Volkskunde und Kommunikation
Salut Fritz
Die Stringenz erwähnte ich bereits. Eine weitere Voraussetzung gelungener Kommunikation ist die Bereitschaft, sich bei Unklarheiten oder Unsicherheiten die Zeit zu nehmen, um die problematischen Punkte zu klären.
Und wie steht es, soweit Du weisst, mit der Ethnologie?
Käme hier evtl. auch 'ein gerüttelt Mass' zur Anwendung? Sei's drum!
Ich kann mir keinen Urteil über die Volksmusikhitparade bilden, ich kenne sie nicht und habe auch keinen besonderen Wunsch, sie kennenzulernen. Interessant wäre für mich allenfalls zu erfahren, welche Attribute Du für die Hörer von z.B. Ethno-Jazz, Ethno-Beat oder Ethno-Pop verwendest.
Aber zurück zur Literatur/Volksliteratur/ zum Volksmärchen:
Ich kann und will Dich nicht daran hindern, dass Du weiterhin die Märchenkunde, die int. Erzähl- oder die vergleichende Märchenforschung ignorieren möchtest. Auch nicht daran, dass Du Menschen wie Prof. Heinz Rölleke, Dr. Max Lüthi, Dr. Siegfried Schödel oder den (politisch) umstrittenen Dr. Kurt Ranke ignorierst, aber ich glaube mich zu erinnern, dass Du irgendwo erwähntest, Du unterrichtest Deutsch. Nun, ist es dann nicht eher etwas problematisch, Dich zu weigern, zwischen dem Volks- und dem Kunstmärchen zu unterscheiden?
Gewiss. Gegen 'copy & paste' habe ich doch nichts, aber so viel Zeit sollte sein, um die Quelle anzugeben.
Hast Du die Vorlagen mit der Bearbeitung verglichen, um es mit dieser Bestimmtheit sagen zu können?
Du stellst die Leistung eines 'Bearbeiters' über die Fantasie eines Urhebers, richtig? Eine hübsche Idee, wenn auch nicht ganz unproblematisch. Du bist also der Meinung, ich könnte die Grimmschen Märchen modernisieren, ein paar Namen ändern und z.B. ins Portugiesische übertragen und mich anschliessend als neuer Märchenautor feiern lassen?
Lass uns darauf ganz schnell anstossen, bevor mich die Anwälte 'um Haus und Hof' bringen -grins

Heute? Die Brüder Grimm sind seit fast bzw. genau 150 Jahren tot. Aber ich weiss, was Du meinst und das stimmt auch so. Die 'literarische Leistung', die ich meinte, war, dass sie die Märchen 'sauber' machten. Sie 'kämmten' sie dem damaligen Geschmack des gehobenen Lesers bzw. Vorlesers (im Gegensatz zum volkstümlichen Erzähler) entsprechend. Böse Zungen könnten sogar auf die Idee kommen, genau an dieser Stelle etwas vom 'Dummohrigen', 'clever' und 'Reissbrett' zu schreiben -grins.
Ich möchte aber den Brüdern Grimm keine böse oder gar monetäre Absicht unterstellen. Sie haben die Märchen bereinigt, d. h. neben den altertümlichen auch gleich alle derben und deftigen Ausdrücke entfernt.
Die romanischen Sammler!
Das, was ich bei den Brüdern Grimm betr. der 'Aufbereitung' der Märchen anführte, schrieb Wilhelm Hauff ganz offen in die Titel seiner Märchen-Almanache - 'für Söhne und Töchter gebildeter Stände'. Merci für die Krücke.
Pardon! Ich werde in Zukunft ausser '-grins' meine sicher unerwünschten Scherze noch speziell anschreiben. Dass ich darauf verzichten werde, kann ich leider nicht versprechen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dich noch -als Erbsenzähler- darauf hinweisen, dass sich die reizende Dame, die neben Ursus auf der Bühne steht und Deinen Humor exakt trifft, nicht Nadeschta sondern Nadeschkin nennt ('bürgerlich' Nadia Sieger). Es passt nämlich auch sonst gut zum Thema 'Bearbeitung von Vorlagen'. Das Programm 'Im Orchester graben', eine Koproduktion mit dem Symphonieorcherster Camerata Schweiz erlebt der Zuschauer/-hörer Beethovens 'Schicksalssymphonie' auf eine ganz spezielle Art und Weise. Es ist eine sehr schöne Be-Arbeit-ung. Gelten Ursus und Nadeschkin neu auch als Komponisten? Nur ein kleiner Scherz.
Ich betrachte sie nicht als gleichbedeutend. Jedenfalls nicht immer. Ich unterscheide z.B. sehr streng zwischen Gott Apollon in der llias von (vermutlich) Homer und King Elvis und auch zwischen Göttin Athene in der 'Odyssee' von (ebenfalls vermutlich) Homer und dem Mythos Marilyn Monroe.
