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Die Logik und das rationale Denken sind überbewertet!

Chris M

Well-Known Member
Registriert
2. November 2014
Beiträge
3.728
Logik und rationales Denken sichern unser Überleben. Es ist logisch und rational, links und rechts zu schauen, ob ein Auto kommt, bevor man die Straße überquert, sich im Winter eine Jacke anzuziehen, bevor man rausgeht und lieber die frischen als die verfaulten Äpfel zu essen. Darüber hinaus sind durch Logik und rationales Denken Bündnisse zwischen den Menschen entstanden, die über den natürlichen Egoismus hinausgehen und nicht zuletzt sind auch die Wissenschaft und die daraus hervorgegangenen Erfindungen auf die Anwendung der Logik und Rationalität zurückzuführen. Ich will also nicht behaupten, dass Logik/Rationalität etwas schlechtes sei, ganz im Gegenteil, ohne sie würden wir noch heute in Höhlen hocken (falls wir jemals wirklich in Höhlen gehockt sind, aber das ist ein anderes Thema).

Jedoch haben wir den Fehler begangen, aus all den Errungenschaften, die wir durch jenes Denken erlangt haben, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass wir auch den Kosmos als Ganzes und das Dasein überhaupt rational und logisch erklären können, was ja der Anspruch der materialistischen Philosophie ist. Dies ist aber aus meiner Sicht eine absolute Anmaßung. Denn es setzt voraus, dass unsere Logik, die unser Überleben sichert und unsere Erfindungen möglich gemacht hat, auch tatsächlich die Logik, also sozusagen die kosmische Logik ist, über der es nichts anderes gibt.

Am besten kann man die Grenzen der Logik aufzeigen, indem man sich mit einem sogenannten Paradoxon befasst.
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Ein Paradoxon (sächlich; Plural Paradoxa; auch das Paradox oder die Paradoxie, Plural Paradoxe bzw. Paradoxien; vom altgriechischen Adjektiv παράδοξος parádoxos „wider Erwarten, wider die gewöhnliche Meinung, unerwartet, unglaublich“) ist ein Befund, eine Aussage oder Erscheinung, die dem allgemein Erwarteten, der herrschenden Meinung oder Ähnlichem auf unerwartete Weise zuwiderläuft oder beim üblichen Verständnis der betroffenen Gegenstände bzw. Begriffe zu einem Widerspruch führt.

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Hier nun einige Beispiele für Paradoxa:

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«Dieser Satz ist falsch»

Ein Klassiker. Es handelt sich um die einfachste Form des Lügner-Paradoxons, das dann entsteht, wenn ein Satz seine eigene Unwahrheit behauptet. Seine Selbstbezüglichkeit dreht der Logik eine Schlinge, in der sie sich heillos verheddert. Ein unauflöslicher Widerspruch tut sich auf: Wenn der Satz zutrifft, ist er das, was er aussagt: falsch. Ist er falsch, muss er richtig sein. Und so weiter.
Die Negation, die darin steckt, dass eine Aussage sich selber widerruft, zeigt sich im eigentlichen Lügner-Paradoxon, wenn nämlich jemand behauptet: «Ich lüge gerade». Trifft der Satz zu, lügt der Sprecher – und der Satz muss falsch sein. Trifft er nicht zu, sagt der Sprecher die Wahrheit – und der Satz muss zutreffen.

«Beachte diesen Hinweis nicht!»

Auch dieser Satz gehört zu den unmöglichen Aussagen, wie wir sie beim Lügner-Paradoxon antreffen. Er ist ein Paradebeispiel für einen performativen Widerspruch – eine Form, die im Widerspruch zu ihrem Inhalt steht, hier in der Gestalt einer paradoxen Handlungsanweisung. Solche vertrackten Aussagen – «Sei spontan!» zum Beispiel – lassen dem Adressaten keine Möglichkeit, das Richtige zu tun. Er muss zwangsläufig etwas falsch machen, weil er widersprüchliche Anweisungen erhält.

