums-Atom, das sich überschwänglich bei Dir bedanken möchte für Deine weisen Worte.
Sie haben mich beleuchtet, zutiefst beleert, und ich fühle mich von Dir hervorragendst beraten.

O Du weisester Ratgeber aller BeraterInnen :guru:


LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Die Beraterflut

Hallo, liebe Leute!

Bitte vergesst nicht, dass es hier auch um
BESCHÄFTIGUNG geht. - Oder wurde das
auch schon erwähnt???


:verwirrt1:verwirrt1:verwirrt1
 
AW: Die Beraterflut

Hallo Bernd,

stimmt, zumindest im TV werden die 0815-Lebensumstandsberatungen immer präsenter, aber ich vermute, dass es diese "Industrie" schon seit je gibt, nur eben nicht in solcher Präsenz, ermöglicht durch diverse ethikfreie Dümpelsender.

Zwar halte ich natürlich nichts von jener plumpen Art der Lebensberatung (resp. Hellsichterei) und finde es zum Teil haarsträubend, was den armen Menschen (interessanterweise meist Frauen) dort mitgegeben wird: "Ja, trennen sie sich, die Sterne stehen dafür günstig, ein neuer Partner wartet schon auf Sie" usf., denn solche Empfehlungen basieren lediglich auf einer intuitiven Momenteinfühlung/Abschätzung des Beratenden, die genauen Lebensumstände des Hilfesuchenden sind hingegen unbekannt. Natürlich sind die Antworten deshalb allesamt von der Stange, fast beliebig austauschbar und können daher nur bedingten Schaden anrichten; trotzdem, die Frage ist doch die, ob die Mangelbefähigung eines hilfesuchenden Menschen, sich selbst mit einer Lebenssituation differenziert auseinanderzusetzen, durch solcherlei Totalschläge nicht letztlich noch verschlimmert wird.

Ich bin daher der Ansicht, dass gerade die 0815-Lebensberatungen sehr problematisch sind, da Menschen sich nach Kriterien richten, die mit ihrem eigentlichen Leben nichts zu tun haben und sie von daher in ein immer größeres Chaos geraten können. Andererseits kann eine Entscheidungshilfe auch nutzbringend sein, etwa wenn stagnative Situationen hierdurch überwunden werden - das aber ist wohl eher die Ausnahme, da ich nicht davon ausgehe, dass ohne eine persönliche und dauerhafte Unterstützung/Begleitung ein Mensch (vor allem tiefgreifende) Lebensprobleme sinnvoll meistern kann.

Meineserachtens macht Lebensberatung sehr viel Sinn, meinethalben auch eine transzendent angehauchte. Wichtig ist aber, dass ein verbindlicher und persönlicher Rahmen hierfür gegeben ist, und eine Telefonberatung ist alles andere als das. Gleichsam wichtig ist: Betrüger sind überall präsent, auch (um nicht zu sagen gerade) im esoterischen Bereich. Hier gilt es jedoch die seriösen von den unseriösen Beratern zu trennen. Ich vermute, dass viele Berater durchaus anderweitige Ambitionen (also über das bloße Geldverdienen hinaus) verfolgen, also tatsächlich Lebensprobleme/Lebensfragen von Menschen lösen oder lindern möchten und davon überzeugt sind, dass sie eine Gabe hierfür besitzen.

Nun kann diese Gabe ja durchaus ganz greifbar sein, bspw. durch ein ausgeprägtes empathisches Vermögen, d.h. ein gutes Einfühlungsvermögen in die Belänge anderer Menschen. Die transzendenten Aspekte treten hier eher in den Hintergrund, da der zwischenmenschliche Bezug ein stimmiger ist. Vorsicht ist aber geboten, wenn der Hokuspokus-Faktor im Vordergrund steht und die Belänge des Mitmenschen hintergründig werden.

Eine andere Sache noch: ich persönlich habe garnichts gegen eine Vielfalt an Glaubensansichten, da dies - so vermute ich - dazu führt, dass Glaubensmonopole (und damit religiöse Fanatismen) hierdurch eingedämmt werden. Jedenfalls dann, wenn diese Vielfalt füreinander offen bleibt und keine sektenähnlichen Formen entstehen. Der Mensch bedarf des Glaubens an Übermächte, zumindest viele Menschen sehnen sich danach. Von daher wäre es wohl wenig sinnig, dieses Bedürfnis leerlaufen zu lassen, resp. mit aufklärerischen Maßnahmen tilgen zu wollen.

Wenn wir künftig eine gepflegte und transparente Vielfalt an Lebenskonzepten (Sinnvorstellungen) haben, dann werden womöglich die schwarzen Schafe der Lebensberaterbranche mit der Zeit weniger werden, da selbstregulierende Prozesse eher greifen.

Meine Güte, ich bin heute doch sehr optimistisch gestimmt, hoffentlich habe ich Deine essigsaure Stimmung nicht zu sehr malträtiert. ;)

Beste Grüße,

Philipp
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Die Beraterflut

Zufällig passt die Titelgeschichte im aktuellen "Profil" zu diesem Thema.

Faule Geschäfte der Lebenshilfe-Ratgeber:
Die absurden Versprechen von Ratgebern


Vielleicht sind es wirklich schon so viele, dass jetzt bald eine Diskussion zwischen den Ratgebern nötig wird. Da entsteht sicherlich bald ein neuer Zweig, sowas wie ein Ratgeber für die Ratgeber. Und dazupassend ein Gremium von besonders vertrauenswürdig blickenden Ratgebern, die dann die Richtlinien festlegen, wer ein guter Ratgeber ist und vor wem gewarnt werden muss. :D :D :D

Juhuuuu! :schaukel:
 
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AW: Die Beraterflut

Ich liebe den Gedankenschweif; das Öffnen hin zur Vielfalt, von Krampfstrukturen abgewandt.

Schön, PilippP!

Aber im Beratungsgeschäft gibt's selbstverständlich
auch Wettbewerb (auf Neudeutsch: Konkurrenz) -
und dann jedenfalls Kampfstrukturen.

So ist unser Leben - eben ...
sieht
Reinhard70
(meistens trotzdem optimistisch)
 
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