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Herrenmensch

AW: Herrenmensch

Zitat:
16f
Die große Mehrzahl der Menschen wird nie dazu kommen, sich in sittlicher Freiheit selbst zu entscheiden.
Lassen sie sich nicht bestimmen durch die Sitte der Väter oder der Priester,
so sind sie entweder der Haltlosigkeit ausgeliefert oder sie unterwerfen sich dem nächstbesten Führer.
Der Philosoph mag mit Geringschätzung von den Menschen reden, die es nicht zur Autonomie,
d. h. zur freien eigenen Entscheidung, bringen.
Doch der Mensch verliert nichts von seiner Würde, wenn er sich unter echte des Gehorchens würdige Autorität stellt.
Tausendmal besser ist der Mann, der im Gehorsam gegen einen weisen frommen Ratgeber das Gute tut,
als der andere, der sich zutraut, selbst wählen zu können, aber doch nicht dazu in der Lage ist.
Jedermann ist ja in seiner Jugend unter der Autorität seiner Eltern und Lehrer.
Und später gibt der nichts von seiner Würde preis,
der sich in Ehrfucht beugt unter große Geister der Vergangenheit und unter die sittlichen Heroen seiner Zeit.
Der stärkste und beste Mann aber ist der, der da, wo ihm Gottes Wille begegnet,
alles eigene Wollen preisgibt und nur das will, was Gott befiehlt.
ich finde, das ist ein sehr schöner text.
doch glaube ich auch, dass ihn nicht allzu viele menschen vorurteilsfrei verstehen können.

...und schon sind wir wieder im dilemma.
 
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AW: Herrenmensch

ich finde, das ist ein sehr schöner text.
doch glaube ich auch, dass ihn nicht allzu viele menschen vorurteilsfrei verstehen können.

...und schon sind wir wieder im dilemma.

Liebe Kathi, ich denke schon, dass es viele Menschen gibt, die diesen Text vorurteilsfrei verstehen können, was aber noch nicht besagt, dass diese ihn auch schön finden müssen, oder ihm sogar zustimmen.

Ich behaupte zum Beispiel, dass ich den Text verstehe, keine Vorurteile - aber wohl Vorbehalte in Bezug auf seine Aussagen habe.


Jedermann ist ja in seiner Jugend unter der Autorität seiner Eltern und Lehrer.
Und später gibt der nichts von seiner Würde preis,
der sich in Ehrfucht beugt unter große Geister der Vergangenheit und unter die sittlichen Heroen seiner Zeit.
Der stärkste und beste Mann aber ist der, der da, wo ihm Gottes Wille begegnet,
alles eigene Wollen preisgibt und nur das will, was Gott befiehlt.

Der Text ist anscheinend Ende der vierziger Jahre geschrieben - bevor ich dies sah, hatte ich ihn als viel älter eingestuft. So denke ich, dass er stark von den Geschehnissen in Nazideutschland geprägt ist, und da sind mir doch Texte lieber die eine sehr klare Position beziehen und deren Kern nicht abwägt ob man sich wohl besser "sittlichen Heroen seiner Zeit" beug, oder aber "alles eigene Wollen preisgibt und nur das will, was Gott befiehlt".

Es bestehen gerade in dieser Zeit viele Texte oder Bekenntnisse zur eigenen Positionierung gegenüber der damaligen Zeit. Doch möchte ich dem Text von Th. Lorch nur einen solchen gegenüberstellen, der auch von einem tiefen Glauben geprägt ist, aber in dessen Mittelpunkt die Aussage zur eigenen Verantwortlichkeit, mit anderen Worten zum eigenen Willen gestellt wird:


„Es ist zunächst die ganz persönliche Schuld des Einzelnen, die hier als vergiftende Quelle der Gemeinschaft erkannt wird. […] Ich bin schuldig des ungeordneten Begehrens, ich bin schuldig des feigen Verstummens, wo ich hätte reden sollen, ich bin schuldig der Heuchelei und der Unwahrhaftigkeit angesichts der Gewalt, ich bin schuldig der Unbarmherzigkeit und der Verleugnung der Ärmsten meiner Brüder, ich bin schuldig der Untreue und des Abfalls von Christus. […] Diese vielen Einzelnen schließen sich ja zusammen in dem Gesamt-Ich der Kirche. In ihnen und durch sie erkennt die Kirche ihre Schuld.“

Dietrich Bonhoeffer

Ja, kein geringerer als der tiefgläubige Bonhoeffer weist im Kern seiner Aussage auf die Selbstverantwortung hin, und nichteinmal der tiefste Glaube oder die Bewunderung für die "sittlichen Heroen" der Zeit kann einen davon freisprechen.

