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Kann ein Mensch sich ändern?

Binchen

New Member
Registriert
7. Februar 2003
Beiträge
11.552
Ich frage mich gerade ob sich ein Mesch ändern kann.
Ich meine in seinen Wesenszüge, seinem Charakter.
Und was benötigt er dazu?
Ein Schicksalsschlag, eine denkwürdige Begegnung oder sonst was?

Was meint ihr dazu und habt ihr euch schonmal von Grundauf geändert?

Lg binchen
 
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Ja.

Gute Frage, Binchen, die sicherlich unterschiedlich zu beantworten sein wird, ist eine solche Änderung grundsätzlich von der Persönlichkeitsstruktur des/der Betroffenen abhängig.

Aber, generell gesprochen, meine ich, dass die Antwort wohl ein ja sein muss.

Wir haben durch unsere Erbanlagen, wie auch durch unsere Erziehung in den ersten Lebensjahren und den weiteren Erfahrungen unseres Lebens eine gewisse Vorprogrammierung erfahren, die letztlich uns und unsere Persönlichkeit ausmacht. Dies sehe ich als eine Bandbreite in der wir uns bewegen und uns, ohne besonderes Zutun, entwickeln.

Die von dir angesprochene Änderung müsste also eine Veränderung betreffen, die außerhalb dieser natürlichen Bandbreite liegt und damit eine tatsächliche Veränderung wird.

Dies kann auf vielerlei Art erreicht werden, erfordert jedoch in jedem Falle, dass der/die Betroffene ernsthaft an einer solchen Änderung arbeitet und sie erreichen will. Zufällige Änderungen sind zumeist temporär und zudem bei genauer Sicht nur Extremitäten der bereits vorhandenen Bandbreite.

So gibt es die Veränderung aufgrund besserem Wissen. Dies sieht man oft bei Menschen, die sich intensiv mit Themen beschäftigen und aus dem gewonnenen Wissen entsprechende Schlüsse auf ihr eigenes Leben ziehen. Andere haben Erfahrungen gemacht oder Einsichten gewonnen, die sie zum Nachdenken bringen und in der Folge zu einer Änderung des Lebens und ihrer Persönlichkeit. So ist die Selbsterkenntnis sicherlich eine wichtige Art und Voraussetzung für eine Persönlichkeitsänderung.

In vielen Fällen gibt es auch Helfer, Vorbilder oder ganz einfach Freunde und Vertraute, die einem sozusagen die Augen öffnen und diesen Denkprozess einleiten. Dies kann auch durch tatsächliches Erfahren stattfinden, wie zum Beispiel der Anblick von hungernden Kindern, misshandelten Tieren oder dem Penner auf der Straße. Doch auch extreme Ereignisse können solche Veränderungen einleiten, wobei die Echtheit der Veränderung und die innere Überzeugen des/der Betroffenen wiederum von der tatsächlichen und bewussten Veränderung abhängt, die wiederum einen Denkprozess voraussetzt.

In jedem Falle meine ich, dass der/die Betroffene den Willen und die Bereitschaft zur Veränderung in sich tragen muss, um eine tatsächliche Veränderung zu erreichen. Diese Flexibilität muss Teil der Persönlichkeit sein, da sich ansonsten die vermeintliche Veränderungen nur als Modeerscheinung oder kurzfristige Begeisterung entpuppen wird.

So zeigen die Beispiele eine Veränderung in beide Richtungen und nicht nur zum Guten oder Besseren, was immer man darunter verstehen möge.
 
Hi, Binchen.
Zunächst einen Text von Bert Brecht: ( aus dem Gedächtnis zitiert)

Her K., begegnete nach langer Zeit einem alten Bekannten. "Sie haben sich aber gar nicht verändert,"sagte jener zu ihm. " Oh!" erwiderte der und erbleichte.


Binchen: wir verändern uns nicht nur biologisch dauernd - unser Leben ist das allmähliche Verändern zum Tode hin.
Aber danach hast Du ja eher nicht gefragt.

Wir verändern uns alle, weil wir kommunizierende Menschen sind, das heißt, einer beeinflusst den anderen immer: sei es, weil wir dem anderen zustimmen und so weiterre Argumente für unsere persönlichen Meinungen finden; sei es, wir sind nicht seiner Meinung. Das prägt uns immer mehr in unserer Einmaligkeit.

Jeder Input bringt ganz individuell geprägten Output.


So ändern wir uns alle - nicht alle wollen oder können das wahrnehmen.

Was Louiz sagt, und dem ich zustimme, ist u.a. zur gewollten Veränderung des eigenen Handelns. Das ist ein "freier" Willenakt - und da wird wohl der Leidensdruck groß sein müssen, wenn ein Mensch beschließt, sich ändern zu wollen. Und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass nicht einmal " die große Liebe", sei es zu einem Menschen oder zu Gott oder zu einer sonstigen Idee so etwas Knall auf Fall ermöglicht. Auch hier ist ständige Slbstkontrolle nötig.


liebe Grüße
Marianne
 
Binchen, ein tolles Thema das du hier eröffnet hast - denn du veranlasst über etwas sehr wichtigem nachzudenken. Damit setzt du in Bewegung genau das wofür ein solches Forum grundsätlich besteht - also das Nachdenken.

