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Ursprung der Moral und Ethik

@Robin
Wow, ich habe den Roman vor cirka 4 Jahren gelesen. Konnte mich eigentlich nur noch an diese eine Szene erinnern. Danke für die Auffrischung. :)
Deine Erzählung von Davids Leben ist doch ein wunderbares Beispiel für mangelnde moralische Erziehung (von wem auch immer) und deren Konsequenz. Er ist vielleicht in seiner extremen Art eine pathologischer Sonderfall, aber die Tendenz ist keine Ausnahme.

Ich finde, man kommt beim Nachdenken über Moral selten zu widersprichsfreien Maximen
Nein! Das sehe ich anders. Die Maxime sind nicht widersprüchlich, der widerspruch entsteht, wenn ich mein unmoralisches Denken in moralisches transferieren möchte und es nicht 100% geht. Dann hast du ein Problem und deine Lösung heisst Erklärung der Moral selbst als schlecht bzw. unmoralisch.
In dem Sinne das Moral selber keine Norm mehr ist.

P.S. Wow, du kannst verdammt gut schreiben.
 
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Robin schrieb:
Es wäre allerdings sogar zu fragen, ob Moral (im Sinne eines dann schon festgeschriebenen Kanons) wirklich für das Zusammenleben "nötig" ist. .

auch wenns nicht ganz funktioniert ist es doch Idealismus,dass man Regeln aufstellt. Im nachhinein erweist sich,wie du sagst,immer dass die regeln, die Moral es nicht verhindern haben, dennoch muss man um sich selbst zu beruhigen, Normen aufstellen. In gewissen Maß bringts ja auch was,oder? Verbrecher,....

<<<da sie eigentlich die Nächstenliebe in sich genetisch tragen,>>>

? ich denk ich versteh was du meinst, klingt aber etwas komisch...
 
Robin schrieb:
Ich bezweifle generell, dass Moral ein Code ist, an dem man sich ausrichten kann. Vielmehr ist sie ein Bewertungs- und Beurteilungsinstrument.
.
Da kann ich so schnell gar ncihts dagegen einwenden. Dieser dein Satz macht irgendwie klar,dass man sich selber nicht so viele gedanken darueber macht,warum man so und nicht anders handelt,warum man ....NICHT tut.wir uebernehmen einfach das was wir lernen, was uns anerzogen wird.

@FUSSELHIRN:"Also kann man nicht sagen: Der Mensch an sich ist im Innern roh und animalisch und würde ohne Moral einfach nur wild um sich beißen."

Ja, eben. Der mensch ist nicht nur >böse< sondern es gibt ja aus unserer unmittelbaren Erfahrung Beispiele von Anderem. Es gibt menschen die, anderen helfen, sich anderer annehmen, etc. - selbstlos handlen.
 
wer oder was ist Houellebecq ?für mich kleinen banausen,der davon wahrscheinlich meines alters wegen noch nichts gehört hat. :winken1:
 
Robin schrieb:
muss man einem Kind wirklich erklären, dass es ein anderes nicht töten soll?!
Es ist, wie die Pädagogik der palästinensischen Befreiungsorganisation seit Beginn der zweiten Intifada deutlichst zeigt, kein Problem, ein Kind dazu zu bringen, sogar sein Leben für eine Sache hinzugeben, die es nach unseren Begriffen noch gar nicht kennen kann: die Vernichtung des Feindes.
Also wird Deine rhetorische Frage zu einer konkreten, und die Antwort lautet: Ja, man muß einem Kind den Respekt vor dem eigenen Leben beibringen, und man muß ihm den Respekt vor dem Leben eines Anderen beibringen.

Aber man muß gar nicht so ein krasses Beispiel bemühen.
Noch nie beobachtet, daß ein zweijähriges Mädchen gegenüber dem acht Monate alten Brüderchen einen zutiefst empfundenen Vernichtungswunsch hegt?

