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Mein Vater

Je höher der Grad der Zivilisation, bzw. je mehr Soziales erschaffen und erfahren wurde, desto mehr und desto öfters bedient sich der hier partizipierende Einzelne, seinem absoluten Glauben an die eigene Sache sowie einer subjektivierten Schulderfahrung verpflichtet, einer vermeintlichen Opferrolle daran. – Das Krankenversicherungssystem in Deutschland galt dank dessen solidarischer Finanziertheit lange Zeit, auch im internationalen Vergleich, als ein vorbildliches Erfolgsmodell. Heute steht dasselbe dagegen, wegen des veränderten Versorgungsbedarfes, aufgrund des demografischen Wandels und infolge kostenintensiver medizinischer Möglichkeiten, in der Dauerkritik. In diesem Kontext artikuliert sich eine subjektivierte Negativkritik daran nicht ungern über die Auflistung persönlich und vermeintlich passiv erfahrener (--> wider einer freien Arztwahl) Negativpunkte; verursacht durch die Akteure innerhalb des Gesundheitssystems. Demgegenüber scheitert es durchschnittlich daran, mitunter in Ermangelung des eigenen Sachverstands (--> "Eiter", "ambulant eingesetztes Kniegelenk", "Tropfer", ...), diesen ständigen medizintechnischen Fortschritt zugunsten der Patienten angemessen aufzuhellen. Täte man dieses, dann würde mehr Ausgewogenheit und viel mehr Zugewinn erkennbar werden, und manches persönlich Erlittenes sich weniger spektakulär darstellen lassen.

 
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Als ich merkte, dass er keine Lust mehr hat und es auf sein Ende zugeht, sagte ich zu ihm, er soll auf mich warten, wenn es soweit sei. Ich möchte ihn gerne begleiten, falls er nichts dagegen habe. Zwei Monate vor seinem Tod nahm ich mir eine Woche Urlaub, die ich mit ihm verbringen wollte und sagte auch im Pflegeheim Bescheid, dass ich immer schon morgens um 8 Uhr käme, ihn beim Frühstück füttere und dann mit ihm den Tag verbringe. Man schien das vergessen zu haben, weil man den Showmodus nicht angemacht hatte, mit denen man den Angehörigen ein X für ein U vormacht. Er lag mittags um 12 Uhr noch in seiner Nachtkacke. Ich beschwerte mich beim Chef, der meinte, es könne auch mal 14 Uhr werden, bis man die Morgenwäsche bei ihm macht. Er schien auch keinerlei schlechtes Gewissen dabei zu haben. Ich kündigte ihm den Austritt aus der evangelischen Kirche nach Vaters Tod an, was ich auch tat. Es handelte sich um ein Heim der Diakonie. Es war an einem Dienstag, da dachte ich plötzlich, dass Vater am nächsten WoE möglicherweise nicht mehr leben würde, weil er bei meinem letzten Sonntagsbesuch schon den zweiten Tag keine Flüssigkeit mehr zu sich nahm. Ich fuhr die zweieinhalb Stunden nach der Arbeit zum Heim, war um 18 Uhr bei Vater und hielt seine Hand. Als ich die Pflegeschwester von der Arbeit aus über meinen Besuch informierte, sagte sie, "ich werde es ihm sagen, er wird das verstehen und bestimmt auf sie warten". Ich erzählte Vater an seinem Sterbebett viel von mir. Ich denke, er verstand mich noch. Um 23 Uhr kam die Pflegerin noch mal zum Umbetten, ließ es dann aber sein, zeigte mir seine inzwischen blauen Füße und sagte, "es wird jetzt nicht mehr lange dauern". Kurz vor 23:30 Uhr stand ich auf, umarmte ihn und sagte: "Du warst ein guter Vater. Leb wohl!" Er machte noch ein paar Atemzüge und dann keinen mehr.
 
