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Vergeben und Vergessen

Eine kurze Definition für mich:
Verzeihen bedeutet, jemandem für "diese Sache" nicht mehr böse und nicht nachtragend zu sein.
Bringe ich den Vorwurf an "der Sache" (also was immer es sein mag) noch immer wieder auf den Tisch bzw. mache innerliche Vorwürfe in meinem Kopf/Geist, so habe ich nicht verziehen.

Für mich heißt verzeihen aber dem Menschen/dem (Mit)Verursacher und mir die Last abzunehmen. Es bedeutet für mich nicht, dass ich nicht doch wenn ich an die Situation zurückdenke und dabei negative Emotionen habe, nicht verziehen hätte.

Ich trenne:
Situation = wird nicht vergessen, ist immer im Leben wieder abrufbar und mit Emotionen belegt, sie Situation wird nie neutral oder positiv werden.
(Mit)Verursacher = wird wieder neutral bzw. positiv gesehen, aber auch bei ihm wird nicht vergessen.

Ist das verständlich?
LG
Sal
 
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wenn ...

... ich vergessen habe, dann brauche ich nicht mehr vergeben.
kann ich nicht vergessen, dann bleibt mir nur das vergeben (wenn ich es denn kann oder will).

erinnernderweise
dex
 
dextra schrieb:
... ich vergessen habe, dann brauche ich nicht mehr vergeben.

Ja nun denn, wie wahrscheinlich ist es denn, das du etwas vergebenswürdiges vergisst bevor die Vergebung, das Verzeihen stattgefunden hat?

[spaßmodusan]
LOL Schätzchen du bist doch noch gesund und im Vollbesitz deiner Gehirnzellen? *schmatz*
[spaßmodusaus]
 
Salem schrieb:
Ja nun denn, wie wahrscheinlich ist es denn, das du etwas vergebenswürdiges vergisst bevor die Vergebung, das Verzeihen stattgefunden hat?

ich bin sehr nachtragend in dingen die mir sehr wichtig sind. aber das meiste vergesse ich wirklich schnell (und ärgere mach manchmal wieder, wenn mich jemand wieder mit der nase draufstößt!).
das leben ist zu wertvoll um es mit kleinigkeiten zu belasten.

entlastenderweise
dex
 
Naja, solchen Kleinkram vergesse ich auch recht schnell wieder, aber wie du schon sagst, dann war es einem eben nicht wichtig.
Das man die wirklich schmerzhaften Dinge ob mit oder ohne Vergebung vergisst, kann ich mir nur schwer vorstellen.

Nachtragend, bei deinem Sternzeichen ja wohl Programm :-)
Dürfte gar nicht fehlen.
 
Das mit dem Vergeben stimmt mich schon bedenklicher - ich spreche immer von “Alltagskränkungen”. Dieses Wort ist mir zu sehr schillernd: wer gibt uns denn das Recht, z.B. jemandem zu vergeben, der in bester Absicht mit uns etwas sagt oder tut, was uns doch kränkt. Züchten wir uns so nicht zu einem kleinen Märtyrer unserer selbst?

Es wundert mich immer wieder, wie gescheit manche Menschen reden, aber in ihrem eigenen Leben ganz anders handeln.

Mich beschäftigt diese Fage vor allem im Zusammenhang mit dem Holocaust.
Gerade von Überlebenden hören wir nämlich - neben der häufigsten Antwort: “ ich will nicht mehr daran denken, ich will ein “normales” Leben führen" - genau das, wonach Du fragst. Mich kümmert das ganze nicht mehr. Ich will leben.

Ich habe diese Sprüche noch nie von Überlebenden gehört, jedoch von nicht beteiligt Gewesenen, die sich schon in der 3. Generation nach dem zweiten Weltkrieg das anhören müssen und Reue zeigen sollen für etwas, das sie nicht getan haben. Auch sollen sie sich dafür noch entschudigen. Man macht ihnen absichtlich ein schlechtes Gewissen. Das nervt immer mehr.


