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Mathematik: entdeckt oder erfunden?

AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Ein Ich-Bewußtsein setzt bei Entstehung von selbst alle anderen Nicht-Ichs in den Stautus eines (anderen) Ichs, nur daß jene davon noch nichts wissen. Erst durch Beobachtung (Verkehr) gelangen sie zum eigenen (abgrenzenden) Ich-Bewußtsein. Dies wäre aber unabhängig vom Bürgertum, sondern bezieht sich auf die angeborene Fähigkeit des "Nachäffens".
 
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AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Bürgerliche Gesellschaft bezeichnet nicht einfach das Bürgertum, sondern ein Gemeinwesen, in dem - durch den Markt! - ein Jeder mit Jedem "in Verkehr" steht.
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Es wäre schön, wenn Ihr wieder auf das Ausgangsthema zurückkommen würdet,

meint
Hartmut
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Na schön, kehren wir zur Mathematik zurück.

Der Gedanke, die mathematischen Formeln lägen den Naturprozessen als deren Ursache zu Grunde, ist zuerst von Plato öffentlich ausgesprochen worden. (Es heißt, er habe zuvor zeitweilig der mystischen Geheimgesellschaft der Pythagoreer angehört.)

Die Urtypen aller irdischen Gebilde sind seine fünf vollkommenen Körper: Kugel, Würfel, Pyramide, Zylinder, Konus.

Es sind die jeweiligen dreidimensionalen Kombinationen von Kreis, Quadrat und Dreieck.

Drei Dimensionen sind 'vollkommener' als zwei, bzw. Körper sind vollkommener als Flächen.

Hat man eines von denen 'von der Natur abgeschaut'? Mehr oder minder runde Formen kommen in 'der Natur' vor; Kugeln nicht. Kugel 'entsteht' als Idee des vervollkommneten 'runden' Körpers. Wobei Vollkommenheit keine logische, sondern eine anschauliche, eine ästhetische Qualität ist! Finden sich Würfel, Pyramiden, Zylinder usw. in der Natur vor? Es finden sich Formen, die wie fehlerhafte Annäherungen aussehen. Damit sie so aussehen können, müssen die reinen Formen dem inneren Auge aber schon gewärtig sein. Und das geht nur, wenn das innere Auge die Konstruktion aus Kreis, Quadrat und Dreieck schon vorgenommen hat! Das ist eine erhebliche Abstraktions- und Reflexionsleistung. (Abstraktion und Reflexion sind nur zwei Sichtweisen auf denselben Denkakt: Absehen auf das jeweils Wichtige ist zugleich Absehen von dem jeweils Unerheblichen.)

Denn zuvor mussten vor dem inneren Auge die Flächen selber konstruiert werden! Allein den vollkommenen Kreis kann man in der Außenwelt sehen – am wolkenlosen Himmel. Es ist ja denkbar, dass der Anblick des einzig perfekten Kreises – der Sonnenscheibe – und ihrer imperfekten Parodie – des Mondes – den Anlass zur Idee anschaulicher Vollkommenheit gegeben hat; aber eine erfahrungsmäßige Abstraktion aus dem Anblick vieler perfekter Kreise war es nicht: weil es nur diesen einen gibt. Und eine Reihe imperfekter Karikaturen – die werdenden und vergehenden Ringe auf dem Wasser usw. Nachgemacht werden kann dieser eine perfekte Kreis aber nicht auf 'anschaulichem' Weg; er muss konstruiert werden aus Punkt und Radius: wieder eine enorme Abstraktionsleistung.

Die andern beiden Grundformen finden sich nicht in perfekter Gestalt in den Natur vor. Sie müssen – vielleicht in anschaulicher Analogie zur Sonnenscheibe – erdacht werden, um feststellen zu können, dass sich in der Natur… unvollkommene Annäherungen vorfinden.

Und erst nach all dem können die fünf perfekten Körper erdacht werden; und kann man sich ein-bilden, diese Idealentwürfe lägen ihren unvollständigen natürlichen Nachbildungen "in Wahrheit" zu Grunde; in einer verborgenen Wahrheit selbstverständlich.
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Ich bin der Meinung das Feld der Mathematik nicht verlassen, lediglich etwas ausgeholt zu haben, aber gut, hier einmal Wikipedia (Die entsprechenden Passagen habe ich hervorgehoben):

"Die Mathematik (altgriechisches Adjektiv μαθηματική [τέχνη] mathēmatikē [téchnē] „[die Kunst des] Lernen, zum Lernen gehörig“; vom altgriechischen Verb μανθάνω manthánō „ich lerne“; kurz oder umgangssprachlich: Mathe) ist die Wissenschaft, welche aus der Untersuchung von Figuren und dem Rechnen mit Zahlen entstand. Für Mathematik gibt es keine allgemein anerkannte Definition; heute wird sie üblicherweise als eine Wissenschaft, die selbst geschaffene abstrakte Strukturen auf ihre Eigenschaften und Muster untersucht, beschrieben."

