Marianne schrieb:
Der Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation ist im Prinzip schnell beschrieben. Da ist ein Sender, der etwas mitteilen möchte. Er verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen - wir nennen das, was er von sich gibt, seine Nachricht. Dem Empfänger obliegt es, dieses wahrnehmbare Gebilde zu entschlüsseln. In der Regel stimmen gesendete und empfangene Nachricht leidlich überein, so daß eine Verständigung stattgefunden hat. Dennoch treten häufig Probleme auf.
Der Begriff "Verschlüsselung" ist mE irreführend, auch wenn manche Kummunikation "verschlüsselt" stattfindet, damit nur die Kommunikationspartner die Nachricht verstehen, die im Besitz des Schlüssels sind.
Kommunikation sollte technisch gesprochen nach einem festgelegten Protokoll erfolgen, auf das sich Sender und Empfänger festgelegt haben, damit es keine Verständigungsprobleme gibt. Aber so etwas funktioniert eben nur in technischen Systemen (zum Glück, sonst wäre menschliche Kommunikation langweilig). In geschlossenen Systemen (Kommunikationspartner haben dieselben "Interessen" und sind nicht auf "Auseinandersetzung" aus) werden Protokolle auch eher eingehalten als in offenen Systemen. Ob solche geschlossenen Systeme (z.B. Friede-Freude-Eierkuchen-Foren/Vereine usw.) erstrebenswert sind, darüber will ich nicht diskutieren.
Diese Kurzinformation zeigt schon deutlich, dass zu dem, was wir Kommunikation nennen immer - mindestens - zwei da sein müssen.
In der Realität hat Watzlawick - und damit Du, Baerliner - sicher Recht: es gibt nichts, was nicht Kommunikation ist ,wenn ja, wenn die face to face -Situation gegeben ist.
Da kann Schweigen ( Ignorieren der Nachricht ) eine unvergleichlich viel härtere Antwort sein als das argumentative, emotionale oder auch nur bestätigende "Ankunftszeichen".
Natürlich hat Watzlawick sein Axiom in den 70er Jahren aufgestellt, als noch niemand was von virtueller Kommunikation wußte, sieht man mal von Brieffreundschaften ab, wo sich die Partner auch noch nie gesehen haben.
Und im realen Leben wird das Schweigen von einer Vielzahl weiterer Botschaften begleitet, die schon Tosto aufgezählt hat. Da kann Schweigen nicht nur Ablehnung, sondern auch Zustimmung bedeuten.
Im Net kann es die Gründe haben, die Robin anführte. ich wiederhole mich nicht gern.
So gesehen, entwickeln sich hier völlig andere Kommunikationsformen, die zu ergründen ich seit einiger Zeit bemüht bin.
Und ich halte es nach wie vor für naiv zu glauben, man könne dieses " reale" Kommunikationsmodell ungebrochen in die virtuelle Welt hinüber " retten".
Enttäuschungen - Irrtümer ( auch solche, auf die Robin anspricht) sind so vorprogrammiert.
Da gebe ich Dir recht. Man irrt sich im Netz viel eher als im realen Leben, wo der Satz "Der erste Eindruck ist immer richtig" meist seine Bestätigung findet.
Es fehlen eben die sinnlichen Wahrnehmungen, die uns im realen Leben zur Verfügung stehen.
Wir müssen uns im virtuellen Gespräch viel mehr auf unseren rollengesteuerten, sachbezogenen Informationsaustausch beschränken.
Im Grunde eine sinnvolle Forderung - nur wer kann das durchhalten? Dem einen gelingt es, dieses Protokoll einzuhalten, dem andern nicht.
Wir dürfen auch nicht glauben, dass, wenn im Diskurs eine Meinung angegriffen wird, auch gleich die Person, die hinter dieser steht gemeint ist.
Mit einigen Ausnahmen schon, wobei ich aber das Thema nicht wieder aufrollen möchte. Gewisse "Gebote" sind für mich einzuhalten. Geschieht dies nicht, dann greife ich nicht nur eine Meinung, sondern auch die Person an.
Diese Tatsache wird von den wenigsten Netusern berücksichtigt ( Hier vor allem in Foren mit einem so breit angelegten Interessensangebot wie es das DF hat, was wiederum Menschen mit unterschiedlichstem Reflexionsfähigkeitsgrad zum " Reden" bringt.) - Es zeigt ja auch, dass die so genannten Höchstforenquoten immer erreicht werden, wenn das - für Zuschauer höchst amüsante - Schauspiel der ungebrochenen Identität von Meinung und " Meiner" - von - eingebildeter - Verständlichkeit abläuft.
Ich kann da nur mit Nestroy sagen:
Es ist alle Schimäre, oba mi, mi unterhalts .."
Und dieser Zweck wird immer erfüllt werden: Für jeden etwas, oder: mit Goethe" wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen" ( Faust 1, Vorspiel auf dem Theater).
Und mit diesem Bekenntnis möchte ich schließen.- sicher seiend, das auch diese meine Worte wieder nur so gelesen werden, wie sie der einzelne User/ die Userin lesen will. Internette Kommunikation ist - meistens - einsames Darstellen von Meinungen . Mitunter - ganz mitunter - gelingt es, einen Disput zu führen.
Und so bleibt - anders als im realen Leben- die internette Kommunikation immer im Keim eine unnette, da sie eben nicht die Verantwortung der Sprecher im lebendigen Diskurs trägt.
Marianne
Vielleicht ist es ja auch ein Zeichen dieser von Dir angesprochenen Resignation, dass die Weblogs in ungeahnter Zahl aus dem Boden sprießen, weil man dort eher einen lebendigen, verantwortlichen Diskurs führen kann als in den Foren, sofern das Weblog jemandem auffällt. Gefällt einem ein unnetter Kommentar nicht, dann kann man ihn löschen. Beschimpfungen werden also im Keim erstickt. Eine sehr wirksame Form der Kommunikation zum Ausdruck, dass man mit dem Kommentierenden nicht weiter kommunizieren möchte, ohne in eine Schlammschlacht zu verfallen.