Gruß von Miriam
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Herrenmensch

dem Hernn Bonhoeffer müsste man sagen,
daß die Ich-Bezogenheit der falsche Weg zu Gott ist

die Angstzustände,
die die Menschen wegen
  • ihres ungeordneten Begehrens,
  • ihres feigen Verstummens,
  • ihrer Heuchelei und ihrer Unwahrhaftigkeit angesichts der Gewalt
  • ihrer Unbarmherzigkeit und ihrer Verleugnung der Ärmsten meiner Brüder
  • ihrer Untreue und ihres Abfalls von Christus
quälen,
sind das Werk des Teufels

Gottes Strafe ist nicht die Rache
sondern die systembedingte Konsequenz des Fehlverhaltens

im Dritten Reich war das System falsch

...und schon sind wir wieder im dilemma.

die Damaligen hätten das System mittels Glaube, Liebe, Hoffnung kippen können,
damit müssen die Damaligen leben und sterben
 
AW: Herrenmensch

dem Hernn Bonhoeffer müsste man sagen,
daß die Ich-Bezogenheit der falsche Weg zu Gott ist

die Angstzustände,
die die Menschen wegen
  • ihres ungeordneten Begehrens,
  • ihres feigen Verstummens,
  • ihrer Heuchelei und ihrer Unwahrhaftigkeit angesichts der Gewalt
  • ihrer Unbarmherzigkeit und ihrer Verleugnung der Ärmsten meiner Brüder
  • ihrer Untreue und ihres Abfalls von Christus
quälen,
sind das Werk des Teufels

Gottes Strafe ist nicht die Rache
sondern die systembedingte Konsequenz des Fehlverhaltens

Genauso sehe ich es auch.

Aber besonders den letzten Satz, den ich hervorgehoben habe, kann ich nur bejahen.

suche
 
AW: Herrenmensch

Wie stellt man fest, was "von Gott befohlen" ist? Wie unterscheidet sich das von dem, was ich mir in meinem Kopf so zusammendenke?

Nur weil etwas so pathetisch formuliert ist, ist es keine großartige Anleitung für "die Menschen".

scilla schrieb:
die Angstzustände,
die die Menschen wegen

....
....

sind das Werk des Teufels

Diese Liste hier - was willst du damit sagen?
Wo ist der, der dafür die Verantwortung hat? Wo sind die Werkzeuge Gottes bzw. des Teufels (um in dieser pathetischen Sprache weiterzuschwelgen), die die Konsequenzen ihrer Taten nun auch tragen müssen? Was sagt dieser Satz "sind das Werk des Teufels" denn aus? Der Teufel hat die Verantwortung, wir armen Menschen können uns nur fürchten vor diesem schrecklichen Einfluss?
Wie könnte man sich vor solchem Einfluss schützen? Indem man sich Gottes Willen beugt?
So schließt sich der Kreis.

Das kann doch nicht wirklich dein Ernst sein, scilla. Grad mit dem Verweis auf den Teufel würde man ja die Verantwortung für sein Handeln von sich wegschieben. Und damit ist man auch so schön im "Leo" gelandet, wie es ja viele Gottgläubige gern tun. Die Bösen, die Ungläubigen, die nicht daran glauben, dass der Teufel einen bösen Einfluss hat, die sind schuld dass es so viel Schlechtes auf dieser Welt gibt. Die Braven Gottgläubigen, die sind ja die Opfer, die geben also nur ihr Urteil ab über die Schlechtigkeiten auf der Welt.