So in etwa der Mitteilungsmission folgend „Zwei gegen die schlechten Umstände dieser Welt“ bedient sich diese Erzählung immerfort klitternd einer Anklage gegenüber divers erlittenen Umständen. „Ich glaube nicht an Umstände. Die Menschen, die es in dieser Welt zu etwas bringen, sind die, die aufstehen und nach den richtigen Umständen suchen. Und, falls sie sie nicht finden, selbst herstellen“, lässt uns beispielsweise George Bernard Shaw hierzu wissen; und in Retrospektive zu meinem eigenen Leben stimme ich diesem zu. Denn, wenn immer nur den Umständen die Schuld zuzuweisen bleibt, dann wird sich an einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung kaum etwas nachhaltig ändern. "Wer jammert, sucht Zuwendung, Aufmerksamkeit, Bestätigung", meint dazu der Psychologe Ferdinand Wolf. „Und wenn wir jammern, tun wir das auch zunächst einmal, um einen Gesprächsstoff zu finden, so komisch das klingen mag, weil ein anderer eben fehlt. Frei nach dem Motto: Bad news are good news." Damit hat das Jammern längstens auch Eingang in die Psychotherapie gefunden; ebenso auch bei den sogenannten lösungsfokussierten Kurzzeittherapien nach Steve De Shazer. Demnach hat das Jammern in Schriftform eine wichtige Bedeutung im Sinne einer speziellen Form von Beziehungsdefinitionen im Umgang mit dem Rezipienten. Wer jammert, sieht ein Problem, welches aber der eigenen Ansicht nach in einer anderen Sphäre begründet liegt. Und so sucht man, sich davon befreiend, zustimmende Hilfe im weiten Leserkreis; weil man selbst mit dem Latein bereits am Ende ist.
 
Wer die Wahrheit hasst, der hat seine Seele dem Herrn der Lüge verkauft, der kann es sich auch nicht verkneifen, dies immer wieder öffentlich zu zeigen.
 
Und woher wissen Sie dies?
.....Nun, "liest" man "all die Beiträge" dieses Users mit der "gebotenen Aufmerksamkeit" (mit alle meine ich nicht bloß die aktuellen sondern auch jene die schon länger bzw. lang zurückliegen) dann ist man kein "großartiger Kaffeesudleser", um zu "dieser Erkenntnis" zu gelangen!.....

meint plotin
 
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@KarlSchmidt



Dir ist bestimmt aufgefallen, dass ich einen User hier schon mehrmals gelobt habe. Es ist deutlich erkennbar, dass er einen hohen IQ hat.



Menschen mit maximal durchschnittlicher Intelligenz versuchen nicht ehrlich, eine Sache zu verstehen, sondern bewerten sie (und die beteiligten Menschen) reflexhaft unmittelbar nach den ersten Informationen in der Sache.



Ich erzähle Dir eine andere Geschichte, eine von mir. Vielleicht verstehst Du den Sinn dahinter.



Ich verließ nach der 10. Klasse das Gymnasium und machte eine handwerkliche Lehre.



Mir war damals gar nicht bewusst, dass ich eigentlich nie krank war. Denn eines Tages musste ich zum Arzt. Ich lebte am Dorf bei meinen Eltern und ging natürlich zu deren Hausarzt, dem damals einzigen Arzt im Dorf. Zum ersten mal.



Ich war Freitag Morgens mit einem Brummschädel aufgewacht, ohne dass es dafür einen erkennbaren Grund gegeben hatte (kein Alkohol oder so), meldete mich in der Arbeit telefonisch krank. Mein Chef meinte, da Freitag sei, bräuchte ich auch dann ein ärztliches Attest, wenn ich am Montag wiederkäme.



Ich legte mich wieder hin und schlief bis mittags, da war das Kopfweh weg. Ich ging zum Hausarzt meiner Eltern und log ihn auch nicht an, bat ihn um ein Attest für einen Tag, das er mir verweigerte.



Das war derselbe Arzt, der meiner Mutter 20 Jahre später die Überweisung zum Facharzt verweigerte, sie gegen Beschwerden falsch behandelte, die er in seiner Praxis gar nicht diagnostizieren konnte, was dazu führte, dass ihr Tumor zu spät erkannt wurde.



Am Montag kam mein Chef irgendwann auf mich zu und bat mich um das Attest des Arztes. Ich sagte zu ihm: "Der Arzt wollte mir kein Attest geben, weil er mir die Erkrankung nicht glaubte."



Sowas hatte mein Chef vermutlich noch nie erlebt, dass jemand die Wahrheit sagt, wo jeder lügt. Er stand gefühlt 5 Minuten vor mir, mit offenem Mund und starrte mich an.



Dann ging er wieder. Ich hatte keine Nachteile.
 
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