(Das mußte ganz nebenbei einmal gesagt werden.)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gaius schrieb:
Es ist, wie die Pädagogik der palästinensischen Befreiungsorganisation seit Beginn der zweiten Intifada deutlichst zeigt, kein Problem, ein Kind dazu zu bringen, sogar sein Leben für eine Sache hinzugeben, die es nach unseren Begriffen noch gar nicht kennen kann: die Vernichtung des Feindes.
Also wird Deine rhetorische Frage zu einer konkreten, und die Antwort lautet: Ja, man muß einem Kind den Respekt vor dem eigenen Leben beibringen, und man muß ihm den Respekt vor dem Leben eines Anderen beibringen.
Das ist für mich eben ein Beispiel dafür, dass Tötungsgedanken eben von außen herangetragen werden von Leuten, die das dann auch noch moralisch bemänteln ("Es ist gut, sein Leben für den Befreiungskampf zu geben...") Eine Ausnahme mag sein
Noch nie beobachtet, daß ein zweijähriges Mädchen gegenüber dem acht Monate alten Brüderchen einen zutiefst empfundenen Vernichtungswunsch hegt?

Das ist ein aggressiver Reflex. Aber ist es auch eine Frage der Moral? Ich nehme an, dass schon im Verhalten der Eltern etwas schief gegangen ist, wenn die Aggressivität des Mädchens bedrohlich wird. Aber das will ich nicht letztendlich beurteilen.
Dennoch glaube ich, dass eine vornehmlich "moralische" Erziehung nichts bringt. Typisches Beispiel für Kinder, die vor allem nach moralischen und weniger nach Aspekten der Liebe und Geborgenheit erzogen wurden, sind doch Klosterschüler/innen. Sie wachsen mit einer ständigen Präsenz von Geboten und Verboten auf. Und selbst wenn sie verstehen, was hinter den Verboten steht - handeln sie später moralischer? Das Gegenteil ist der Fall! Viele sind emotional gestört, und diese emotionale Störung ist der Boden für Aggression und Frustration und damit der Nährboden für unmoralisches Verhalten.
 
instanton schrieb:
wer oder was ist Houellebecq ?für mich kleinen banausen,der davon wahrscheinlich meines alters wegen noch nichts gehört hat. :winken1:

Ein so genannter "umstrittener" Schriftsteller. In Elementarteilchen erzählt er die Geschichte von zwei Halbbrüdern, die beide emotional gestört sind. Der eine kompensiert dies in einer Sexsucht (dabei stößt er auch auf diesen "David") der andere flüchtet sich in wissenschaftliche Arbeit. Houellebecq zeichnet ein extrem negatives Bild der europäischen Gesellschaften. Seine These ist, dass die sexuelle Revolution nicht zu einer inneren Befreiung geführt hat, sondern vielmehr das Feld der Liebe einem krassen Konkurrenzkampf preisgegeben hat. Näheres im Thread "Franzen vs. Houellebecq"
https://www.denkforum.at/threads/1325&highlight=Franzen
 
Robin schrieb:
Das ist für mich eben ein Beispiel dafür, dass Tötungsgedanken eben von außen herangetragen werden von Leuten, die das dann auch noch moralisch bemänteln ("Es ist gut, sein Leben für den Befreiungskampf zu geben...")
"Von außen" ist gut. Den Menschen schon von Kindesbeinen an beizubringen, daß es gut sei, den Märtyrertod zu sterben, ist dem Islamfaschismus wesentlich und ganz und gar keine Äußerlichkeit, sowenig wie der Heldentod der deutschnationalen Kriegsideologie etwas "von außen" an den Einzelnen herangetragenes war. Der Haß - im einen Falle gegen Israel, im anderen gegen Frankreich oder die slawischen Völker - ist / war Teil der kulturellen Selbstvergewisserung und wird damit eben zu einer Frage der ? - gesamtgesellschaftlichen Moral. Diese ist lediglich anders gefaßt, als sich der moderne Westeuropäer "Moral" so vorstellt. Die Moral des Partisanen, die Moral des Terrors, die Moral der nationalistisch aggressiven Abgrenzung...

Kriege werden nie aus Gründen der Moral oder der Unmoral geführt. Sondern um Interessen durchzusetzen.
Bestes Gegenbeispiel: die Beteiligung Deutschlands am 1. Weltkrieg. Das außenpolitisch weitgehend isolierte Deutsche Reich ist da trotzig immer weiter hinein getaumelt, ohne je klare Vorstellungen von Ziel und Zweck dieses Krieges zu haben. Außer vielleicht der Wiederherstellung einer als beschädigt angesehenen nationalen Ehre. So gesehen wäre das ein aus moralischen Gründen geführter Krieg gewesen. (Aber vielleicht ist irgendein Historiker schlauer als ich und kann erklären, was für handfeste Interessen hinter der deutschen Beteiligung an diesem Krieg standen.)