Rasiert der Barbier sich selber?

Das Barbier-Paradoxon – ebenfalls ein Paradoxon der Selbstbezüglichkeit – wurde 1918 von dem britischen Philosophen und Mathematiker Bertrand Russell aufgestellt. Es lautet: «Man kann einen Barbier als einen definieren, der all jene und nur jene rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Die Frage ist: Rasiert der Barbier sich selbst?» Nun, falls er sich selbst rasiert, dann rasiert er sich nicht selbst, denn er rasiert nur jene, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich aber nicht selbst, so gehört er zu jenen, die er per definitionem rasiert.

Das Henker-Paradoxon

Ein etwas morbides Beispiel ist das Paradoxon der unerwarteten Hinrichtung oder Henker-Paradoxon, das in einer harmloseren Variante auch als Paradoxon der unerwarteten Prüfung bekannt ist. Ein perfider Richter teilt einem zum Tode Verurteilten mit, man werde ihn in der nächsten Woche – von Montag bis Freitag – hinrichten. Die Hinrichtung werde überraschend erfolgen, denn man nenne ihm den Termin nicht. Der Verurteilte weiss aber, dass Exekutionen jeweils am Mittag stattfinden.
Der Verurteilte schöpft aus diesen Angaben Hoffnung: Ist er am Donnerstag nach dem Mittag noch am Leben, kann er am Freitag nicht mehr hingerichtet werden, denn das wäre ja nicht mehr überraschend. Ist aber der Freitag ausgeschlossen, kann er auch am Donnerstag nicht mehr exekutiert werden, und so weiter. «Unter dieser Bedingung kann ich also überhaupt nicht hingerichtet werden», denkt sich der Verurteilte – und wird am Mittwoch, völlig überrascht, aufs Schafott geführt.
Die Schlussfolgerung des Verurteilten, dass er am Freitag nicht mehr hingerichtet werden kann, beruht auf der Voraussetzung, dass er am Donnerstag noch lebt. Daraus leitet er die weiteren Folgerungen ab, die aber alle auf dieser ersten aufbauen.

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Im echten Zen, also nicht in der weichgespülten westlichen Wellness-Version davon, gibt es die sogenannten Koans:

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Ein Kōan (jap. 公案; chinesisch 公案, Pinyin gōng'àn, W.-G. kung-an – „Öffentlicher Aushang“; hgl. 공안, gong-an; andere gebräuchliche Transkriptionen aus dem Koreanischen: Kung-an, Kungan; viet. công án) ist im chinesischen Chan- bzw. japanischen Zen-Buddhismus eine kurze Anekdote oder Sentenz, die eine beispielhafte Handlung oder Aussage eines Zen-Meisters, ganz selten auch eines Zen-Schülers, darstellt.

Verlauf und Pointen dieser speziellen Anekdoten wirken auf den Laien meist vollkommen paradox, unverständlich oder sinnlos.

Das bekannteste Kōan, das inzwischen auch im Westen Allgemeingut geworden ist, ist die Frage nach dem Geräusch einer einzelnen klatschenden Hand (Hakuins Sekishu, von Meister Hakuin Ekaku).


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Beispiele für Koans:

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Ein junger Mann trat vor Tao-hsin "Bitte gebt mir einen Fingerzeig." Tao-hsin hob die vor ihm liegende Tasse auf und fragte den Mann "Wer hat diese Tasse bewegt?" Später sagte Tao-hsin "Im Zirkus finde ich immer Arbeit."

Ein Mann kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Was ist wichtiger: die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft?" Tao-hsin trat zu dem Mann hin, schlug ihn, setzte sich wieder und fragte "Was war schlimmer: mich kommen zu sehen oder der Schmerz oder die Erinnerung daran?" Der Mann war sprachlos und ging.
Später sagte Tao-hsin "Aua!"

Ein weiser Mann kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Darf ich in meiner Welt leben?" Tao-hsin antwortete "Geh weg und komm zurück."

