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Vergeben und Vergessen

JaneS.

New Member
Registriert
20. November 2005
Beiträge
918
Gehören Vergeben und Vergessen notwendig zusammen? Gibt es das eine ohne das andere gar nicht?

Kann man vergeben ohne zu vergessen? Vergessen ohne vergeben zu haben?

Kann man vergeben, bevor der andere seinen Fehler erkannt hat? Bevor er sich ent-schuld-igt?

Welche Rolle spielt Wiedergutmachung?

Wie denkt Ihr darüber?

LG
Jane
 
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Hallo Jane !

Gehören Vergeben und Vergessen notwendig zusammen? Gibt es das eine ohne das andere gar nicht?
Nein; vergessen dauert wesentlich länger. Gab es etwas zu verzeihen und das Verzeihen ist vollzogen, geht das Erlebnis vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis; wird man daran erinnert, ist es geistig wieder da, allerdings ohne ein schlechtes Gefühl.

Kann man vergeben ohne zu vergessen?
Ja.

Vergessen ohne vergeben zu haben?
Ist schon wesentlich schwieriger; so abgedroschen es sich auch liest - die Zeit heilt sehr viel.

Kann man vergeben, bevor der andere seinen Fehler erkannt hat? Bevor er sich ent-schuld-igt?
Schon; zeigt sich der (die) Übeltäter(in) aber reuig, geht es wesentlich leichter und schneller.

Welche Rolle spielt Wiedergutmachung?
Ist natürlich nie ein Fehler, setzt aber eine Schuldeinsicht voraus.

Ich hoffe, dass ich Dir ein bisschen helfen konnte.

LG Zeili
 
JaneS. schrieb:
Gehören Vergeben und Vergessen notwendig zusammen? Gibt es das eine ohne das andere gar nicht?

Wenn man vergeben kann, ist es leicht zu vergessen.

Kann man vergeben ohne zu vergessen? Vergessen ohne vergeben zu haben?

Man kann nicht so gut vergessen ohne vergeben zu haben, doch muss die Gegenseite auch mithelfen.

Kann man vergeben, bevor der andere seinen Fehler erkannt hat? Bevor er sich ent-schuld-igt?

Es kommt darauf an, wie sehr mich der Fehler des anderen geschmerzt und verletzt hat. War es aber nur eine Lappalie, dann kann man vergeben ohne dass sich der andere entschuldigt hat.

Welche Rolle spielt Wiedergutmachung?

Es kommt immer auf den Tatbestand an. Eine Wiedergutmachung im Sinne des Erkennens, dass man einen Fehler begangen hat und eine gewisse Reue zeigt, kann zu einer dauerhaften Versöhnung beitragen. Auch nur bei kleineren Verfehlungen.

Allerdings können schwere Delikte nicht so leicht wieder gut gemacht werden. Wer z.B. meine Liebsten verletzen würde, könnte dies nicht so leicht wieder gut machen, wenn überhaupt.

Liebe Grüße

suche :blume2:
 
Danke für's erste für Eure Beiträge!

Ich möchte den Gedanken noch ein wenig weiterspinnen: Was ist, wenn jemand durch sein Verhalten nicht nur jemandem anderen sondern auch sich selbst schadet, verletzt, unglücklich macht, ... Fällt da das Verzeihen nicht schwerer und das Vergessen überhaupt?
Sozusagen: Der/die Betreffende müsste "nur" ein bisschen Mut haben, ein bisschen über ihren/seinen eigenen Schatten springen, und die Misere wäre aus der Welt geschafft.

Hm, bin ich jetzt zu wenig konkret? Oder ist das noch verständlich?

Bitte um weitere rege Beteiligung! :)

LG
Jane
 
JaneS. schrieb:
Danke für's erste für Eure Beiträge!

Ich möchte den Gedanken noch ein wenig weiterspinnen: Was ist, wenn jemand durch sein Verhalten nicht nur jemandem anderen sondern auch sich selbst schadet, verletzt, unglücklich macht, ... Fällt da das Verzeihen nicht schwerer und das Vergessen überhaupt?
Sozusagen: Der/die Betreffende müsste "nur" ein bisschen Mut haben, ein bisschen über ihren/seinen eigenen Schatten springen, und die Misere wäre aus der Welt geschafft.

Hm, bin ich jetzt zu wenig konkret? Oder ist das noch verständlich?

Bitte um weitere rege Beteiligung! :)

LG
Jane

Ein konkretes Beispiel wäre natürlich angebracht.

Ich muss scharf nachdenken, ob ich mich einmal selbst verletzt hätte. Mir fällt nichts ein, doch es wird schon einmal gewesen sein, vielleicht als Folge einer Handlung, die nicht richtig war.

