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Wehrhafte Demokratie, Interview mit Prof. Raj Kollmorgen

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Da bist du absolut im Irrtum. Das, was du dem Kaiserreich vorwirfst, war durchaus nicht so. Ich habe übrigens nicht verlautbaren lassen, ich hätte es viel lieber wie zu Kaisers Zeiten. Und selbst, wenn einer das täte, verläßt er damit nicht die Basis unseres gesellschaftlichen Konsens. Aber, wie gesagt, ich habe es ja nicht verlautbaren lassen.
Ach wirklich? Dann beruht das "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" sicherlich auf Einbildung meinerseits, genau wie die Verbote von 217 Vereinen, 127 periodischen und 278 nicht-periodischen Druckschriften, die Haftstrafen für August Bebel und Wilhelm Liebknecht, die Verfolgung katholischer Journalisten, Konfiszierung von mehr als 20 katholischen Zeitungen - die Liste ließe sich nahezu beliebig verlängern.
Und das alles nur zwischen 1875 bis 1879
 
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Und die anderen entscheiden, wie sie dein Vokabular zu bewerten haben.
Wie die anderen das bewerten, ist allein deren Sache. Nur hatte mich Anideos aufgrund meines Vokabulars den Reichsbürgern zugeordnet. Und ein solcher bin ich nun mal nicht. Was die sogenannten Reichsbürger für Argumente verwenden, hat auf meinen Sprachgebrauch keinen Einfluß. Vielleicht muß ich sogar noch tunlichst mein Eßverhalten danach ausrichten, um ja nicht mit irgendwem verwechselt zu werden. So weit kommts noch!
 
Ach wirklich? Dann beruht das "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" sicherlich auf Einbildung meinerseits, genau wie die Verbote von 217 Vereinen, 127 periodischen und 278 nicht-periodischen Druckschriften, die Haftstrafen für August Bebel und Wilhelm Liebknecht, die Verfolgung katholischer Journalisten, Konfiszierung von mehr als 20 katholischen Zeitungen - die Liste ließe sich nahezu beliebig verlängern.
Und das alles nur zwischen 1875 bis 1879
Noch einmal: Das Deutsche Kaiserreich ist hier eigentlich nicht Thema.
Aber dennoch werde ich antworten. Das Kaiserreich war eines der fortschrittlichsten, wenn nicht sogar das fortschrittlichste Land seiner Zeit überhaupt (in dieser meiner Beurteilung muß mir übrigens niemand folgen, ich zwinge niemanden das auch so sehen zu müssen). Das Bildungssystem war weltweit führend, das Sozialsystem auch. Vergleiche mal gewisse Punkte mit den damaligen demokratischen Ländern Frankreich, USA und Großbritannien. Selbst der oft erhobene Militarismus-Vorwurf gegen Deutschland trifft nicht zu. Frankreich hatte bei weniger Einwohnern eine größere Armee. Deutschland strebte nach einer Kriegsmarine, die 40% der englischen erreichen sollte. Das allein war für England schon Provokation genug (die 40% sind, ganz nebenbei, nie erreicht worden). Die Toleranz gegenüber der Sozialdemokratie, die offen die Abschaffung der Monarchie forderte, ist legendär. In anderen Ländern ging man viel rigoroser gegen Sozialisten vor. Das sogenannte Sozialistengesetz von 1878 folgte aufgrund eines vollzogenen Attentats auf den Kaiser, und wurde nach 12 Jahren aufgehoben. Stell dir mal ähnliches heute vor! Auch bezüglich Vereinsverboten und Verhaftungen. All das gibt es heute auch.
 
Wie die anderen das bewerten, ist allein deren Sache. Nur hatte mich Anideos aufgrund meines Vokabulars den Reichsbürgern zugeordnet. Und ein solcher bin ich nun mal nicht. Was die sogenannten Reichsbürger für Argumente verwenden, hat auf meinen Sprachgebrauch keinen Einfluß. Vielleicht muß ich sogar noch tunlichst mein Eßverhalten danach ausrichten, um ja nicht mit irgendwem verwechselt zu werden. So weit kommts noch!
Du bewunderst das Kaiserreich, du stellst dich schützend vor den Rechtsextremisten, beklagst die Art, wie man sie in Deutschland behandelt, bestreitest, dass sie die größte Gefahr für unsere Demokratie darstellen... Gleichgültig, wie man dich einordnet, in unserer Demokratie fühlst du dich deplatziert und träumst von einem anderen System.
Demnach wirst du damit leben müssen, dass dich die Verteidiger unserer Demokratie - gleichgültig, ob sie selbsternannt sind oder vom Staat dazu bestellt wurden - dich nicht frei walten lassen werden. Du kannst deine Ansichten für dich behalten und in der von dir konstruierten Welt leben, aber sobald du diese Ansichten öffentlich machst, wird man sie dir um dir Ohren hauen, denn Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit in unserem Land. Sie wurde mühsam aufgebaut gegen viele Widerstände, erlitt Rückschläge und braucht ständige Pflege, weil sie Gefahren von ihnen und außen ausgesetzt ist. Solche wie dich kann sie nicht brauchen und sie verfügt über die Mittel, solche wie dich in ihre Schranken zu weisen. Es geht schließlich um eine wehrhafte Demokratie und sie muss ihrem Namen gerecht werden - wieder und immer wieder.
 