Ein Gelehrter trat vor Tao-hsin und sprach ihn an "Sag mir deine Wahrheit." Tao-hsin sagte "Für einmal will ich sprechen, so hört alle gut zu, aber erzählt es nicht weiter und behaltet es für euch: Da ist nichts."
Später sagte Tao-hsin zu Hung-jen "Was für ein Theater!"


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(Dieses Posting ist so lang geworden, dass ich es in zwei Teile aufsplitten musste, im Folgebeitrag geht es weiter...)
 
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Und zu guter Letzt sind da noch die Erkenntnisse der Quantenphysik und hier insbesondere die sogenannte Kopenhagener Deutung. Diese lehren uns, dass unser bisheriges lineares Verständnis des Universums auf der subatomaren Ebene völlig zusammenbricht. Dort kann man nur noch mit Wahrscheinlichkeiten rechnen, man kann nicht gleichzeitig den Ort und die Geschwindigkeit eines Teilchens bestimmen, außerdem sind Teilchen gleichzeitig auch Wellen und umgekehrt und überhaupt geht das alles völlig gegen die menschliche Logik.

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Kopenhagener Deutung


Gemäß der Kopenhagener Interpretation ist der Wahrscheinlichkeitscharakter quantentheoretischer Vorhersagen nicht Ausdruck der Unvollkommenheit der Theorie, sondern des prinzipiell indeterministischen Charakters von quantenphysikalischen Naturvorgängen. Es ist allerdings nicht unproblematisch, Nicht-Vorhersagbarkeit mit Indeterminismus zu verbinden. Es ist möglich, dass wir bestimmte Ereignisse nicht vorhersagen können, ohne annehmen zu müssen, dass diese Ereignisse indeterministisch erfolgen. Ferner wird in dieser Interpretation darauf verzichtet, den Objekten des quantentheoretischen Formalismus, also vor allem der Wellenfunktion, eine Realität in unmittelbarem Sinne zuzusprechen. Stattdessen werden die Objekte des Formalismus lediglich als Mittel zur Vorhersage der relativen Häufigkeit von Messergebnissen interpretiert, die als die einzigen Elemente der Realität angesehen werden.
Die Quantentheorie und diese Deutungen sind damit von erheblicher Relevanz für das naturwissenschaftliche Weltbild und dessen Naturbegriff.


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Dazu noch ein Paradoxon aus diesem Gebiet:

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Schrödingers Katze

In dem Gedankenexperiment befinden sich in einem geschlossenen Kasten eine Katze und ein instabiler Atomkern, der innerhalb einer bestimmten Zeitspanne mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfällt. Der Zerfall löst mittels eines Geigerzählers die Freisetzung von Giftgas aus, welches die Katze tötet.

Schrödinger argumentiert nun, dass – wenn die Quantenphysik auch auf makroskopische Systeme anwendbar wäre – nicht nur der Atomkern, sondern auch die Katze in einen Zustand der Überlagerung geraten müsste. Diese Überlagerung würde erst beendet, wenn jemand den Kasten öffnet und den Zustand der Katze überprüft. Dies stellt eine Messung dar, die entweder das Ergebnis „tot“ oder „lebendig“ feststellt. Bis dahin wäre die Katze also lebendig und gleichzeitig tot. Diese Schlussfolgerung erscheint paradox.


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Meine Schlussfolgerung aus all dem ist folgende: Die Logik und das rationale Denken haben durchaus ihren Platz in unserem Leben, aber wir sollten nicht versuchen, mit diesen Werkzeugen den Kosmos oder das Dasein als solches zu verstehen. Denn obwohl das menschliche Gehirn sicherlich das komplexeste Gebilde ist, dass wir kennen, sind wir letztlich dennoch viel zu begrenzt um das große Ganze zu durchschauen.
 