Liebe Jane, ich fürchte, dass ich Dir in diesem Punkt nicht weiterhelfen kann.
Ich bin nie boshaft von vornherein, also muss ich mir nichts verzeihen. Wenn ich mich wehre, finde ich es richtig, auch wenn ich mich, um verstanden zu werden niveaumäßig anpassen muss. Ich müsste mir etwas verzeihen, wenn ich alles hinnehmen würde. Das will ich nicht. Ich finde es gut und richtig, den Stein, welchen man auf mich wirft, abprallen zu lassen und ich mache mir keinerlei Vorwürfe, wenn er den Steinwerfer trifft. Er hätte ja den Stein nicht auf mich werfen müssen.

Aber es gibt ja noch viele User mit Erfahrungen.

Alles Gute


suche :blume1: :blume1: :blume1:
 
suche schrieb:
Ein konkretes Beispiel wäre natürlich angebracht.
Jaaa, da haste natürlich recht, das würde aber zu weit führen...

Ich muss scharf nachdenken, ob ich mich einmal selbst verletzt hätte. Mir fällt nichts ein, doch es wird schon einmal gewesen sein, vielleicht als Folge einer Handlung, die nicht richtig war.
Zum Beispiel. Oder, wie gesagt, in Situationen, wo einem der Mut gefehlt hat.

Liebe Jane, ich fürchte, dass ich Dir in diesem Punkt nicht weiterhelfen kann.
Mir geht es auch weniger um Hilfe. Ich finde es einfach spannend zu lesen, wie Ihr darüber denkt.

Danke jedenfalls! :kuss1:

LG
Jane
 
JaneS. schrieb:
Gehören Vergeben und Vergessen notwendig zusammen? Gibt es das eine ohne das andere gar nicht?

Kann man vergeben ohne zu vergessen? Vergessen ohne vergeben zu haben?

Kann man vergeben, bevor der andere seinen Fehler erkannt hat? Bevor er sich ent-schuld-igt?

Welche Rolle spielt Wiedergutmachung?

Wie denkt Ihr darüber?

LG
Jane







Diese Frage interessiert mich schon sehr lange brennend. Nicht so sehr im individualorientierten Handeln, denn da “spukt mir das Überich“, also die von außen übernommenen Wertvorstellungen , zu viel herum.
Und ich denke, bei Kränkungen, die jeder Mensch so im Leben erfährt, seien es solche, die von anderen mutwillig oder ohne Absicht begangen werden, wird die schlichte Antwort sein: Ich vergebe nicht - vergesse aber den ganzen Anlass, denn schließlich bin ich nicht das Maß aller Dinge für andere.
Das mit dem Vergeben stimmt mich schon bedenklicher - ich spreche immer von “Alltagskränkungen”. Dieses Wort ist mir zu sehr schillernd: wer gibt uns denn das Recht, z.B. jemandem zu vergeben, der in bester Absicht mit uns etwas sagt oder tut, was uns doch kränkt. Züchten wir uns so nicht zu einem kleinen Märtyrer unserer selbst?
Mich beschäftigt diese Fage vor allem im Zusammenhang mit dem Holocaust.
Gerade von Überlebenden hören wir nämlich - neben der häufigsten Antwort: “ ich will nicht mehr daran denken, ich will ein “normales” Leben führen" - genau das, wonach Du fragst. Mich kümmert das ganze nicht mehr. Ich will leben.

Wir hören auch: Ich will vom deutschen Volk Reue sehen... ( das inkludiert dann auch das Entschuldigen) - dann kann ich nicht vergessen, aber vergeben.

Wir hören: Ich kann nicht vergeben. Und vergessen schon gar nicht.


Die Frage nach der Wiedergutmachung ist in diesem Falle nur eine der Entschädigung sein- einer materiellen, denn wirklich “ wieder gut machen” kann kein einzelner Mensch und kein Staat, was die shoa angerichtet hat.


Also: Interessant ist es, dass wir das Zusammenspiel von Gruppenfehlverhalten und individuellem Fehlverhalten zwar überall beobachten können, sehr wohl aber in ihren Ursachen und Wirkungen relativieren müssen.
Und wenn wir wissen, dass Mobbing in der Arbeitswelt und Stalking im Privatleben in immer größerem Maße auch strafrechtlich relevant sind, wird Deine Frage zwar immer interessanter, aber auch schwieriger in ihrer Angemessenheit zu beantworten zu sein.