Das Gefasel von "sittlichen Heroen seiner Zeit" ist Schwulst in Reinkultur, passt herrlich in die 1940er und zeigt, wie sehr hohe und hehre Gedanken die Wahrnehmung der Realität verschleiern können. Denn was die Menschen, die sich so in ihre geistigen Höhen hineinsteigern konnten, in ihrem alltäglichen Leben wirklich getan haben, das wurde ja (und wird auch uns so geschehen) erst im Nachhinein sichtbar.

GÖttlicher Wille, der zu erfüllen ist - Wer ist wirklich imstande, diesen einwandfrei zu erkennen?

Jedes Modell ist nur innerhalb des Systems, für das es entwickelt wurde, stimmig.
Daher kann ich auch diesem Satz, scilla

im Dritten Reich war das System falsch

...und schon sind wir wieder im dilemma.

die Damaligen hätten das System mittels Glaube, Liebe, Hoffnung kippen können,
damit müssen die Damaligen leben und sterben
nicht zustimmen.

Die Damaligen waren ein Teil des "falschen" Systems. Wie hätten sie es kippen können?

Wir sind Menschen. Wir wollen uns gern über uns selbst erheben, wenn wir solche Erklärungen formulieren, weil wir uns verstehen wollen. Leider erheben wir uns dabei oft nur über die Mitmenschen, wie leicht aus der Formulierung schon zu erkennen ist. "Die Menschen....., ihr....., " da sind die anderen gemeint, nicht der Schreiber selbst.

Die Überheblichkeit, eine Allgemeingültigkeit in der individuellen Erkenntnis gefunden zu haben, führt zu einem illusionären Gefühl von Wichtigkeit, das aber nichts als Aufgeblasenheit ist.

So viel von mir zum Thema "Herrenmensch".

lilith
 
AW: Herrenmensch

Kleiner Nachtrag:

Wenn schon Gott herangezogen wird, dann könnte man ja "Gott = Liebe" als Orientierungshilfe nehmen. Das Verständnis für einander und für unsere Welt würde sehr viel leichter entstehen, wenn wir das, was ist, einfach akzeptieren könnten. Dazu müssten wir es allerdings auch wirklich wahrnehmen. Aber wie soll das möglich sein, wenn jeder seine Vorstellungen davon, wie es sein soll, im Kopf hat? (Was ja bedeutet, dass wir "Gott = Richter" als Orientierungshilfe benützen.)
 
AW: Herrenmensch

quälen,
sind das Werk des Teufels

Gottes Strafe ist nicht die Rache
sondern die systembedingte Konsequenz des Fehlverhaltens

im Dritten Reich war das System falsch

Auch solche Behauptungen sind im Grunde genommen eine Abschwächung der Selbstverantwortlichkeit des Menschen. Sie sagen ja nichts anderes aus, als dass Gott sich der Fehlentscheidungen seiner Geschöpfe bedient um sie damit dann zu bestrafen.
Und das Werk des Teufels? Auch eine Verringerung der Entscheidungsfähigkeit bzw. der Verantwortlichkeit der Handlungen des Menschen. Denn der Mensch ist nur ein Ausführender, doch die Entscheidung für sein Handeln liegt beim Teufel.

Wenn dem so ist, müsste man die Geschichte des Dritten Reiches und der Rassentheorien die ihm als Fundament dienten, neu schreiben - und sich sogar fragen inwiefern die Bestrafung derjenigen die dies alles umgesetzt haben, gerecht war.
Alle diese Behauptungen die die Entscheidungsfähigkeit des Menschen in Frage stellen oder verringern, stellt auch das ganze Rechtssystem eines Staates in Frage.

Dass "im Dritten Reich das System falsch war" – muss man das tatsächlich nochmals erwähnen?
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Herrenmensch

Was ist ein Herrenmensch?

Es ist ein Mensch, der glaubt, zum Herrschen geboren zu sein. Er fühlt sich als etwas Besseres und braucht Menschen, die seine Sklaven sind.

Alle müssen seiner Meinung sein. Wenn sie es nicht sind, werden sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. Die Herrenmenschen schrecken dabei vor Lügen, Verleumdungen und Ärgerem nicht zurück.

