M
Marianne
Guest
ich verdanke sie ausführlichen virtuellen Gesprächen mit einem Internetpartner, der mir auch einiges klar gemacht hat. Danke an dieser Stelle, W.
Na ja - ich habe das meiste aus der mail abgeschrieben, die er mir geschickt hat
Aber, der Text hat mich nachdenklich gemacht. Ich lasse Euch an meinem Nachdenken teilhaben..
Die
Utopie einer sogenannten elektronischen Agora muß
davon ausgehen, daß diejenigen, die sich zu einer handlungsfähigen Gemeinschaft verbinden, tatsächliche Individuen sind. Indem
diese Idee sich allein auf ältere Modelle direkter Demokratie stützt, widerspricht sie auch hier der Spezifität computergenerierter/ - basierter Kommunikation. Das Modell der Agora ist ja an die tatsächliche Anwesenheit der Gemeinschaftsmitglieder gebunden; allein die schiere
Anzahl der (inzwischen weit über 30 Millionen) Internet- Benutzer,
aber vor allem auch die fehlende Einheit ihrer Identität widersprechen diesem Prinzip der Anwesenheit:
Aber selbst wenn eine vollgültige virtuelle
Präsenz ermöglicht würde, so wäre das Internet gerade in seiner scheinbar unhierarchischen Anlage unfähig, einen Konsens zu erreichen. Das freie Kommunizieren mit Fremden
und Bekannten, die sich unter ihren Namen oder Pseudonymen bekanntgeben
oder Phantasiewesen auf die Datenbahn schicken, führt strukturell
nicht zum Ziel der Übereinstimmung oder des Bruches, sondern
zur beständigen Erweiterung von Varianten. Das Internet bietet
keine Möglichkeit einer öffentlichen Meinungsbildung, und ist daher im Kern untauglich, mit historischen Formen der
demokratischen Begriffsbildung verglichen zu werden.
...............................
Kolonisierung oder "Westward Ho!"
Um diese Inkompatibilität zu verdecken, muß denn auch
die Netz- Gemeinschaft mit einer fiktiven Örtlichkeit versehen
werden, den bereits existierenden (im Verhältnis zum Gesamtnetz wohl marginalen) "Gemeinschaften", die als "Besiedelungen"
an der Grenze zur Wildnis beschrieben werden.
Die Konstruktion einer (vollkommen fiktiven) Gemeinschaft aller Internet-Benutzer richtet sich gegen
die existierende Gesellschaft und die in ihr Herrschenden. Gibt es die die vollständige Trennung von Netz-"Gesellschaft"
und netz-externer Gesellschaf? Autarkie wird eingefordert gegenüber
der bestehenden sozialen Ordnung. Gemäß der liberalen
Ideologie soll innerhalb des Internets keine staatliche Kontrolle herrschen, sondern eine interne Selbstkontrolle der Teilnehmer
untereinander. Hier zeigt sich ein weiterer Selbstwiderspruch,
der aus dem Widerspruch der Utopie mit der Realität des Internet
resultiert:
Auf der einen Seite sollen Zugang zum Netz wie Kommunikate im
Netz vollkommen frei und gleichberechtigt sein. Zum anderen wird
eine Ordnung behauptet, die (wie auch immer definiertes) abweichendes Verhalten sanktioniert.
Auch das ist prinzipiell nicht zu kritisieren, allerdings zeigt
sich hier die behauptete völlige Freiheit der Information als bloße ideologische Floskel; denn die Einschränkung
der Freiheit einzelner ist nichts anderes als Machtausübung,
als die Aufstellung einer internen Gesellschaftsordnung, die nicht zwangsläufig
weniger restriktiv ist als die staatliche. Die Selbstkontrolle
soll zudem auf technischem Wege geschehen, durch die Vorselektion
zu empfangender Kommunikate vermittels maschineller Gatekeeper.
............................
Die Ordnung der Netz- Kommunikation verschwindet auf diesem Weg
aus dem öffentlichen Diskurs in eine Software, die bereits
das bloße Auftauchen vom Konsens abweichender Kommunikate
verhindert. Auseinandersetzung mit offensive material wird gerade nicht einem herrschaftsfreien Diskurs überlasen,
sondern den Programmierern von Zensur-Software-Agenten, die als
eigentliche Zensoren mit enormer Machtfülle erscheinen, weil durch die Festschreibung von automatisierten Selektionskriterien
diese selbst nicht mehr sichtbar und somit nicht mehr kritisierbar
sind.
