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Über das Scheitern

AW: Über das Scheitern

Liebe Zwirbel!

Verzeih, ich wollte dich doch nur aus der Reserve locken!
Lass dich ja nicht ins Jagdhorn boxen von mir!

Hallo Leute!

Spaß bei Seite! Meine Methode um nicht bloß vor anderen dazustehen:

Ich führe mich schon a priori komisch auf, womit ich komischen Reaktionen von außen vorbeuge.

Hat sich bewährt, du musst aber der Typ dazu sein.

Wie wehrt ihr euch gegen Blamagen und dagegen blöd aufzufallen?!

Bitte beichtet endlich, es hört ja eh keiner zu!
Mit Garantie nicht!


Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
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AW: Über das Scheitern

Lieber Raphael
Bin Dir doch voll auf den Leim gekrochen!

ISCH NOTIERT! ;)

Liebe Grüsse
Zwirbel
 
AW: Über das Scheitern

Hallo!

Das Thema, wie der Mensch versucht Blamagen zu begegnen, gehört ja auch zu den Vermeidungsstrategien das Scheitern betreffend, doch eher zum Bereich "Eitelkeit", quasi zu den "Seitenblicken" des Scheiterns.

Durchaus interessant allemal...

Ich finde, dass wir bei der Betrachtung des gesellschaftlichen Scheiterns einer Person unterscheiden müssen, ob diese introvertiert oder extrovertiert ist (extra vertiert käme natürlich auch in Frage...).

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
AW: Über das Scheitern

Hallo zusammen,

eben bin ich wiedermal daran gescheitert einige wirklich tiefgründige und intelligente Gedanken zu diesem schönen Thema so zu formulieren, dass sie
a) verständlich sind und
b) ihr nicht dabei einschlaft, wenn ihr sie lest.

Stattdessen will ich euch eine Geschichte erzählen, die sich vor ca. drei Wochen zugetragen hat.

Ich musste mein Bahnabonnement verlängern lassen und benötigte dafür ein neues Passfoto.
Ich ging also zu einem dieser Fotoautomaten (diese netten, die einem mit sympathischer Stimme erklären, was man tun soll um zu einem wirklich befriedigenden Fotoergebnis zu kommen) und stellte fest, dass vier Passfotos acht Franken kosten, ich aber bloss sechs Franken Kleingeld dabei hatte und der Automat zwar grosszügig offerierte, auch Zehnernoten zu schlucken, dabei aber darauf hinwies, kein Wechselgeld zu geben.

In der Nähe befand sich ein Kiosk und ich fragte die überaus freundliche Kioskverkäuferin, ob sie mir vielleicht eine Zehnernote wechseln könne, worauf sie meinte, sie sei keine Wechselstube.

Ich hätte nun ja etwas Kleines kaufen können, damit ich Kleingeld herausbekomme, aber das wollte ich nicht - nicht bei IHR!

Also ging ich zurück zum netten sprechenden Automaten und wollte ihm meine Zehnernote geben - zwei Franken Trinkgeld inbegriffen.
Aber leider erwies sich der Automat plötzlich als ebenso störrisch, wie die Kioskverkäuferin und ich scheiterte am Versuch, ihm meine Zehnernote erst sanft, dann immer wütender in den dafür vorgesehenen Schlitz zu würgen.

Also ging ich zurück zum Kiosk, kaufte zähneknirschend einen Schokoriegel (soll ja gut sein bei Frust) und schaffte es tatsächlich den Automaten dazu zu bewegen, ein Bild von meinem geröteten Gesicht anzufertigen.

Er zeigte mir das Bild auf einem Monitor und bemerkte, es entspreche nicht den offiziellen Bestimmungen der Passbehörde und ob ich einen neuen Versuch machen wolle. Was daran nicht den Bestimmungen entsprach, verriet er allerdings nicht.

So machte ich einen neuen Versuch - mit dem gleichen Ergebnis.

Der Automat wies mich freundlich darauf hin, dass ich noch einen Versuch machen dürfe, das sei aber dann der Letzte.

Ich wagte - und verlor. Das Bild entspricht nicht den... blabla - kennen wir schon.

Aber egal, es geht ja bloss um ein Bahnabonnement, nicht um einen Pass!

Also machte ich mich auf den Weg zum Schalter und stellte mich in eine von zwei seeehr langen Schlangen.
Bald merkte ich, dass sich die andere Schlange wesentlich schneller vorwärts bewegte. Das ist immer so.