Louiz hat eigentlich das Wesentliche zum Thema gesagt, doch wie wirken sich gesellschaftlicher Druck, Anforderungen die an den Einzelnen gestellt werden aus? Sicher ändern die uns, doch unsere Reaktion wird von unserer Persönlichkeitsstruktur abhängen. Ist das im heutigen gesellschaftlichem Kontext tatsächlich so oder ist dieser Prozess doch erschwert?

Wir sprechen von der Feststellung, dass Menschen oft fremdbestimmt sind. Der Akzent der in der heutigen Gesellschaft ganz stark auf Leistung gesetzt wird, setzt das Individuum einem ständigen Druck aus und entfernt ihn von dem was man seine Ideale nennen könnte. Das Bild des Erfolgreichen, sehr oft auch durch die Medien verbreitet, veranlasst uns Vieles aufzugeben, das eigentlich uns ausmacht, doch von der Gesellschaft nicht gefragt ist. Sogar in der Erziehung wird auf Leistung Wert gelegt - und das geschieht in einem Alter in dem die wesentlichsten Prägungen stattfinden. Entsteht nicht durch diesen Druck auch die Gefahr, dass bei vielen Menschen die Eigenschaften die sie eigentlich individuell ausmachen, gar nicht entdeckt werden? Doch diese sind die Voraussetzung für Änderungen.

Auf individueller Weise zu handeln beruht auf unseren Persönlichkeitsmarkmale - lassen uns die heutigen Anforderungen noch die Zeit diese tatsächlich zu entdecken? Von wo soll die Zeit zur persönlichen Entwicklung kommen in einer Gesellschaft die auch von einer permanenten Beschleunigung geprägt wird?
Und das ist natürlich auch gültig für die Fähigkeit sich zu ändern. Das braucht auch Zeit - neben der oben erwähnten Voraussetzung die Eigenschaften in sich zu entdecken, die dazu führen könnten.

Da fängt aber auch eine gefährliche Gratwanderung an. Denn oft berufen sich Menschen auf diese gesellschaftlichen Prägungen und Anforderungen, um ihren Unwillen sich zu ändern zu rechtfertigen.
Steckt da auch eine gewisse Angst dahinter? Beim Thema "Geschlossene Gesellschaft", haben wir darüber nachgedacht, warum das Durchbrechen eines Kreises in dem wir uns gefangen finden, manchmal so schwierig ist.
 
Hi, Binchen, Ihr anderen, mir fällt noch etwas ein.

Oft verändert sich ein Mensch auch charakterlich, ohne es zu wollen und ohne "in Weisheit" zu fallen. *ggrr*.

In meiner Verwandtschaft hat ein mir gleichaltriger Mann einen Schlaganfall erlitten.
Er kann zwar wieder alle seine Sinne und Glieder gebrauchen, aber sein Charakter, was sich ja im Verhalten ausdrückt, hat sich geändert. Und da braucht es viel Güte und das Erinnern daran, wie er vorher war, um ihn so zu nehmen, wie er ist.

Ich glaube, dieser Aspekt gehört auch noch in dieses Thema.

frdlg
Marianne
 
Marianne, Krankheit kann ein wesentlicher Anlaß für Änderungen sein.
Doch für mich sieht das etwas anders aus, als das was du beschreibst. Denn die Veränderungen die du wahrnimmst, beruhen auf organischen Änderungen im Gehirn, die durch einen Schlaganfall entstanden sind. Da gehen immer auch Strukturen im Hirn zugrunde - auch wenn motorisch keine Folgen festzustellen sind.

Es wird oft darauf hingewiesen, dass Krankheit auch eine Chance sein kann. Voraussetzung ist natürlich, dass man sie als solche auch wahrnimmt. Denn der Körper reagiert oft mit Erkrankungen auf Lebensumstände die unserer Person nicht oder nichtmehr entsprechen. Wenn man diese etwas schmerzhafte Sprache begriffen hat, wenn man gewillt ist darüber nachzudenken, gibt es die Chance manches zu ändern. Es werden Lebensumstände und Gewohnheiten verändert - doch es ändert sich damit auch die Person. Kreative Kräfte kommen zum Tragen, es wird manches über Bord geworfen das so wichtig uns erschien und eigentlich im neuem Kontext sich als unwesentlich erweist.

Diese Feststellung, das Neuordnen oder Unterscheiden zwischen Wesentlich und Unwesentlich, findet aber auch in einem breiteren Kontext statt, nicht umbedingt muss eine Erkrankung dazu der Anlaß sein. Doch es sind oft eher schwierige Umstände die einen Menschen zum Überdenken und damit zum ändern und sich verändern führen, nicht die unbeschwerten Phasen des Lebens.
 