Um noch mächtiger zu werden, vernebeln sie die Menschen, machen sie hörig und indoktrinieren sie mit ihren mörderischen Ideen. Es drängt sie, alle mit ihrem unmenschlichen Gedankengut zu verseuchen. Kriege sind die Folge.

Sie sind das Geschwür der Menschheit.

:teufel2:
 
AW: Herrenmensch

Hallo Lilith
Hallo Miriam

ich habe von Bonhoeffer außer dem obigen noch keinen Text gelesen,
deshalb kenne ich nicht den Gesamtkontext seiner Schrift(en)

für sich allein genommen
(also nur das Zitat, das Miriam verwendet hat)
ist der Text Käse

warum ist der Text Käse?

1) weil das 'Ich' eine große Rolle spielt
  • ich bin schuldig ...
  • viele Ichs, die gesündigt haben, bilden die Kirche

2) weil hier den Leuten pauschal ein schlechtes Gewissen eingeredet wird

was ist am Ich bzw. an den Ichs schlecht?

die Kirche besteht nicht aus vielen Ichs,
die Kirche verfolgt kein Gruppeninteresse

die Kirche besteht aus vielen Gemeinden
eine Gemeinde ist eine Zusammenkunft von Menschen,
die symbolisch ihre Bereitschaft zeigen,
anzupacken,
wenn ihnen Gott nur sagen würde,
was sie tun sollen

dadurch,
daß die Gemeinde eine offene Gruppierung ist,
lädt sie auch die Sünder dazu ein,
mitzumachen
(wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein)

dadurch,
daß es kein Ziel in Form eines Kompromisses oder eines Konsenses gibt,
reden und lauschen die Menschen (mit)einander​

was ist am pauschalen Verurteilen schlecht?

man kann Bonhoeffers Text als Rede eines Gemeindeteilnehmers im (fiktiven) Moment der (Leser)Gemeinde ansehen
(nämlich als dramatischen Appell)
aber nicht als abschließende philosophische Betrachtung

sonst stünde Bonhoeffer in der Tradition der Erbsünde​
 
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Hallo Lilith
Hallo Miriam

ich habe von Bonhoeffer außer dem obigen noch keinen Text gelesen,
deshalb kenne ich nicht den Gesamtkontext seiner Schrift(en)

für sich allein genommen
(also nur das Zitat, das Miriam verwendet hat)
ist der Text Käse

warum ist der Text Käse?

1) weil das 'Ich' eine große Rolle spielt
  • ich bin schuldig ...
  • viele Ichs, die gesündigt haben, bilden die Kirche

2) weil hier den Leuten pauschal ein schlechtes Gewissen eingeredet wird

was ist am Ich bzw. an den Ichs schlecht?

die Kirche besteht nicht aus vielen Ichs,
die Kirche verfolgt kein Gruppeninteresse

die Kirche besteht aus vielen Gemeinden
eine Gemeinde ist eine Zusammenkunft von Menschen,
die symbolisch ihre Bereitschaft zeigen,
anzupacken,
wenn ihnen Gott nur sagen würde,
was sie tun sollen

dadurch,
daß die Gemeinde eine offene Gruppierung ist,
lädt sie auch die Sünder dazu ein,
mitzumachen
(wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein)

dadurch,
daß es kein Ziel in Form eines Kompromisses oder eines Konsenses gibt,
reden und lauschen die Menschen (mit)einander​

was ist am pauschalen Verurteilen schlecht?

man kann Bonhoeffers Text als Rede eines Gemeindeteilnehmers im (fiktiven) Moment der (Leser)Gemeinde ansehen
(nämlich als dramatischen Appell)
aber nicht als abschließende philosophische Betrachtung

sonst stünde Bonhoeffer in der Tradition der Erbsünde​

Hallo scilla,

alles wunderbar, was Du so sagst, doch bleibt die Frage, was nun wirklich in Deinen philosophischen Vorstellungen ein Herrenmensch ist, bzw. was Du Dir darunter vorstellst, offen. Das aber würde mich in erster Linie interessieren, wahrscheinlich auch andere User und Gäste.

Wäre fein, wenn Du etwas darüber sagen würdest. Danke.

Mit dankbaren Grüßen

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