Du bewunderst das Kaiserreich,
In der Tat bewundere ich das Deutsche Kaiserreich, obwohl es nicht mein politisches Ideal verkörpert, und ich auch nicht dessen Wiedererrichtung anstrebe. Noch mehr aber bewundere ich den gegenwärtig weltweit fortschrittlichsten Staat, der ebenfalls eine Monarchie ist, nämlich Japan.

du stellst dich schützend vor den Rechtsextremisten, beklagst die Art, wie man sie in Deutschland behandelt,
Ich stelle mich nicht nur schützend vor Rechtsextremisten, denen man Demos blockiert (ich vermute mal, du spielst genau darauf an), sondern vor alle anderen auch, denen man Demos blockiert. Nur blockiert man eben in der Praxis ausschließlich rechte Demos. Ich stelle mich hingegen nicht schützend vor Rechtsextremisten, sofern sie Straftaten begehen.

bestreitest, dass sie die größte Gefahr für unsere Demokratie darstellen...
Bislang hab ich doch gar nicht bestritten, daß sie die größte Gefahr für unsere Demokratie darstellen (wiewohl ich wirklich der Meinung bin, daß bei ihnen nicht die größte Gefahr zu suchen ist). Die übereifrigen Verteidiger der Demokratie halte ich für das "eigentliche Problem" der wehrhaften Demokratie (beachte bitte den anderen Begriff, ich sprach hierbei nicht von "größter Gefahr").

Gleichgültig, wie man dich einordnet, in unserer Demokratie fühlst du dich deplatziert und träumst von einem anderen System.
Ich fühle mich auch nicht deplaciert in unserer Demokratie, sondern ganz im Gegenteil sehr gut aufgehoben, und träume auch nicht von einem anderen System. Ich halte es nur für falsch, daß damals vor reichlich hundert Jahren die Monarchie in Deutschland auf Druck der Siegermächte abgeschafft wurde, denn das Deutsche Kaiserreich hätte sich besser entwickelt als die demokratischen Länder England und Frankreich, wahrscheinlich auch besser als die USA. Da die Monarchie aber nun einmal abgeschafft ist, sollte man das jetzt auch nicht mehr rückgängig machen.

Demnach wirst du damit leben müssen, dass dich die Verteidiger unserer Demokratie - gleichgültig, ob sie selbsternannt sind oder vom Staat dazu bestellt wurden - dich nicht frei walten lassen werden.
Das erwarte ich aber sehr wohl von einer echten Demokratie, daß sie mich frei walten läßt, denn ansonsten wäre sie keine Demokratie (wohlgemerkt, ich will sie nicht abschaffen!).

Du kannst deine Ansichten für dich behalten und in der von dir konstruierten Welt leben, aber sobald du diese Ansichten öffentlich machst, wird man sie dir um dir Ohren hauen,
Mit diesem "Um-die-Ohren-hauen" stellen sich die Anwendenden selber ins demokratische Abseits. Denn Demokratie lebt von Meinungsvielfalt. Auch andere Meinungen gehören dazu, auch ganz andere Meinungen, wie die meinige.

Solche wie dich kann sie nicht brauchen
Im Gegenteil, sie braucht alle, nicht nur die Links-Liberalen.

und sie verfügt über die Mittel, solche wie dich in ihre Schranken zu weisen. Es geht schließlich um eine wehrhafte Demokratie und sie muss ihrem Namen gerecht werden - wieder und immer wieder.
Das eigentliche Problem der wehrhaften Demokratie sind und bleiben diejenigen, die im Namen der Verteidigung der Demokratie Andersdenkende "unter die Guillotine zwingen", weil diese nicht in deren Fahrwasser schwimmen.
 
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Mal ein Nachtrag zum Thema "größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland":

Die von mir zitierte Statistik zur "größten Gefahr für die Demokratie in Deutschland" aus dem Jahre 2022 führt den Rechtsextremismus mit 20% aller Befragten auf Platz 1. Die von Anideos zitierte aus dem Jahre 2019 führte den Rechtsextremismus noch mit 47% aller Befragten auf Platz 1. Ich persönlich hingegen betrachte den Islamismus als die größte Gefahr für unseren Staat, dichtgefolgt vom linken Terrorismus der ANTIFA, und dann an dritter Stelle mit großem Abstand den Rechtsextremismus. Dabei muß man aber auch beachten, daß nicht jeder, der ideologisch rechts steht, ein Rechtsextremist ist (da gibt es ja gegenwärtig eine regelrechte Hysterie, das prinzipiell gleichsetzen zu müssen).
 
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