Das menschliche Gehirn ist ein Produkt der Evolution und darauf optimiert, seinem Träger das Überleben zu sichern. Die von Dir so genannten "großen Fragen" kann ein Menschenhirn problemlos stellen und sogar beantworten. Das wird täglich gemacht. Aber: Mir ist keine Instanz bekannt, welche die Qualität dieser Fragen oder die der Antworten kompetent beurteilen könnte. Die Richtigkeit aller menschlichen Behauptungen über Dinge, die wesentlich über menschliche Raum-/Zeitdimensionen hinausgehen, wird deshalb stets fraglich bleiben.

Ein Aspekt jedoch zählt wirklich im Sinne der Evolution: Wie wirken sich die Ideen und Vorstellungen eines Menschenhirnes auf die Vitalität, die soziale Kompetenz und die Reproduktionsfreudigkeit seines Trägers aus?

Will sagen: Der Inhalt "großer Vorstellungen" ist wurscht, Hauptsache viele Kinder, die fit fürs Leben sind.
 
Logik und rationales Denken sichern unser Überleben. Es ist logisch und rational, links und rechts zu schauen, ob ein Auto kommt, bevor man die Straße überquert, sich im Winter eine Jacke anzuziehen, bevor man rausgeht und lieber die frischen als die verfaulten Äpfel zu essen. Darüber hinaus sind durch Logik und rationales Denken Bündnisse zwischen den Menschen entstanden, die über den natürlichen Egoismus hinausgehen und nicht zuletzt sind auch die Wissenschaft und die daraus hervorgegangenen Erfindungen auf die Anwendung der Logik und Rationalität zurückzuführen. Ich will also nicht behaupten, dass Logik/Rationalität etwas schlechtes sei, ganz im Gegenteil, ohne sie würden wir noch heute in Höhlen hocken (falls wir jemals wirklich in Höhlen gehockt sind, aber das ist ein anderes Thema).

Jedoch haben wir den Fehler begangen, aus all den Errungenschaften, die wir durch jenes Denken erlangt haben, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass wir auch den Kosmos als Ganzes und das Dasein überhaupt rational und logisch erklären können, was ja der Anspruch der materialistischen Philosophie ist. Dies ist aber aus meiner Sicht eine absolute Anmaßung. Denn es setzt voraus, dass unsere Logik, die unser Überleben sichert und unsere Erfindungen möglich gemacht hat, auch tatsächlich die Logik, also sozusagen die kosmische Logik ist, über der es nichts anderes gibt.

Am besten kann man die Grenzen der Logik aufzeigen, indem man sich mit einem sogenannten Paradoxon befasst.
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Ein Paradoxon (sächlich; Plural Paradoxa; auch das Paradox oder die Paradoxie, Plural Paradoxe bzw. Paradoxien; vom altgriechischen Adjektiv παράδοξος parádoxos „wider Erwarten, wider die gewöhnliche Meinung, unerwartet, unglaublich“) ist ein Befund, eine Aussage oder Erscheinung, die dem allgemein Erwarteten, der herrschenden Meinung oder Ähnlichem auf unerwartete Weise zuwiderläuft oder beim üblichen Verständnis der betroffenen Gegenstände bzw. Begriffe zu einem Widerspruch führt.

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Hier nun einige Beispiele für Paradoxa:

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«Dieser Satz ist falsch»

Ein Klassiker. Es handelt sich um die einfachste Form des Lügner-Paradoxons, das dann entsteht, wenn ein Satz seine eigene Unwahrheit behauptet. Seine Selbstbezüglichkeit dreht der Logik eine Schlinge, in der sie sich heillos verheddert. Ein unauflöslicher Widerspruch tut sich auf: Wenn der Satz zutrifft, ist er das, was er aussagt: falsch. Ist er falsch, muss er richtig sein. Und so weiter.
Die Negation, die darin steckt, dass eine Aussage sich selber widerruft, zeigt sich im eigentlichen Lügner-Paradoxon, wenn nämlich jemand behauptet: «Ich lüge gerade». Trifft der Satz zu, lügt der Sprecher – und der Satz muss falsch sein. Trifft er nicht zu, sagt der Sprecher die Wahrheit – und der Satz muss zutreffen.

