Es ist deshalb kaum überraschend, daß seit Platon eine – zugegebenermaßen etwas eigenwillige und einseitige – Definition der Philosophie lautet: "Philosophieren heißt sterben lernen."1 Philosophieren, so will Platon damit sagen, heiße, sich mit dem Tod beschäftigen, sich auf den Tod vorbereiten, heiße Selbstbesinnung und Umkehr angesichts des Sterbenmüssens. Die Formel, daß Philosophieren sterben lernen sei, ist oft wiederholt worden, etwa von Cicero oder dann wieder besonders eindringlich von Michel de Montaigne.
Eine solche Definition der Philosophie mag auf den ersten Blick als lebensfeindlich erscheinen. Sollte die Aufgabe der Philosophie nicht eher darin bestehen, leben zu lernen? Gewiß, und so steht denn auch seit jeher dem Satz "Philosophieren heißt sterben lernen" der andere gegenüber: "Philosophieren heißt leben lernen". Doch der Widerspruch zwischen diesen beiden Aussagen ist nur scheinbar, denn der zweite Satz wiederholt einfach in anderen Worten, was der erste besagt. In diesem Sinne stellt etwa Montaigne denn auch ausdrücklich fest: "Wer die Menschen sterben lehrte, der würde sie zugleich auch leben lehren."