Marianne
 
Marianne schrieb:
wer gibt uns denn das Recht, z.B. jemandem zu vergeben, der in bester Absicht mit uns etwas sagt oder tut, was uns doch kränkt. Züchten wir uns so nicht zu einem kleinen Märtyrer unserer selbst?
Nun, ich denke, das Recht zu vergeben, wenn mich jemand wissentlich oder unwissentlich kränkt, habe ich einfach, das muss mir niemand geben. Und ob mich etwas kränkt oder nicht, kann nur ich allein entscheiden.
Damit kommen wir zu einem sehr interessanten Phänomen, das dir, gerade als ehemalige Lehrerin, nicht fremd sein dürfte: die Schwierigkeit, Gefühle auszudrücken bzw. die Gefühle anderer zu akzeptieren. Ich werde sehr wütend, wenn mir jemand erklären will, wie ich mich fühlen "darf". Z.B.: "Na, deswegen brauchen Sie ja nicht empört zu sein!", oder: "Da darfst (!) du dich jetzt nicht drüber kränken..."
Worauf ich hinaus will, ist, dass jeder nur selbst wissen kann, welche Handlung oder Äußerung ihn kränkt und welche nicht, egal wie die Absicht war. Entscheidend ist, wie etwas "ankommt". Wir kennen wahrscheinlich alle Situationen, in denen absichtliche Beleidigungen an uns abprallen, weil es uns vielleicht gerade sehr gut geht, oder wir den "Ball" einfach nicht annehmen. Andrerseits trifft uns so manches, weil wir gerade "nicht gut drauf" sind, oder eben den Ball angenommen haben.
Aber ich schweife ab, entschuldige diese doch sehr detaillierte Antwort.

Ich vergebe nicht - vergesse aber den ganzen Anlass, denn schließlich bin ich nicht das Maß aller Dinge für andere.
Ich frage mich, ob Vergessen ohne Vergeben möglich ist. Oder meinst du damit, dass man einfach nicht ständig daran denkt?

Mir kommt vor, dass "Vergeben" für dich einen negativen Beigeschmack hat, kann das sein? Woran liegt das? Impliziert es für dich ein "Verurteilen" des anderen?

Also: Interessant ist es, dass wir das Zusammenspiel von Gruppenfehlverhalten und individuellem Fehlverhalten zwar überall beobachten können, sehr wohl aber in ihren Ursachen und Wirkungen relativieren müssen.
Und wenn wir wissen, dass Mobbing in der Arbeitswelt und Stalking im Privatleben in immer größerem Maße auch strafrechtlich relevant sind, wird Deine Frage zwar immer interessanter, aber auch schwieriger in ihrer Angemessenheit zu beantworten zu sein.
Es ist natürlich immer das Individuum, das ein bestimmtes (Fehl)Verhalten zeigt, wenn auch oft von der Gruppe beeinflusst, und es ist immer der Einzelne, der für sein Verhalten die Verantwortung trägt.

Was Wiedergutmachung betrifft, denke ich, hast du sicher Recht, dass man nur materielle Schäden abgelten kann, nicht aber Leid, das jemandem widerfahren ist. Aber auch da kann es "versöhnliche Gesten" geben, eine Entschuldigung, oder was immer, je nachdem was vorgefallen ist. Ob der Gekränkte das annehmen kann, ist wieder eine andere Frage.

Gruß
Jane
 
Nein; vergessen dauert wesentlich länger. Gab es etwas zu verzeihen und das Verzeihen ist vollzogen, geht das Erlebnis vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis; wird man daran erinnert, ist es geistig wieder da, allerdings ohne ein schlechtes Gefühl.

Und wenn es mit schlechtem Gefühl wiederkehrt, so ist es nicht verziehen?

Bleibt nicht bei zu verzeihenden Dingen, allein dadurch das sie verzeiht werden müssen/können, immer ein komisches Gefühl?

Vergisst man etwas, was einem weh tat, je?

Sorry, Jane ich benötige oftmals Beispiele.

Nehmen wir mal an, ein Vater kümmert sich nicht um sein Kind.
Er verlässt die Familie, für das Kind völlig unerklärlich.
Ist das Kind erwachsen, nähern sich Vater und Kind wieder an, reden, verzeihen.
Wird das Kind also je ohne negativ Emotion an ihre Kindheit denken?
Hat es -wenn dem so ist- nicht verziehen, es sich nur eingeredet?
Wird es je vergessen?

Gruss
Sal
 
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Salem schrieb:
Und wenn es mit schlechtem Gefühl wiederkehrt, so ist es nicht verziehen?

Bleibt nicht bei zu verzeihenden Dingen, allein dadurch das sie verzeiht werden müssen/können, immer ein komisches Gefühl?

Vergisst man etwas, was einem weh tat, je?

Sorry, Jane ich benötige oftmals Beispiele.

Nehmen wir mal an, ein Vater kümmert sich nicht um sein Kind.
Er verlässt die Familie, für das Kind völlig unerklärlich.
Ist das Kind erwachsen, nähern sich Vater und Kind wieder an, reden, verzeihen.
Wird das Kind also je ohne negativ Emotion an ihre Kindheit denken?
Hat es -wenn dem so ist- nicht verziehen, es sich nur eingeredet?
Wird es je vergessen?
Gutes Beispiel, Sal, das bringt uns dem Kern der Sache näher:

Was bedeutet verzeihen eigentlich?

Hier wäre eine Definition hilfreich, aber vielleicht auch weitere konkrete Beispiele zum besseren Verständnis.

Was mir das Verzeihen oft erleichtert, ist die Erkenntnis, dass ich selbst auch Fehler gemacht habe.

LG
Jane
 
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