Und noch einmal Wikipedia zur Abstraktion:

"Das Wort Abstraktion (lat. abstractus - "abgezogen", Partizip Perfekt Passiv von abs-trahere – "abziehen, wegschleppen, -führen; entfernen, trennen") bezeichnet meist allgemein einen Vorgang des Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres."

Gesondert hervorheben möchte ich folgende Passagen:


...selbst geschaffene abstrakte Strukturen... - ... abstrakt: Vorgang des Weglassens von Einzelheiten...


Die Kunst des Lernens, durch Weglassen von Einzelheiten, Strukturen selbst zu erschaffen. (Die "Addition durch Subtraktion?", die ich weiter oben schon erwähnte)

Wie ich mir das vorstelle, stellt ein Ich-Bewußtsein eine durch Erlernen und durch Weglassen von Einzelheiten entstandene abstrakte Figur, bzw. Struktur dar. Dabei ist für mich der Zeitpunkt der geschichtlichen Entstehung rein sekundärer Natur.

Das ich bei diesem Thema, Mathematik: entdeckt oder erfunden, erst einmal den Entdecker, bzw. den Erfinder etwas genauer untersucht habe, mag man mir bitte nachsehen, denn es heißt bei Wikipedia auch: "Für Mathematik gibt es keine allgemein anerkannte Definition"
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Ja ja, Wikipedia bringt, was heute "herrschende Meinung" ist. Heute herrscht die 'konstruktivistische' Sicht auf Alles und Jedes vor (z. B. auch in den "PISA"-Tests). Aber was die heute herrschende Meinung ist, hat Benjamin eingangs ja nicht gefragt. Ich habe es so verstanden, als wolle er wissen, was wahr ist. Und die 'Rolle des Zufalls in der Geschichte' hat es so gefügt, dass eine Meinung wahr sein kann, obwohl sie 'herrscht'.
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Ja ja, Wikipedia bringt, was heute "herrschende Meinung" ist. Heute herrscht die 'konstruktivistische' Sicht auf Alles und Jedes vor (z. B. auch in den "PISA"-Tests). Aber was die heute herrschende Meinung ist, hat Benjamin eingangs ja nicht gefragt. Ich habe es so verstanden, als wolle er wissen, was wahr ist. Und die 'Rolle des Zufalls in der Geschichte' hat es so gefügt, dass eine Meinung wahr sein kann, obwohl sie 'herrscht'.

Es tut mir an dieser Stelle schon fast leid erwähnen zu müssen, nie eine Universität von innen gesehen zu haben, geschweige denn über einen Hauptschulabschluß hinaus gekommen zu sein.

Du weißt darauf hin, daß nach Wahrheit gefragt wurde. Auch hier bediene ich mich zwecks Definition wieder bei Wikipedia:

"Wahrheit (griechisch Aletheia, von a (alpha privativum = nicht) und lethos/lethe (zu lanthano = verborgen sein), lateinisch veritas)..."

also: nicht verborgen sein!

Mir bleibt bei der großzügigen Benutzung diverser lateinischer, griechischer oder sonstwie sprachlich verorteter Begriffe mancher Akademiker, nichts anderes übrig, diesbezüglich zu "googeln". Und wo ich jetzt genauer darüber nachdenke: Ich schätze, daß der überwiegende Teil der Menschheit, die eingesetzten Begriffe nicht versteht. Obwohl sich die Wissenschaften als Wahrheitenfinder zu sehen scheinen, legen sie nicht offen, sondern verbergen ihre gewonnenen Erkenntnisse in einer Sprache, welche nur in den Wissenschaften selbst Bedeutung besitzt. Welche Wahrheiten in diesem Sinne werden da wohl entdeckt, wenn Wahrheit ein -nicht verborgen- bedeutet?