Die Frage nach der Wiedergutmachung ist in diesem Falle nur eine der Entschädigung sein- einer materiellen, denn wirklich “ wieder gut machen” kann kein einzelner Mensch und kein Staat, was die shoa angerichtet hat
.

Das ist richtig, obwohl auch die materielle Wiedergutmachung einmal ein Ende haben sollte. Und wenn wir nach Israel schauen, ........ Ich will mich nicht.... oder habe mich schon..... mit den Juden in diesem Forum verfeinden.
Kritisches Denken ist hier nicht erwünscht.

Nur eines sollt ihr wissen. Meine besten Freundinnen sind Halbjüdinnen.

suche
 
Mann o Mann: so interessante Aspekte!

Jane, klar, in der Gruppe ist jeder sowohl für sein eigenes Fehlverhalten und das der Gruppe verantwortlich. Das gilt v.a. für Gruppen, in denen keine hierarchische Struktur herrscht. ( Auf gesellschaftliches Fehlverhalten würde ich mich da nicht so festlegen: Ich bin z.B. nur zu einem kleinen Teil für die Umweltverschmutzung verantwortlich - wenn einstens unsere Nachkommen völlig zu Recht diese ankreiden, werden sie uns vergeben können oder eben nicht. Diese Vergebung mussten auch wir unserer Elterngeneration gewähren - oder eben auch nicht. Sie ist sachgebunden.

Ähnlich ist es in den Klassen, in denen ich unterrichtete. Wenn so kleine oder auch große Rabenbratel mir das Leben nicht nur einmal zur Hölle gemacht haben, lag es an mir, die Ursachen festzustellen: sie waren sehr oft in meinem Fehlverhalten - meiner falschen Einschätzung von gruppendynamischen Prozessen begründet - und, wenn möglich mein Verhalten oder ebenfalls wenn möglich, zu veranlassen, dass die Schüler ihr Fehlverhalten mir oder andern gegenüber änderten. Auch hier ist Metakommunikation nicht wegdenkbar.
Klar: Vergessenmüssen und Vergessenkönnen sind Grundvoraussetzungen jeder menschlichen interaktiven Gruppe.

Ich selber halte es privatim da eher so wie Dextra.Entweder juckt mich eine Kränkung so, dass ich allen Situationen, die diese wieder herbeiführen können, vermeide, oder ich vergesse alles.Das verblüfft viele meiner " Kränker", die mitunter ein schlechtes Gewissen haben, das zum Ausdruck bringen - und ich weiß gar nicht mehr, wovon sie reden. Das ist dann das, wonach Du mich fragst Jane. Ich denke einfach nicht daran.

Das kann man dann sicher verzeihen nennen - aber nicht als moralischen, sondern eher aus einem Relativierungsanspruch.

Ich kann mir nicht helfen - vergeben kann ich niemandem - bin ich der liebe Gott? Und wenn es kein "Kleinkram" ( Sals Worte) ist, tue ich von mir aus alles, um es nicht wieder zu solch einer Situation kommen zu lassen. Sehr schön sind hier Salems Worte:( für Kleinkram)
Eine kurze Definition für mich:
Verzeihen bedeutet, jemandem für "diese Sache" nicht mehr böse und nicht nachtragend zu sein.
Bringe ich den Vorwurf an "der Sache" (also was immer es sein mag) noch immer wieder auf den Tisch bzw. mache innerliche Vorwürfe in meinem Kopf/Geist, so habe ich nicht verziehen.
. Das ist ein sehr schöner Ansatz im Alltag, vor allem mit einem sehr nahen Menschen. Das tue ich auch so . Und bei wirklich großen Kränkungen? ( Dextras Worte) ?Da bin ich unversöhnlich - ich kränke nicht zurück, sondern " streiche diesen Menschen aus meinem Umkreis und meinen Gedanken.