Schliesslich kam ich dann doch noch dran und die nette Dame hinter dem Schalter erklärte mir, dass mein Passbild leider nicht... aber das habt ihr sicher schon selbst erraten.
Ich fragte sie weshalb und sie meinte, mein Kopf sei oben ein wenig abgeschnitten. Es müsse dort mindestens zwei Milimeter Abstand geben.
Ich erzählte ihr, dass der Automat das einfach so gemacht habe und ich habe wahrscheinlich einfach einen zu grossen Kopf.
Sie gab mir dann den Tip, ich dürfe mich nicht so weit nach vorne beugen beim Fotographieren. Aha! Das war es also.

Erneuter Gang zum Automaten, Feststellung, dass ich genau sieben Franken und fünfzig Rappen Kleingeld besass, noch ein Schokoriegel und dann endlich ein Passbild, welches den Bestimmungen entsprach. Den Gesichtsausdruck, den ich darauf zeige beschreibe ich euch lieber nicht - aber offenbar entsprach auch er den Bestimmungen.

Auf dem Weg zum Schalter, quatschte mich ein Obdachloser an: "Häsch mer er chli Münz?" (Hast du mir ein wenig Kleingeld?)

Nun bin ich normalerweise freundlich zu Obdachlosen oder anderen sogenannten "gescheiterten Existenzen" aber in diesem Moment, da ich schon seit gut einer Stunde an solch einem banalen Ziel wie der Erneuerung eines Bahnabonnements zu scheitern drohte, fehlte mir mit einem Mal jegliches Verständnis für ihn, der sich in seinem Scheitern so unverkrampft eingerichtet hatte und ich raunzte ihn an: "Weshalb bettelt ihr eigentlich immer MICH an?"
Er zuckte die Schultern und meinte, er werde eben vom Staat nicht unterstützt.
Ich erwiderte: "Ja ich doch auch nicht! Und sehe ich eigentlich so aus, als hätte ich Geld?"
Er musterte mich mit Kennerblick und lächelte: "Nein, eigentlich nicht, aber du siehst so aus, als würdest du mir Geld geben."

Das war irgendwie entwaffnend und brachte mich schlagartig wieder in ruhigere emotionale Gewässer zurück. Und zufällig hatte ich ja tatsächlich noch ein wenig Kleingeld und ausserdem zwei Schokoriegel, die ich eigentlich gar nicht mochte.
Für ihn war es ein kleiner Erfolg - und für mich schlussendlich dann auch noch.

Ach ja, das neue Abonnement habe ich dann per Post bekommen.
Das Foto darauf erinnert mich an jenen Tag.
Es wurde bei der Verarbeitung oben am Kopf übrigens leicht abgeschnitten...
 
AW: Über das Scheitern

K Ö S T L I C H, Ela! Das kann ich mir so richtig vorstellen!
Danke für die so "blumig" erzählte Geschichte, an der Du zu allerletzt NICHT gescheitert bist!
mx6.gif

Liebi Grüess
Zwirbel
 
AW: Über das Scheitern

@Ela,

eine schöne gute Nacht-Geschichte:blume1:

Ich bin übrigens heute wieder daran gescheitert, meine guten Vorsätze wahrzumachen. Ich wollte nämlich den ach so geliebten Schreibkram erledigen, der schon ziemlich lange auf seine Bearbeitung wartet....

Morgen ist auch noch ein Tag.
 
AW: Über das Scheitern

Na, wenn der Baerliner schon gescheitert ist, bin ich auch schon gescheitert.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Über das Scheitern

Hallo!

Das Thema, wie der Mensch versucht Blamagen zu begegnen, gehört ja auch zu den Vermeidungsstrategien das Scheitern betreffend, doch eher zum Bereich "Eitelkeit", quasi zu den "Seitenblicken" des Scheiterns.

Durchaus interessant allemal...

Ich finde, dass wir bei der Betrachtung des gesellschaftlichen Scheiterns einer Person unterscheiden müssen, ob diese introvertiert oder extrovertiert ist (extra vertiert käme natürlich auch in Frage...).

Mit freundlichen Grüßen
Raphael

Lieber Raphael!
Ich bin astrologisch ein doppelter Krebs (Sonnenzeichen und Aszendent) und der neigt bekanntlich eher zum Rückzug, kaum dass ihm ein kühleres Lüftchen entgegenbläst. Ich hab daher von frühester Jugend an Strategien trainiert, wie ich mich vor schmerzhaften Erlebnissen, wozu auch das Scheitern - und natürlich die dazupassende Blamage - gehört, schützen kann.

Ich wurde daher nach außen hin eine fröhliche, unabhängige, sehr kluge und mit viel Wissen vollgestopfte Frau, so eine Art "liebenswürdige Besserwisserin" (wenns sowas überhaupt gibt, ihr könnt euch hoffentlich vorstellen, was ich meine), aber innerlich einsam und abgestumpft, von meinen Gefühlen abgeschnitten.