«Beachte diesen Hinweis nicht!»

Auch dieser Satz gehört zu den unmöglichen Aussagen, wie wir sie beim Lügner-Paradoxon antreffen. Er ist ein Paradebeispiel für einen performativen Widerspruch – eine Form, die im Widerspruch zu ihrem Inhalt steht, hier in der Gestalt einer paradoxen Handlungsanweisung. Solche vertrackten Aussagen – «Sei spontan!» zum Beispiel – lassen dem Adressaten keine Möglichkeit, das Richtige zu tun. Er muss zwangsläufig etwas falsch machen, weil er widersprüchliche Anweisungen erhält.

Rasiert der Barbier sich selber?

Das Barbier-Paradoxon – ebenfalls ein Paradoxon der Selbstbezüglichkeit – wurde 1918 von dem britischen Philosophen und Mathematiker Bertrand Russell aufgestellt. Es lautet: «Man kann einen Barbier als einen definieren, der all jene und nur jene rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Die Frage ist: Rasiert der Barbier sich selbst?» Nun, falls er sich selbst rasiert, dann rasiert er sich nicht selbst, denn er rasiert nur jene, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich aber nicht selbst, so gehört er zu jenen, die er per definitionem rasiert.

Das Henker-Paradoxon

Ein etwas morbides Beispiel ist das Paradoxon der unerwarteten Hinrichtung oder Henker-Paradoxon, das in einer harmloseren Variante auch als Paradoxon der unerwarteten Prüfung bekannt ist. Ein perfider Richter teilt einem zum Tode Verurteilten mit, man werde ihn in der nächsten Woche – von Montag bis Freitag – hinrichten. Die Hinrichtung werde überraschend erfolgen, denn man nenne ihm den Termin nicht. Der Verurteilte weiss aber, dass Exekutionen jeweils am Mittag stattfinden.
Der Verurteilte schöpft aus diesen Angaben Hoffnung: Ist er am Donnerstag nach dem Mittag noch am Leben, kann er am Freitag nicht mehr hingerichtet werden, denn das wäre ja nicht mehr überraschend. Ist aber der Freitag ausgeschlossen, kann er auch am Donnerstag nicht mehr exekutiert werden, und so weiter. «Unter dieser Bedingung kann ich also überhaupt nicht hingerichtet werden», denkt sich der Verurteilte – und wird am Mittwoch, völlig überrascht, aufs Schafott geführt.
Die Schlussfolgerung des Verurteilten, dass er am Freitag nicht mehr hingerichtet werden kann, beruht auf der Voraussetzung, dass er am Donnerstag noch lebt. Daraus leitet er die weiteren Folgerungen ab, die aber alle auf dieser ersten aufbauen.

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Im echten Zen, also nicht in der weichgespülten westlichen Wellness-Version davon, gibt es die sogenannten Koans:

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Ein Kōan (jap. 公案; chinesisch 公案, Pinyin gōng'àn, W.-G. kung-an – „Öffentlicher Aushang“; hgl. 공안, gong-an; andere gebräuchliche Transkriptionen aus dem Koreanischen: Kung-an, Kungan; viet. công án) ist im chinesischen Chan- bzw. japanischen Zen-Buddhismus eine kurze Anekdote oder Sentenz, die eine beispielhafte Handlung oder Aussage eines Zen-Meisters, ganz selten auch eines Zen-Schülers, darstellt.

Verlauf und Pointen dieser speziellen Anekdoten wirken auf den Laien meist vollkommen paradox, unverständlich oder sinnlos.

Das bekannteste Kōan, das inzwischen auch im Westen Allgemeingut geworden ist, ist die Frage nach dem Geräusch einer einzelnen klatschenden Hand (Hakuins Sekishu, von Meister Hakuin Ekaku).


