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Hannah Ahrendt

EarlGrey

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Registriert
5. September 2007
Beiträge
3.475
ich war heute im kino....
bei hannah ahrendt ging dort insbesondere um ihre auseinandersezung mit eichmann
kann ich nur weiterempfehlen

herausragend ist ihre erkenntnis des bösen.... "die banalität des bösen ..... " . aber hört selber..




http://www.hannaharendt-derfilm.de/



HANNAH ARENDT
Vielleicht, und das nur als Ausnahme, erlauben Sie mir heute zu rauchen. Und zwar sofort.
Als der New Yorker mich beauftragte über das Gerichtsverfahren gegen Adolf Eichmann zu berichten, war
ich der Ansicht, dass bei einem Prozess nur eines von Interesse sein kann: der Forderung nach Gerechtigkeit
Folge zu leisten.
Das war keine einfache Aufgabe. Denn das Gericht, das ein Urteil fällen sollte, war mit einem Verbrechen
konfrontiert, das in den Gesetzbüchern nicht zu finden war, und einem Verbrecher, dessen Typus keinem
Gericht vor den Nürnberger Prozessen bekannt war.
Aber dennoch, die Richter mussten Adolf Eichmann als einen Menschen beurteilen, der für seine Taten
unter Anklage stand. Es stand kein System vor Gericht. Nicht die Geschichte und kein Ismus. Noch nicht
einmal Anti-Semitismus. Sondern ausschließlich eine Person.
Das Problem mit einem Naziverbrecher wie Eichmann war, dass er darauf bestand, sich selbst als Person zu
verleugnen, als ob niemand mehr übrig gewesen wäre zum Bestrafen oder Vergeben. Er protestierte ein ums
andere Mal, im Gegensatz zu den Anschuldigungen des Staatsanwalts, dass er zu keiner Zeit irgendetwas
aus Eigeninitiative getan habe. Und er habe auch keinerlei „Intentionen“ gehabt, egal welche, weder gute
noch böse. Er sagte, er hätte ausschließlich Befehle befolgt. Diese typische Nazi-Ausrede macht uns klar,
dass das Böseste in der Welt das Böse ist, das begangen wird von „Nobodies“. Böses, begangen von Menschen ohne jedes Motiv. Ohne Überzeugungen, ohne bösen Charakter oder dämonischen Willen, von
menschlichen Wesen, die sich weigern Individuen zu sein. Und es ist dieses Phänomen, das ich bezeichne
als „Banalität des Bösen.“
PROFESSOR MILLER
Miss Arendt, Sie klammern den wichtigsten Teil der Kontroverse aus. Sie haben behauptet, dass weniger
Juden gestorben wären, wenn ihre Anführer nicht kooperiert hätten.
HANNAH ARENDT
Das Thema kam während der Verhandlung auf, ich habe davon berichtet, das ist alles. Allerdings musste ich
die Rolle der jüdischen Räte verdeutlichen, die direkt an Eichmanns Aktivitäten beteiligt waren.
PROFESSOR MILLER
Sie geben dem jüdischen Volk die Schuld an seiner eigenen Vernichtung!
HANNAH ARENDT
Ich habe nie dem jüdischen Volk die Schuld gegeben! Widerstand war nicht möglich. Aber vielleicht gibt es
noch etwas, etwas zwischen Widerstand und Kooperation. Und nur in diesem Sinne stelle ich die Frage, ob
sich nicht vielleicht eine Reihe von jüdischen Räten anders hätte verhalten können. Es ist fundamental wichtig,
uns diese Fragen zu stellen. Und zwar weil die Rolle der jüdischen Räte in erschreckender Weise Aufschluss gibt über die Totalität des moralischen Zusammenbruchs, den die Nazis ausgelöst haben in achtbaren europäischen
Gesellschaften. Und das nicht nur in Deutschland, sondern in fast allen Ländern. Und nicht nur in den Reihen
der Verfolgern, sondern ebenso bei den Opfern.
ELISABETH
Die Verfolgung war gegen die Juden gerichtet. Wieso beschreiben Sie Eichmanns Vergehen als ein Verbrechen
gegen die Menschheit?
HANNAH ARENDT
Ganz einfach: Juden sind Menschen. Genau diesen Status wollten die Nazis ihnen absprechen. Ein Verbrechen
gegen Juden ist schon per Definition ein Verbrechen gegen die Menschheit.
Ich bin, wie Sie natürlich alle wissen, Jüdin. Und mir ist vorgeworfen worden, ich sei eine selbsthassende
Jüdin, die Nazis verteidigt, und ihr eigenes Volk verachtet.
Das ist kein wirkliches Argument. Das ist nichts anderes als Rufmord! Ich habe keine Verteidigung von Eichmann geschrieben, sondern eine Übereinstimmung gesucht zwischen der schockierenden Mittelmäßigkeit
des Mannes mit seinen erschütternden Taten. Es zu verstehen, ist nicht dasselbe wie Vergeben. Ich sehe es
als meine Verantwortung an, zu verstehen. Es ist Pflicht und Aufgabe eines jeden, der es wagt, über dieses
Thema etwas zu Papier zu bringen.
Seit Sokrates und Platon, bezeichnen wir als „Denken“, den stillen Dialog zwischen mir und mir selbst. Indem
er sich geweigert hat, eine Person zu sein, hat Eichmann die entscheidende Fähigkeit die erst einen Menschen
ausmacht, vollständig aufgegeben, nämlich die Fähigkeit, selbst zu denken. Infolgedessen war er nicht mehr
imstande, moralische Urteile zu fällen. Dieses Unvermögen, zu denken, schaffte erst die Voraussetzung für
viele ganz gewöhnliche Menschen, abscheulichste Taten in einem gigantischen Ausmaß zu begehen, dergleichen
man noch nie gesehen hatte. Noch nie zuvor.
Es ist wahr. Ich habe diese Fragen auf eine eher philosophische Weise betrachtet. Nutzen oder auch Gewinn
vom „Wind des Denkens“ ist nicht Erkenntnis, sondern unterscheiden zu können zwischen richtig und falsch und
zwischen schön und hässlich. Und ich hoffe, das Denken gibt den Menschen die Kraft, eine mögliche Katastrophe
zu verhindern, in solch entscheidenden Momenten wenn schon alles verloren scheint. Ich danke Ihnen
 