Marianne
Na ja - ich habe das meiste aus der mail abgeschrieben, die er mir geschickt hat
Aber, der Text hat mich nachdenklich gemacht. Ich lasse Euch an meinem Nachdenken teilhaben..
Die
Utopie einer sogenannten elektronischen Agora muß
davon ausgehen, daß diejenigen, die sich zu einer handlungsfähigen Gemeinschaft verbinden, tatsächliche Individuen sind. Indem
diese Idee sich allein auf ältere Modelle direkter Demokratie stützt, widerspricht sie auch hier der Spezifität computergenerierter/ - basierter Kommunikation. Das Modell der Agora ist ja an die tatsächliche Anwesenheit der Gemeinschaftsmitglieder gebunden; allein die schiere
Anzahl der (inzwischen weit über 30 Millionen) Internet- Benutzer,
aber vor allem auch die fehlende Einheit ihrer Identität widersprechen diesem Prinzip der Anwesenheit:
Aber selbst wenn eine vollgültige virtuelle
Präsenz ermöglicht würde, so wäre das Internet gerade in seiner scheinbar unhierarchischen Anlage unfähig, einen Konsens zu erreichen. Das freie Kommunizieren mit Fremden
und Bekannten, die sich unter ihren Namen oder Pseudonymen bekanntgeben
oder Phantasiewesen auf die Datenbahn schicken, führt strukturell
nicht zum Ziel der Übereinstimmung oder des Bruches, sondern
zur beständigen Erweiterung von Varianten. Das Internet bietet
keine Möglichkeit einer öffentlichen Meinungsbildung, und ist daher im Kern untauglich, mit historischen Formen der
demokratischen Begriffsbildung verglichen zu werden.
...............................
Kolonisierung oder "Westward Ho!"
Um diese Inkompatibilität zu verdecken, muß denn auch
die Netz- Gemeinschaft mit einer fiktiven Örtlichkeit versehen
werden, den bereits existierenden (im Verhältnis zum Gesamtnetz wohl marginalen) "Gemeinschaften", die als "Besiedelungen"
an der Grenze zur Wildnis beschrieben werden.
Die Konstruktion einer (vollkommen fiktiven) Gemeinschaft aller Internet-Benutzer richtet sich gegen
die existierende Gesellschaft und die in ihr Herrschenden. Gibt es die die vollständige Trennung von Netz-"Gesellschaft"
und netz-externer Gesellschaf? Autarkie wird eingefordert gegenüber
der bestehenden sozialen Ordnung. Gemäß der liberalen
Ideologie soll innerhalb des Internets keine staatliche Kontrolle herrschen, sondern eine interne Selbstkontrolle der Teilnehmer
untereinander. Hier zeigt sich ein weiterer Selbstwiderspruch,
der aus dem Widerspruch der Utopie mit der Realität des Internet
resultiert:
Auf der einen Seite sollen Zugang zum Netz wie Kommunikate im
Netz vollkommen frei und gleichberechtigt sein. Zum anderen wird
eine Ordnung behauptet, die (wie auch immer definiertes) abweichendes Verhalten sanktioniert.
Auch das ist prinzipiell nicht zu kritisieren, allerdings zeigt
sich hier die behauptete völlige Freiheit der Information als bloße ideologische Floskel; denn die Einschränkung
der Freiheit einzelner ist nichts anderes als Machtausübung,
als die Aufstellung einer internen Gesellschaftsordnung, die nicht zwangsläufig
weniger restriktiv ist als die staatliche. Die Selbstkontrolle
soll zudem auf technischem Wege geschehen, durch die Vorselektion
zu empfangender Kommunikate vermittels maschineller Gatekeeper.
............................
Die Ordnung der Netz- Kommunikation verschwindet auf diesem Weg
aus dem öffentlichen Diskurs in eine Software, die bereits
das bloße Auftauchen vom Konsens abweichender Kommunikate
verhindert. Auseinandersetzung mit offensive material wird gerade nicht einem herrschaftsfreien Diskurs überlasen,
sondern den Programmierern von Zensur-Software-Agenten, die als
eigentliche Zensoren mit enormer Machtfülle erscheinen, weil durch die Festschreibung von automatisierten Selektionskriterien
diese selbst nicht mehr sichtbar und somit nicht mehr kritisierbar
sind.
Marianne