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Per Glasfaser zum gläsernen Menschen.

querulant

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6. Januar 2009
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123
In letzter Zeit wird wieder mal mittels Info-Bussen auf Supermarkt-Parkplätzen oder per Briefkasten-Einwurfreklame für Glasfaser-Netzanschluss geworben.
Dabei werden die Menschen m.E. fast schon genötigt, wenn sie sich nicht jetzt für einen Glasfaseranschluss entschieden, müssten sie später 800,-Euro Einrichtungsgebühr zahlen.
Bei Zusage würden dann nur Monatsgebühren von knapp 20 Euro fällig, wobei, zumindest auf den ersten Blick (auf einen zweiten Blick habe ich dann verzichtet..) nicht ersichtlich ist, ab wann denn die "Vorteile" der Glasfaser nutzbar werden, was ja erst mal deren Verlegung voraussetzt.

Auch wird nicht gleich deutlich, ob die fällige Monatsgebühr zusätzlich zur Grundgebühr eines bestehenden Kupferkabel-Nutzungsvertrages gezahlt werden muss oder ob diese Zahlung als eine Art Ratenzahlung dieser 800,-Euro Einrichtungsgebühr bis zur Tilgung gedacht, oder endlos weiter zu zahlen ist.
Eine m.E. unseriöse wohl auf leichtfertige Spontanzusage ausgelegte wiederholte Werbung der Anbieter, die schon bei der ersten Werbewelle wohl viele potentielle Kunden abschreckte und die Anbieter eine erhoffte Menge von für Planungssicherheit sorgenden Zahlern/Vorfinanzierern nicht zusammen bekamen.

Hier werden sich wohl bestimmt viele Leute nicht erstmalig veräppelt vorkommen, da vor 40 Jahren ein Bundesminister für "Post und Telekommunikation" Christian Schwarz-Schilling Kupfer-Kabelverlegung durchsetzte, mit fadem Beigeschmack, sh.Wikipedia:

"...Um das Kabelprojekt zu beschleunigen, setzte Schwarz-Schilling darauf, Privatfirmen an der Kabelverlegung zu beteiligen. An der Projektgesellschaft für Kabel-Kommunikation mbH war mit der Sonnenschein KG auch die Firma seiner Frau beteiligt, in der er die Jahre zuvor als Geschäftsführer tätig war.... Auch seine Entscheidung, Kupfer zu verwenden, traf im In- wie auch Ausland auf Verwunderung: Es war bereits Anfang der 1980er Jahre abzusehen, dass Glasfaserkabel die „Technologie der Zukunft“ ist..."

Dieser Kupferkabel-Anschusses (jetzt ist er nun mal da..), dessen Geschwindigkeit reicht mir zumindest.
Die bisherige schrittweise Temposteigerung wurde eh teils aufgezehrt durch auf jeder zweiten aufgerufenen Seite nervende Nachfragen, inwieweit man für die Weitergabe seines Surfverhalten an Dritte einverstanden ist, plus immer penetranter eingeblendeter Werbung, was wohl der einzige Sinn der schnelleren Tarife ist.

Warum sollte es bei Glasfaser anders sein. Ich kann doch gleichzeitig nur einen Film gucken oder Musik hören, 10 Filme gleichzeitig schauen zu können, was ja Glasfaser wohl technisch leisten könnte, macht keinen Sinn.
Und die Surfer der Sorte Jäger und Sammler (jagen nach Gratisquellen und sammeln von Daten) die sich tausende Filme, Musiken, Programme und Spiele auf die Festpatte laden, mögen von Hochgeschwindigkeits-Glasfaser begeistert sein, das ganze macht aber keinen Sinn, weil nun mal Lebenszeit begrenzt ist, und die (Frei-) Zeit das alles zu konsumieren einfach fehlt.

Die durch Technik ermöglichte "ex und hopp" Hektik und Reizüberflutung und die Lust nach immer mehr sind das Übel unserer Zeit.

Auch mich hat das Internet schon fast so weit gebracht, zwanghaft immer auf dem neuesten Stand sein zu müssen und aus unterschiedlichen Quellen mir die vermeintlichen Wahrheiten zusammen zu basteln, um zumindest rechtzeitig zu erfahren, wann hier Impfzwang kommt, falsches Gendern, zu selten duschen oder Schminkverzicht strafbar werden, Bürgerkrieg oder gar der dritte Weltkrieg ausbrechen könnte und ich mich rechzeitig darauf mental und praktisch vorbereiten kann.