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AW: Hannah Ahrendt

herausragend ist ihre erkenntnis des bösen..... aber hört selber..




http://www.hannaharendt-derfilm.de/

Sie bringt "gut" und "böse" mit Moral in Verbindung.


Was "gut" und was "böse" ist, kann aber objektiv nicht festgestellt werden. Und sind "gut" und "böse" nicht vielmehr evolutionär gewachsen? Als Rudimente bzw nach wievor Elemente der Arterhaltung?
 
AW: Hannah Ahrendt

Was "gut" und was "böse" ist, kann aber objektiv nicht festgestellt werden.


Doch, es kann ganz klar gesehen und definiert werden. Es sind ganz eindeutig zwei ganz entgegengesetzte Dinge, Pole.
Wie man sie relativiert und ins Verhältnis setzt, steht auf anderem Blatt.
Für manches Böse gibt es auch keine Entschuldigung. Wenn Menschen Menschen in Massen töten, gibt es keine Entschuldigung.
Es gibt allerdings genügend Leute, die sowas relativieren und somit das Böse rechtfertigen.
 
AW: Hannah Ahrendt

Doch, es kann ganz klar gesehen und definiert werden. Es sind ganz eindeutig zwei ganz entgegengesetzte Dinge, Pole.
Wie man sie relativiert und ins Verhältnis setzt, steht auf anderem Blatt.
Für manches Böse gibt es auch keine Entschuldigung. Wenn Menschen Menschen in Massen töten, gibt es keine Entschuldigung.
Es gibt allerdings genügend Leute, die sowas relativieren und somit das Böse rechtfertigen.