Das ist ein aggressiver Reflex. Aber ist es auch eine Frage der Moral?
Es ging beim Beispiel des aggressiven Mädchens darum, daß zu zeigen war, daß die Achtung vor dem Leben des anderen, ebenso wie die Achtung vor dessen Eigentum etc. pp. Kindern und Jugendlichen nun einmal beigebracht werden müssen. Daß sie es nicht von selbst aus sich heraus entwickeln, kann man auf den Straßen einiger Stadtteile Berlins oder Hamburgs alltäglich erleben. Erziehung ist eine die Moral betreffende Frage wie alle Fragen, die Werte und Normen betreffen.

Ich hoffe, daß dadurch auch deutlich wird, daß Moral in keinem Fall etwas Naturgegebenes darstellt. Die Entwicklung von Regeln erfolgte in den Urgesellschaften aus Naturzwängen heraus (Selbsterhaltung); die Formulierung einer Moral bildet dann eine weitere Stufe der Abstraktion. Der Sinn von klar definierter gesellschaftlicher Moral ist letztlich ein ökonomischer: verbindlich zu Tuendes und zu Unterlassendes soll Konflikte vermeiden helfen. Allerdings neigen hoch moralische Gesellschaften zur Statik, Unveränderlichkeit, und zersetzen sich schließlich aufgrund ihrer Unbeweglichkeit von innen heraus, da sie auf neue innergesellschaftliche Entwicklungen nicht anders reagieren können als durch Gewalt. Sie degenerieren. Oder sie werden als Ganze anfällig für totalitäre Herrschaft, die ihre Normfestigkeit hinterrücks ausnützt.
 
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@gaius
... daß Moral in keinem Fall etwas Naturgegebenes darstellt.
So ähnlich wollte ich das auch gerade schreiben.
Moral ist etwas von "oben" (Religionsführer, Herrscher, Staatsführung) verordnetes, das uns durch Erziehung erst beigebracht wird.
Ein Kleinkind, das sein Baby-Brüderchen seine Aggressionen spüren lässt, lernt erst durch die Reaktion seiner Eltern, dass das kein erwünschtes ("richtiges") Verhalten ist. Die Kindersoldaten, die in der Atmospäre des Hasses gegen einen Feind aufwachsen, handeln moralisch "richtig", weil es dem entspricht, was sie gelernt haben.

Wir alle haben doch laufend damit zu tun, die Moral unserer Vorfahren auf ihre Gegenwartstauglichkeit zu überprüfen. Wir haben heutzutage durch die globale Informationsvielfalt ja sehr viel mehr Möglichkeiten, die verschiedenen Moralvorstellungen zu vergleichen. Das gehorsame Befolgen einer Moral, die in einer Gemeinschaft formuliert wird, ist nicht mehr so ohne weiteres durchführbar, sobald ich auch mitkriege, dass in einer anderen Gruppierung ganz andere Spielregeln gelten.

Da sind wir gefordert, unsere persönliche Moral zu entwickeln und auch zu leben, selbst wenn sie im Gegensatz zur "allgemein gültigen" Moral steht. (Wie z.B. auch in den Kriegsverbrecherprozessen sichtbar wurde und wird. Als Soldat hat man "seine Pflicht getan", aber aus "menschlicher" Sicht war man ein Mörder.)

Das ist mMn auch eine Ursache des Konflikts, der zwischen Mitgliedern der Katholischen Kirche und demokratischen Staaten besteht. Hier gilt Gehorsam und Glauben, dort ist Mitdenken und Mitbestimmung gefragt. Was hier als richtig und anerkennenswert betrachtet wird, ist dort Ursache von Unverständnis und "Fehlverhalten".

Ein Aspekt ist noch nicht (oder nur am Rande) erwähnt worden: Es geht nicht nur um Konfliktvermeidung, sondern oft auch um Machtausübung. Die Spielregeln werden dabei willkürlich formuliert, von einer kleinen Gruppe kontrolliert und auch geahndet.

herzlich
lilith
 
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