Dort, wo ich Untergebene war ( im Beruf) konnte ich immer auf der Verstandesebene Kränkungen " ausräumen", sodass ich nicht mal den ärgsten meiner Chefs wirklich " hasse". Liebe tue ich keinen ! Das pragmatische des Zusammenlebens erfordert zumindestens Bereitschaft, " das milde Tuch des Schweigens" im Westentascherl zu tragen.

Ich wollte eigentlich gar nicht so viel von mir erzählen - aber das Thema lädt ja dazu ein.


Baba - tschüssi

Eure marianne
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Salem schrieb:
Eine kurze Definition für mich:
Verzeihen bedeutet, jemandem für "diese Sache" nicht mehr böse und nicht nachtragend zu sein.
Bringe ich den Vorwurf an "der Sache" (also was immer es sein mag) noch immer wieder auf den Tisch bzw. mache innerliche Vorwürfe in meinem Kopf/Geist, so habe ich nicht verziehen.
Das gefällt mir gut Ich sehe es auch so.

Für mich heißt verzeihen aber dem Menschen/dem (Mit)Verursacher und mir die Last abzunehmen. Es bedeutet für mich nicht, dass ich nicht doch wenn ich an die Situation zurückdenke und dabei negative Emotionen habe, nicht verziehen hätte.
Man kann wohl auch nach dem Verzeihen den Schmerz noch spüren, aber ich denke, das gute Gefühl über die Versöhnung überwiegt.

Ich trenne:
Situation = wird nicht vergessen, ist immer im Leben wieder abrufbar und mit Emotionen belegt, sie Situation wird nie neutral oder positiv werden.
(Mit)Verursacher = wird wieder neutral bzw. positiv gesehen, aber auch bei ihm wird nicht vergessen.
Das entspricht meiner Trennung von Tat und Täter. Das halte ich auch für sehr wichtig! Und, man höre und staune, das hat sinngemäß auch schon der Philosoph und Kirchenmann Aurelius Augustinus gesagt.

dextra schrieb:
... ich vergessen habe, dann brauche ich nicht mehr vergeben.
kann ich nicht vergessen, dann bleibt mir nur das vergeben (wenn ich es denn kann oder will).
Schön, dass du wieder da bist, dex!

Ist Vergessen ohne Verzeihen nicht Verdrängen? Ein "Nicht-Hinschauen", "Nicht-Klären"?

Salem hat meine Neugier geschürt: Welches ist dein Sternzeichen?

suche schrieb:
Ich habe diese Sprüche noch nie von Überlebenden gehört, jedoch von nicht beteiligt Gewesenen, die sich schon in der 3. Generation nach dem zweiten Weltkrieg das anhören müssen und Reue zeigen sollen für etwas, das sie nicht getan haben. Auch sollen sie sich dafür noch entschudigen. Man macht ihnen absichtlich ein schlechtes Gewissen. Das nervt immer mehr.
Auch hier ist eine Unterscheidung Tat - Täter wichtig: junge Menschen müssen informiert werden über das, was geschehen ist, im Sinne von "Wir schweigen nicht!" und "Wehret den Anfängen!". Ihnen ein schlechtes Gewissen für etwas zu machen, das sie nicht getan haben, halte ich für falsch. Es ist aber sehr wichtig, hier ein Problembewusstsein zu schaffen, ganz besonders im Hinblick auf Probleme der Gegenwart.

Und wenn wir nach Israel schauen, ........ Ich will mich nicht.... oder habe mich schon..... mit den Juden in diesem Forum verfeinden.
Kritisches Denken ist hier nicht erwünscht.

Was du hier so verschämt andeutest, bringt einen weiteren SEHR interessanten Aspekt in die Diskussion ein:
Antisemitismus ist inakzeptabel. Das steht ausser Zweifel. Daraus einen Freibrief für die davon betroffene Gruppe abzulesen, nach eigenem Gutdünken und Belieben zu handeln und sich gegen eine andere Gruppe zu wenden, halte ich für ebenso inakzeptabel.
Viele Leute und auch Staaten wagen es heute nicht, das Verhalten Israels zu kritisieren, aus Angst, für antisemitisch gehalten zu werden. Das halte ich für sehr bedenklich, nicht zuletzt, weil dadurch die Fronten noch mehr verhärtet werden. Auch hier wäre eine Unterscheidung zwischen Tat und Täter buchstäblich not-wendig! Israel (als Staat) ist okay, was sie tun (=ihre Politik),ist falsch.
Um auf unser Thema zurückzukommen: wo echtes Verzeihen stattfindet, verharrt das Opfer nicht in seiner Rolle im Sinne von: "Ich schlage jetzt kräftig zu, aber ihr dürft es mir nicht übelnehmen, weil ich ja so arm bin."