Und: Ob nun eine Universitätsmeinung herrscht, oder eine Wikipediameinung... wo ist da der Unterschied? Für mich, nur in der Lesbarkeit!
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

???
Wenn ich im Zusammenhang mit Philosophie von herrschender Meinung rede, dann meine ich natürlich die an den Universitäten herrschende Meinung; was sollte sich denn in Wikipedia sonst niederschlagen? Aber die Meinungen - auch die akademischen, wieso denn nicht? - ändern sich mit den Zeitläuften. Meine Wendung 'weil sie herrscht, muss sie ja nicht falsch sein' ist nur eine Variante der ursprünglichen Einsicht: Weil sie herrscht, muss sie nicht richtig sein.

Aber wozu das Ganze?
 
AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Hallo Windreiter!

Die von Dir über Wikipedia eingeholte Definition von Wahrheit könnte uns vielleicht im Hinblick auf die Entstehung der Mathematik behilflich sein. Vielleicht war die Mathematik schon immer da, nur verborgen.

Mir bleibt bei der großzügigen Benutzung diverser lateinischer, griechischer oder sonstwie sprachlich verorteter Begriffe mancher Akademiker, nichts anderes übrig, diesbezüglich zu "googeln". Und wo ich jetzt genauer darüber nachdenke: Ich schätze, daß der überwiegende Teil der Menschheit, die eingesetzten Begriffe nicht versteht. Obwohl sich die Wissenschaften als Wahrheitenfinder zu sehen scheinen, legen sie nicht offen, sondern verbergen ihre gewonnenen Erkenntnisse in einer Sprache, welche nur in den Wissenschaften selbst Bedeutung besitzt.
Auch ich habe den Eindruck, dass die Benutzung der wissenschaftlichen Fachsprache oft nicht dem Zwecke der Wahrheitsfindung dient, sondern sich eher niederen Motiven wie zB der Profilierungssucht einzelner verdankt. Beim Betrachten studentischer Arbeiten hatte ich schon oft den Eindruck, dass der (vorgetäuschte) kunstfertige Gebrauch von Fachwörtern ein größeres Gewicht hatte als inhaltliche Fragestellungen (Form über Inhalt).

Dennoch halte ich es für erstrebenswert, dass man sich um eine Fachsprache bemüht, die wissenschaftlichen und methodischen Ansprüchen genügt. Die Verwendung des Lateinischen zB in der Medizin hat den Vorteil, dass auch in Australien ein Mediziner weiß, dass mit Tragus eine Stelle am Ohr gemeint ist.
 
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AW: Mathematik: entdeckt oder erfunden?

Interessanter mathematisch-philophischer Beitrag (#44), Corsario!

Der Begriff der Vollkommenheit hat mich besonders angesprochen und veranlasst mich zu einigen Bemerkungen.

Kugel 'entsteht' als Idee des vervollkommneten 'runden' Körpers. Wobei Vollkommenheit keine logische, sondern eine anschauliche, eine ästhetische Qualität ist!

Vollkommenheit kann aber auch mathematisch und damit logisch gefasst werden durch den Begriff der Symmetrie. Ein Körper ist symmetrisch, wenn er gegenüber bestimmten Transformationen invariant bleibt. So zeigen die erwähnten fünf vollkommenen Körper des Plato eine mehr oder weniger ausgeprägte Invarianz gegenüber Drehungen.

Wenn man die Vollkommenheit derart fasst, dann wird auch folgende Aussage verständlich:

Drei Dimensionen sind 'vollkommener' als zwei, bzw. Körper sind vollkommener als Flächen.

In drei Dimensionen gibt es einfach mehr Freiheitsgrade für Symmetrieoperationen wie Drehung und Spiegelung. Das gilt dann auch für vier- oder noch höher dimensionale Körper. Die Vollkommenheit solcher Körper lässt sich aber nicht mehr anschaulich würdigen.

Allein den vollkommenen Kreis kann man in der Außenwelt sehen – am wolkenlosen Himmel.
...
Die andern beiden Grundformen finden sich nicht in perfekter Gestalt in den Natur vor.

Ich meine, dass man ausser dem Kreis auch die beiden anderen zweidimensionalen Grundformen Quadrat und Dreieck in ziemlicher Vollkommenheit in der Natur beobachten kann, nämlich als Flächen von Kristallen. Einige Kristalle kommen sogar den vollkommenen Körpern Würfel und Pyramide sehr nahe.

Aber grundsätzlich ist es schon so, wie du sagst, dass die vollkommenen geometrischen Objekte Idealisierungen realer Objekte und damit Abstraktionsleistungen unseres Gehirns sind.

Schöne Weihnachten wünscht
Hartmut
 
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