Ich sehe auch, dass Krankheiten und andere einschneidende Ereignisse zur Veränderung eines Menschen führen und doch stellen sich dabei verschiedene Fragen.

Wurde der Mensch verändert oder hat er sich geändert?
Ist die Änderung zwanghaft oder verinnerlicht und freiwillig?
Ist die Änderung psychisch bedingt und kann sich ebenso bei veränderter Situation wieder umkehren?
Ist die Änderung opportunistisch, um sich in schwerer Lage die Sympathie anderer zu sichern?

Was ich mit diesen Fragen nur ausdrücken will ist, dass nicht jede Veränderung eines Menschen notgedrungen nachhaltig oder gar tatsächlich ist.

Ich denke, dass wirkliche Veränderung nur bewusst erfolgen kann, da man in die Tiefe seiner Psyche muss und dort auch die Relais umstellen muss, die uns unbewusst steuern und beeinflussen. So müssen in diesem Prozess auch oft „alte Leichen“ aus dem Keller geholt werden und alte Wunden und Verletzungen endgültig beseitigt werden.

Man macht sich leider gar schnell vor, dass sich ein Mensch geändert hat und wird dann oft enttäuscht, wenn er doch der „Alte“ geblieben ist.
 
louiz30 schrieb:
Ich denke, dass wirkliche Veränderung nur bewusst erfolgen kann, da man in die Tiefe seiner Psyche muss und dort auch die Relais umstellen muss, die uns unbewusst steuern und beeinflussen. So müssen in diesem Prozess auch oft „alte Leichen“ aus dem Keller geholt werden und alte Wunden und Verletzungen endgültig beseitigt werden.

dem möchte ich die große veränderung entgegen halten, die so gut wie jeder mensch durchlebt
das erwachsen werden

diese veränderung erfolgt nicht bewusst, der erwachsene empfindet sich nicht als verändert
diese veränderung kann er selbst nur beobachten, indem er aus sich heraustritt und sozusagen von außen sein jetziges ich mit dem in seiner kindheit vergleicht
auch ist es in dem prozess nicht notwendig, sich mit alten leichen zu beschäftigen
mit dem erreichen eines bestimmten alters ist aber der prozess nicht vorbei
dieses weiterreifen geht bis ans lebensende
man selbst oder nahe angehörige bemerken diese stetigen veränderungen so gut wie nicht
erst eine einschneidende veränderung wird von anderen bemerkt (wie auch bei jemandem, den man 10 jahre nicht gesehen hat, das alte bild noch im kopf hat, und plötzlich mit der summe der kleinen veränderungen konfrontiert wird)
selbst diese werden vom betroffenen nicht direkt bemerkt, außer er tritt aus sich selbst heraus und betrachtet diese veränderungen von außen

lg,
Muzmuz
 
wenn eine frau sich einen mann nimmt, dann hofft sie, daß er sich ändert - er tut es aber nicht.
wenn ein mann sich eine frau nimmt, dann hofft er, daß sie sich nicht ändert - sie tut es aber. ;-)

ein auf den ersten blick blöder spruch. allerdings ist darin ein sehr wahrer kern. menschen ändern sich (bleibt in diesem falle die frage wer von beiden sich tatsächlich verändert hat):
- im aussehen,
- im bildungsstand,
...,
sicherlich auch im charakter. denn die erfahrungen von freude, leid, tod und leben, sie und nierlagen, ... prägen jeden menschen, wie stark oder schwach er auch sein mag.
ich kenne gut freund die zu kameradenschweinen geworden sind. habe ehre da kennengelernt wo sie nie vorhanden war.
der mensch ändert sich! bleibt nur die frage ob sich lediglich die sichtbare schale ändert und die im tiefen manifesten wesenszüge mal mehr, mal weniger verdeckt bzw. hervorgehoben werden, oder ob sich diese veränderungen auch in der tiefe vollziehen.

unveränderlicherweise ;-)
dex
 
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dem möchte ich die große veränderung entgegen halten, die so gut wie jeder mensch durchlebt das erwachsen werden

Das ist grundsätzlich gesehen schon richtig und doch stellt sich auch da die Frage, ob ein oberflächlicher, arroganter, grober, feiner, nachdenklicher oder sonst wie ausgestatteter Mensch seine Persönlichkeit durch diesen Prozess ändert oder ob er tatsächlich daran arbeiten muss.

Ich meine, dass das Erwachsen werden, wie das Altern, nicht zwingend zu einer Änderung der Persönlichkeit führt, sondern allenfalls zu einer Ausprägung der bereits vorhandenen Muster.

Menschen die sich mit der Zeit tatsächlich verändern, also über den vorhandenen Rahmen hinausgehen, haben daran gearbeitet und sich diese Veränderung bewusst gemacht. Zumindest habe ich bislang nur solche kennen gelernt.
 
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