Vor 30 Jahren ohne Internet hätte ich meine heutige kritische Distanz zu den Medien nicht für möglich gehalten.
Daran sind die Medien aber auch ein Stück weit selbst schuld in ihrem Bestreben, schneller "schonungsloser" und "faktenbasierter" zu berichten als die jeweilige Konkurrenz.
Dadurch haben sie, wohl unbeabsichtigt, als Nebeneffekt auch die Blicke vieler Medienkonsumenten geschärft und zu der Erkenntnis geführt, dass wie bei allen Konsumgütern die Verpackung der Ware, hier der Meldungen, fast schon wichtiger ist, als deren Inhalt.
Das war wohl schon immer so, und je nach Medium auch mehr oder weniger offensichtlich.

Dass die Zeiten prall gefüllter Zeitschriftenregale in den Supermarktregalen vorbei sind, liegt m.E. nicht nur am neuen Medium Internet, sondern wohl auch an zunehmend kritischer gewordenen Lesern, denen zudem ermöglicht wird, sich zahlreich in Leserforen der Netz-Zeitungen zu äußern, gar untereinander zu diskutieren, was bei den "Leserbriefen" der Printmedien nicht möglich war. Zuweilen können Leserschreiben aufschlussreicher sein, als die betreffenden Zeitungs-Artikel.

Die Medien haben ungewollt ihre Konsumenten emanzipiert und dazu gebracht, für Meldungen einerseits möglichst wenig oder kein Geld mehr auslegen, andererseits aber auch mitreden, Einfluss nehmen zu wollen.
Also muss wohl aus Sicht der Netz-Medien Glasfaser her, dann könnten mittels mehr und immer aufwändigerer Werbung die Einnahmeverluste beim einstigen Hauptgeschäft, der Nachrichtendienstleistung, kompensiert werden.

Netz-Medien werden dann wohl eines Tages zu "hauptberuflichen" Werbeträgern mutiert sein, die nebenher auch mal ne Nachricht absondern.
Die darauf reagierenden und sich untereinander austauschenden oder zankenden Leser liefern quasi im Gegenzug den Medienmachern, Funktionären und Politikern neue Ideen und den Datensammlern der Privatwirtschaft wie auch des Staates wertvolle Informationen etwa über Konsumverhalten oder das jeweilige gesellschaftliche Klima.
Das unschöne dabei, dass die Leser für ihre gelieferten Gratis-Ideen, -Anregungen, -Marktforschungs- und Stimmungs-Daten auch noch Geld bezahlen müssen, denn ohne Bezahl-Abo "dürfen" sie in den meisten Netz-Zeitungs-Foren nicht schreiben.

Gegenüber Einzelverkaufszeitungen, bei denen Kunden sich u.U. nur einer Schlagzeile wegen die Zeitung spontan kaufen und somit eine zeitnahe Rückmeldung an den Verlag liefern, wie sie die Attraktivität ihrer Zeitung erhalten/verbessern können, fehlt bei den etwa 5 mal so vielen im Dauer-Abo verkauften Print-Zeitungen diese spontane Rückmeldung.
Denn Für Dauer-Abonnementen ist die tägliche Zeitung zur Gewohnheit geworden. Das Abo zu kündigen, gar wegen Unzufriedenheit, fällt da schwer oder wird aus Gemütlichkeit unterlassen, zumal auf die Sport- oder Kulturseiten ausgewichen werden kann.
Jedenfalls fehlten/fehlen seitens der Print-Abo-Kunden spontane Rückmeldungen an die Verlage über Qualität und Glaubhaftigkeit ihrer Zeitungen, wodurch der Druck, zumindest gegenüber den Abonnementen Qualität zu liefern, geringer war/ist.

Dafür wird aber nun für Netz-Zeitungen der Druck immer höher, der Konkurrenzkampf immer härter, weil quasi per Mausklick in Sekundebruchteilen Zeitungsartikel bewertet werden und Ablehnung oder Zustimmung erfahren können.

Gehen mangels Zuspruch Netz-Zeitungs-Abos zurück, muss dieser Einnahmeverlust kompensiert werden.
Also erscheinen beim scrollen in Netz-Zeitungen immer penetranter dazwischen geschobene "Charakterköpfe" (m.E. per "KI" generiert) und werben als angebliche Finanz-, Immobilien-, Gesundheits- oder Energie-Experten für Produkte und Dienstleistungen.
Auch werden zunehmend wie Schlagzeilen aufgemachte Werbungen zwischen echte Schlagzeilen gemogelt.

Mein Fazit:
Mittels Glasfaser sollen weniger die Netz-Surfer beglückt, sondern lediglich die technischen Vorraussetzung geschaffen werden, immer mehr mit Nachrichten verwobene Werbung, unter die Leute zu bringen, Meinungen, Konsumverhalten, politische Gesinnungen "angezapft", der Weg zu immer gläserneren Menschen geebnet werden.
Eines Tagen wird wohl "KI" schon vorher wissen, was man später mit der Maus anklicken will, das setzt natürlich auch schnelle Glasfaser voraus.
 
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