In dieser Diskussion jedoch scheint mir die Unterscheidung irrelevant.
Ein Mythos ist eine Erzählung, das veraltete Wort dafür 'eine Mär', woraus sich dann das Märchen entwickelte. Die Sage gehört in die selbe Kategorie, ohne dasselbe zu sein, ist aber ebenfalls eine Mär.
Die Brüder Grimm sammelten neben Märchen auch Sagen und Mythen, deshalb verwendete ich den Sammelbegriff 'lauter urdeutscher Mythus'.
Bei Dir scheint mir dir Unterscheidung in diesem Falle darin zu bestehen, dass Du die Volksmärchen ruhigen Gewissens den Brüdern zuschreibst, die Sagen jedoch nicht. Warum? Sie bearbeiteten auch die Sagen. Sind es also nur die Zeittafeln, die es Dir nicht erlauben, die Sagen gleich zu behandeln?
Die Mythologie ist nicht anderes als die Sagen'welt'. Die Sagenforschung lässt Du gelten? Es gibt ebenfalls Volkssagen, die (mit) Inhalt dieser Forschung sind und gleich wie die Volksmärchen in der Literaturwissenschaft behandelt werden.
Ich empfehle 'einen Blick' in das Sagen-Archiv am Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde (79100 Freiburg i.B., Goethestrasse 63).
Gruss
Jérôme
das ist ja wieder ein gerüttelt Maß, was du da bietest.
Salut Fritz
Die Stringenz erwähnte ich bereits. Eine weitere Voraussetzung gelungener Kommunikation ist die Bereitschaft, sich bei Unklarheiten oder Unsicherheiten die Zeit zu nehmen, um die problematischen Punkte zu klären.
Soweit ich weiß, ist der Begriff Volksliteratur so obsolet wie Volkslied, wenn damit die Herkunft und Entstehung gemeint ist.
Und wie steht es, soweit Du weisst, mit der Ethnologie?
Jeder Text hat einen Autor; wenn man ihn auch oft nicht kennt. Während der Nazizeit wurde die Lorelei in Lesebücher abgedruckt mit der Herkunftsangabe: "Volkslied", obwohl jedermann wusste, dass das Gedicht von Heinrich Heine stammt.
Diese Begriffe werden heute im Sinne von "die Leute mögen das" gebraucht. So hörst du in der "Volksmusikhitparade sicher kein einziges Lied, das "im Volk" entsatanden ist. Da sitzen in den Studios clevere Volksgeschmackbelauscher, die auf dem Reißbrett konstruieren, was den dummohrigen Hörern reingeht wie ein Honigeinlauf!
Käme hier evtl. auch 'ein gerüttelt Mass' zur Anwendung? Sei's drum!
Ich kann mir keinen Urteil über die Volksmusikhitparade bilden, ich kenne sie nicht und habe auch keinen besonderen Wunsch, sie kennenzulernen. Interessant wäre für mich allenfalls zu erfahren, welche Attribute Du für die Hörer von z.B. Ethno-Jazz, Ethno-Beat oder Ethno-Pop verwendest.
Aber zurück zur Literatur/Volksliteratur/ zum Volksmärchen:
Ich kann und will Dich nicht daran hindern, dass Du weiterhin die Märchenkunde, die int. Erzähl- oder die vergleichende Märchenforschung ignorieren möchtest. Auch nicht daran, dass Du Menschen wie Prof. Heinz Rölleke, Dr. Max Lüthi, Dr. Siegfried Schödel oder den (politisch) umstrittenen Dr. Kurt Ranke ignorierst, aber ich glaube mich zu erinnern, dass Du irgendwo erwähntest, Du unterrichtest Deutsch. Nun, ist es dann nicht eher etwas problematisch, Dich zu weigern, zwischen dem Volks- und dem Kunstmärchen zu unterscheiden?
Bequemlichkeit; markieren und kopieren geht schneller als händisch schreiben.
Gewiss. Gegen 'copy & paste' habe ich doch nichts, aber so viel Zeit sollte sein, um die Quelle anzugeben.
Nun, ich meine, dass eine Bearbeitung eine literarische Leistung darstellt, die es rechtfertigt, den Bearbeiter als Autor zu betrachten. Zumal wenn Vorlage und Bearbeitung so differenzieren wie bei den Grimmschen Märchen. Das was als der typische Märchenton bei den Grimms angesehen wird, geht nicht auf die Vorlage zurück, sondern ist der Bearbeitung geschuldet.
Hast Du die Vorlagen mit der Bearbeitung verglichen, um es mit dieser Bestimmtheit sagen zu können?
Du stellst die Leistung eines 'Bearbeiters' über die Fantasie eines Urhebers, richtig? Eine hübsche Idee, wenn auch nicht ganz unproblematisch. Du bist also der Meinung, ich könnte die Grimmschen Märchen modernisieren, ein paar Namen ändern und z.B. ins Portugiesische übertragen und mich anschliessend als neuer Märchenautor feiern lassen?