Erst als ich durch einige heftige Schicksalsschläge aus dieser inneren "Totenstarre" gerissen wurde, begann langsam eine Art Auftauen meiner Gefühle. Und eines der ersten Erkenntnisse war, dass ich keine Erwartungen mehr erfüllen brauche, weil ich mich in meinem Leben zuerst um MICH kümmern muss. Nach und nach kam ich dahinter, dass es beim Scheitern IMMER nur um meine eigenen Erwartungen ging, weil ich die Erwartungen der anderen zu meinen gemacht hatte. Dabei hatte ich verlernt, meine Gefühle zu spüren und ihnen zu vertrauen.

Meine Lieblingssprüche wurden "Na und?" und "Was solls!"
Nicht als schnoddrige Abwehrfloskeln, sondern als Ausdruck dafür, das nichts so ernst zu nehmen ist, dass es mich wieder in Angst und Starre versetzen kann.

Scheitern oder Erfolg ist somit kein Thema mehr für mich.
Meine Signatur soll das auch ausdrücken. Ich nehme es wie es ist, denn es zählt nur DAS WAS IST, und das kann ich sowieso nicht ändern.

Ich hab ein für allemal den Anspruch aufgegeben, irgendeine Erwartung - weder von anderen noch von mir selbst - erfüllen zu müssen. NIE WIEDER!

Was noch lang nicht heißt, dass ich das auch gleich so umsetzen kann. Aber wenn ich merke, ich falle wieder in dieses Muster, dann erinnere ich mich, dass ich ja gar nichts tun muss, überhaupt nichts. Dass ich selbst entscheiden kann, ob ich toll und großartig auftreten will, oder ob ich mich doch lieber für die Bequemlichkeit und den Rückzug entscheide. Beides steht zur Wahl und die Wahl treffe ich, ganz bewusst, nicht weil ich von irgendwem oder irgendwas dazu getrieben werde.

Manchmal gelingt es mir schon, manchmal merke ich, dass ich in meinem Muster hänge. Na und? Was solls!!! :) :zunge3:
 
AW: Über das Scheitern

Liebe Ela!

Danke für deine wunderbare, berührende Geschichte über das kleine Scheitern im Alltag!

Liebe Lilith!

Danke auch dir für deine persönlichen Erfahrungen!
Nur, dein striktes "Niemals wieder!" zeigt mir, dass du über deine Erlebnisse noch lange nicht hinweg zu sein scheinst, denn sonst würdest du nicht allzu viel Bestemm auf rigorose Vermeidung legen...

Liebe Leute!

Das Scheitern ist allgegenwärtig:

Aus der Automobilbranche:

Der Ford Edsel, ein Reinfall sondergleichen Anfang der 60er.
Ob´s am Namen lag (ein - glaube ich, früh verstorbener - Ford-Sohn hieß so)
oder am Kühler, der auch für Leute mit wenig Phantasie wie eine Vagina aussah...

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
 
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AW: Über das Scheitern

Liebe Lilith!

Danke auch dir für deine persönlichen Erfahrungen!
Nur, dein striktes "Niemals wieder!" zeigt mir, dass du über deine Erlebnisse noch lange nicht hinweg zu sein scheinst, denn sonst würdest du nicht allzu viel Bestemm auf rigorose Vermeidung legen...

Raphael, du hast das ganz richtig erkannt. Ich hab ein Verhaltensmuster, das mir den Zugang zum Lebendigsein versperrt hatte, durchschaut, aber das heißt noch lang nicht, dass meine Wunden deswegen nicht mehr weh tun. Ich trauere täglich um die Zeit, die ich nicht gelebt habe.

Ich möchte wenigstens den Rest meines Lebens so sein, wie ich es früher aus Angst vor dem Scheitern und aus Scham vor der Blamage nicht zu sein wagte.

Und deswegen bin ich sehr aufmerksam, wenn die "alten Dämonen" auftauchen, die die Bedrohungen meiner gewalttätigen und autoritären Erziehung wieder aufleben lassen wollen. Denn genau gegen diese lähmende Angst richtet sich mein vehementer Ausspruch NIE WIEDER. Damit hab ich die Entscheidungsgewalt über mich selbst zurückgewonnen, die ich vorher irgendwelchen "Erlösern" zugesprochen hatte.

Das ist meine Erfahrung mit meinen eigenen Lebensumständen und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Und wenn ich irgendwo scheitere, oder auch mal erfolgreich bin - Na und? Dann heule ich mich in dem einen Fall aus, oder schimpfe herum, im anderen Fall freue ich mich und hüpfe vielleicht herum, wies grad kommt! Ich "darf" ja jetzt das tun, was grad jetzt zu tun ist. Also, was solls!

:blume1:
 
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