LG
Jane
 
Marianne schrieb:
Das kann man dann sicher verzeihen nennen - aber nicht als moralischen, sondern eher aus einem Relativierungsanspruch.

Ich kann mir nicht helfen - vergeben kann ich niemandem - bin ich der liebe Gott?
Gibt es für dich einen Unterschied zwischen "Vergeben" und "Verzeihen"? Wenn ja, welchen? Wenn nein, warum sollte nur Gott vergeben können?

LG
Jane
 
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Nein, jane, es mag genaue sprachliche Unterschiede geben zwischen verzeihen und vergeben. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.Ich habe Dir meinen pragmatischen Standpunkt zu dieser Frage oben ganz genau erklärt.


Und im übrigen habe ich, glaube ich, klar gemacht, dass ich ähnlich wie Salem über Verzeihen im Alltagsgetriebe denke.
Der Passus vom lieben Gott war ironisch. Warum soll ich etwas vergeben oder verzeihen, was mich bis ins Mark gekränkt hat - Ich mache drauf aufmerksam, dass ich das vor allem politisch ( Shoa, Umweltverschmutzung und was dergleichen Beispiele mehr sind ) angewendet wissen will. Ich wurde noch nie aufgrund solcher außer mir liegender Motive gekränkt. Warum soll ein jüdisches Kind vergessen, dass es sah, wie sein kleineres Geschwisterchen zutode geprügelt wurde? Ich halte auch nichts vom Spruch: wenn Deine linke Backe geprügelt wird,halte auch noch die rechte hin. Das sind für mich Strategien, die den Menschen entwürdigen
Ich laufe davon ..... und das erscheint mir, wenn der Prügler stärker ist als ich, das einzig Vernünftige.Und mit Menschen, die mich unabsichtlich kränken, rede ich über den Vorfall -- oder lache und vergesse.. Wo sind denn im Alltag unter gleichberechtigten Menschen solche Vergebensprozeduren nötig. Das ist für mich eine Form der Überheblichkeit. So eine Art Absolution .... Da, Du armer Wurm, der böse war und mein Ego verletzt hat --- hier: ich die Große, die verzeihen und vergeben kann .... Nö, das ist nix für mich....

Ich glaube nicht an Gott, so war mein Passus spöttisch, nicht zu sehr natürlich: Nur eine Moralinstanz, die außerhalb mir liegt, kann mir vergeben!? Dieser Gedanke erscheint mir absurd. Der Mensch kann nach Einsicht nur sich selbst vergeben,in sich und eben auch im anderen, wenn er das will, kann er einen status " davor" hebeiführen, wenn er halt die rationalen Qualitäten dazu hat. hat. Und dieses " Vezeihen/ Vergeben" ist ein kommunikativer Akt unter Gleichwertigen.

Ich halte nix von großen Sprüchen. Vergessen ist eine neurologische Notwendigkeit, um im Lebenskampf zu überstehen - warum soll das nicht nur für all die kleinen lächerlichen Egoverletzungen gelten, denen jeder von uns tagtäglich ausgesetzt ist, sie bei andern ebenso oft und meist ohne jede böse Absicht begeht? Solche zu vergeben??? Welch Wort ???


Nun - jetzt habe ich all mein Pulver verschossen, liebe jane, frage zur Abwechslung mal jemanden anderen. Ich weiß nichts mehr, denn eine Seminararbeit wollen wir hier ja nicht verfassen.

frdlg
Marianne
 
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