Lass uns darauf ganz schnell anstossen, bevor mich die Anwälte 'um Haus und Hof' bringen -grins

Da kann ich nicht zustimmen; sie ersetzten altertümliche, sprich veraltete Ausdrücke, durch solche, die heute als volkstümlich betrachtet werden.
Heute? Die Brüder Grimm sind seit fast bzw. genau 150 Jahren tot. Aber ich weiss, was Du meinst und das stimmt auch so. Die 'literarische Leistung', die ich meinte, war, dass sie die Märchen 'sauber' machten. Sie 'kämmten' sie dem damaligen Geschmack des gehobenen Lesers bzw. Vorlesers (im Gegensatz zum volkstümlichen Erzähler) entsprechend. Böse Zungen könnten sogar auf die Idee kommen, genau an dieser Stelle etwas vom 'Dummohrigen', 'clever' und 'Reissbrett' zu schreiben -grins.
Ich möchte aber den Brüdern Grimm keine böse oder gar monetäre Absicht unterstellen. Sie haben die Märchen bereinigt, d. h. neben den altertümlichen auch gleich alle derben und deftigen Ausdrücke entfernt.
Das verstehe ich garnicht. Wer waren die "romantischen `Sammler, wenn nicht die Grimms, Von Arnim/Brentano, Musäus, Hauff, Bechstein ...
Die romanischen Sammler!
Perrault war ein Märchen-Sammler wie nach ihm auch die deutschen Brüder Grimm und vor ihm der Italiener Basile. Die Grimms entschärften meist die Geschichten bzw. bereinigten sie von volkstümlichen Ausdrücken, während die romanischen Sammler ihnen die Authentizität eher voll liessen, ihnen aber trotzdem einen eigene Note verliehen.
Das, was ich bei den Brüdern Grimm betr. der 'Aufbereitung' der Märchen anführte, schrieb Wilhelm Hauff ganz offen in die Titel seiner Märchen-Almanache - 'für Söhne und Töchter gebildeter Stände'. Merci für die Krücke.
Das klingt nun aber denn doch ein wenig nach Erbsenzählerei!
Pardon! Ich werde in Zukunft ausser '-grins' meine sicher unerwünschten Scherze noch speziell anschreiben. Dass ich darauf verzichten werde, kann ich leider nicht versprechen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Dich noch -als Erbsenzähler- darauf hinweisen, dass sich die reizende Dame, die neben Ursus auf der Bühne steht und Deinen Humor exakt trifft, nicht Nadeschta sondern Nadeschkin nennt ('bürgerlich' Nadia Sieger). Es passt nämlich auch sonst gut zum Thema 'Bearbeitung von Vorlagen'. Das Programm 'Im Orchester graben', eine Koproduktion mit dem Symphonieorcherster Camerata Schweiz erlebt der Zuschauer/-hörer Beethovens 'Schicksalssymphonie' auf eine ganz spezielle Art und Weise. Es ist eine sehr schöne Be-Arbeit-ung. Gelten Ursus und Nadeschkin neu auch als Komponisten? Nur ein kleiner Scherz.
Dir scheinen "Mythen" und "Märchen" gleichbedeutende Begriffe zu sein. Dem ist nicht so!
Ich betrachte sie nicht als gleichbedeutend. Jedenfalls nicht immer. Ich unterscheide z.B. sehr streng zwischen Gott Apollon in der llias von (vermutlich) Homer und King Elvis und auch zwischen Göttin Athene in der 'Odyssee' von (ebenfalls vermutlich) Homer und dem Mythos Marilyn Monroe.
In dieser Diskussion jedoch scheint mir die Unterscheidung irrelevant.
Ein Mythos ist eine Erzählung, das veraltete Wort dafür 'eine Mär', woraus sich dann das Märchen entwickelte. Die Sage gehört in die selbe Kategorie, ohne dasselbe zu sein, ist aber ebenfalls eine Mär.
Die Brüder Grimm sammelten neben Märchen auch Sagen und Mythen, deshalb verwendete ich den Sammelbegriff 'lauter urdeutscher Mythus'.
Bei Dir scheint mir dir Unterscheidung in diesem Falle darin zu bestehen, dass Du die Volksmärchen ruhigen Gewissens den Brüdern zuschreibst, die Sagen jedoch nicht. Warum? Sie bearbeiteten auch die Sagen. Sind es also nur die Zeittafeln, die es Dir nicht erlauben, die Sagen gleich zu behandeln?
Die Mythologie ist nicht anderes als die Sagen'welt'. Die Sagenforschung lässt Du gelten? Es gibt ebenfalls Volkssagen, die (mit) Inhalt dieser Forschung sind und gleich wie die Volksmärchen in der Literaturwissenschaft behandelt werden.
Ich empfehle 'einen Blick' in das Sagen-Archiv am Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde (79100 Freiburg i.B., Goethestrasse 63).
Gruss
Jérôme
).