Das was ganz klar gesehen und definiert wird, variert von Gesellschaft zu Gesellschaft und auch von Zeit zu Zeit.

Ist es also demnach objektiv?

Ich will das Böse nicht rechtfertigen.
 
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AW: Hannah Ahrendt

ich war heute im kino....
bei hannah ahrendt ging dort insbesondere um ihre auseinandersezung mit eichmann
kann ich nur weiterempfehlen



Ich habe den Film auch gesehen, ich mag ihn nicht empfehlen.
Man muß sich schon für das Leben von Frau Ahrendt interessieren, die Verfilmung konnte mich nicht an den unbequemen Sessel im Saal 2 des Scalas fesseln. Mir bleibt in Erinnerung, daß im Film sehr sehr viel geraucht wurde.


 
AW: Hannah Ahrendt

Ich habe den Film auch gesehen, ich mag ihn nicht empfehlen.
Man muß sich schon für das Leben von Frau Ahrendt interessieren, die Verfilmung konnte mich nicht an den unbequemen Sessel im Saal 2 des Scalas fesseln. Mir bleibt in Erinnerung, daß im Film sehr sehr viel geraucht wurde.



Mein Gott, was die Leute alle ins Kino gehen...
 
AW: Hannah Ahrendt

Mein Gott, was die Leute alle ins Kino gehen...


Erzählen Sie doch nichts. Haben Sie eine Ahnung, wie wenig die Leute ins Lichtspieltheater gehen?


Der Deutsche Bürger geht im Jahr 1,5 mal ins Kino.

http://www.hufenreuter.net/statistik.htm


Ich liebe Kino. Allerdings muß ich so zehn- bis zwanzigmal einen Film versuchen, bis ich sagen kann, das war berührend. Das nehme ich gerne in Kauf. Inzwischen kann ich kaum noch fernsehen, es ist mir zu blöde, also muß ich Filme im Kino sehen; ich brauche einen dunklen warmen, möglichst leeren Raum, um in den Film reinzukommen. Das klappt ein paarmal im Jahr, und dann ist es wunderbar. Und die vielen anderen Male sind immerhin noch besser als Fernsehen.
 
AW: Hannah Ahrendt

ich war heute im kino....
bei hannah ahrendt ging dort insbesondere um ihre auseinandersezung mit eichmann
kann ich nur weiterempfehlen

herausragend ist ihre erkenntnis des bösen.... "die banalität des bösen ..... " . aber hört selber..




http://www.hannaharendt-derfilm.de/

:danke: für den link ...
Es gab zum Glück zu allen Zeiten kluge, differenziert-selbst-denkende Frauen, auch wenn die Geschichte der Philosophie in 1. Linie eine Männer-Angelegenheit war ....​
 
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AW: Hannah Ahrendt

Seit Sokrates und Platon, bezeichnen wir als „Denken“, den stillen Dialog zwischen mir und mir selbst. Indem
er sich geweigert hat, eine Person zu sein, hat Eichmann die entscheidende Fähigkeit die erst einen Menschen ausmacht, vollständig aufgegeben, nämlich die Fähigkeit, selbst zu denken. Infolgedessen war er nicht mehr imstande, moralische Urteile zu fällen. Dieses Unvermögen, zu denken, schaffte erst die Voraussetzung für viele ganz gewöhnliche Menschen, abscheulichste Taten in einem gigantischen Ausmaß zu begehen, dergleichen
man noch nie gesehen hatte.


Fragt sich nur, WARUM Eichmann und viele andere Menschen diese Fähigkeit aufgegeben haben!
Konnten sie sie aufgrund ihrer Lebensumstände vielleicht auch gar nicht erst entwickeln?
Oder wurde ihnen die Fähigkeit vermittels Methoden der schwarzen Pädagogik brutal ausgetrieben?
Und das Ausmaß der Taten war vielleicht neu - aber sicher nicht die Tatsache, dass Menschen zu sowas fähig sind und es auch tun, selbst!
 
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