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Beispiele für Koans:

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Ein junger Mann trat vor Tao-hsin "Bitte gebt mir einen Fingerzeig." Tao-hsin hob die vor ihm liegende Tasse auf und fragte den Mann "Wer hat diese Tasse bewegt?" Später sagte Tao-hsin "Im Zirkus finde ich immer Arbeit."

Ein Mann kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Was ist wichtiger: die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft?" Tao-hsin trat zu dem Mann hin, schlug ihn, setzte sich wieder und fragte "Was war schlimmer: mich kommen zu sehen oder der Schmerz oder die Erinnerung daran?" Der Mann war sprachlos und ging.
Später sagte Tao-hsin "Aua!"

Ein weiser Mann kam zu Tao-hsin und fragte ihn "Darf ich in meiner Welt leben?" Tao-hsin antwortete "Geh weg und komm zurück."

Ein Gelehrter trat vor Tao-hsin und sprach ihn an "Sag mir deine Wahrheit." Tao-hsin sagte "Für einmal will ich sprechen, so hört alle gut zu, aber erzählt es nicht weiter und behaltet es für euch: Da ist nichts."
Später sagte Tao-hsin zu Hung-jen "Was für ein Theater!"


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(Dieses Posting ist so lang geworden, dass ich es in zwei Teile aufsplitten musste, im Folgebeitrag geht es weiter...)


Sehr interessant. Nein, wir können wahrscheinlich nicht alles erklären.

Hier noch ein Beispiel von Friedrich Nietzsche in "Also sprach Zarathustra":

Ein Jünger fragt Zarathustra, warum er einmal gesagt hat, dass alle Dichter lügen. Nachdem ihm Zarathustra erklärt hat, dass er nicht immer alle seine Gründe behalten kann, antwortet er ihm dann doch. Er sagt, dass auch er ein Dichter ist. Dann gibt er ihm ein Gleichnis, womit der Jünger nicht zufrieden ist. Zarathustra trägt dann nach einer Pause ein anderes Gleichnis vor. Die Frage ist nun: Welches stimmt?
Die viel wichtigere Frage ist aber auch: Wenn Zarathustra ein Dichter ist und es wahr ist, dass alle Dichter lügen, hat er dann die ganze Zeit über gelogen? Und was ist mit der Aussage, dass alle Dichter lügen, selbst? Ist diese wahr? Aber das würde keinen Sinn machen.

Verstehst du das Dilemma?

An dieser Stelle hätte ich fast das Buch in die Ecke geschmissen und nie mehr aufgeschlagen. Zum Glück habe ich das aber nicht gemacht.
 
An dieser Stelle hätte ich fast das Buch in die Ecke geschmissen und nie mehr aufgeschlagen.

Das ist die Reaktion der meisten Leute auf Paradoxa. Sie sagen: Das macht keinen Sinn und ignorieren und verdrängen die Sache, weil es ihnen Angst macht.

Zum Glück habe ich das aber nicht gemacht.

Dass du das nicht gemacht hast, zeichnet dich aus. Damit bist du denen voraus, die solche Dinge verdrängen.
 
Die von Dir so genannten "großen Fragen" kann ein Menschenhirn problemlos stellen und sogar beantworten. Das wird täglich gemacht. Aber: Mir ist keine Instanz bekannt, welche die Qualität dieser Fragen oder die der Antworten kompetent beurteilen könnte. Die Richtigkeit aller menschlichen Behauptungen über Dinge, die wesentlich über menschliche Raum-/Zeitdimensionen hinausgehen, wird deshalb stets fraglich bleiben.

Leider stimmt das. Oder vielleicht auch nicht. Ich will es so sagen: Es stimmt für mich, aus meiner Warte heraus, dass ich es nicht beurteilen kann, ob die großen Fragen überhaupt richtig gestellt sind und ob die großen Antworten, die gegeben wurden, richtig sind. Und wenn ja, welche. Es wurden ja widersprüchliche Aussagen getätigt, es kann zum Beispiel nicht gleichzeitig die Bibel und die Baghavad Gita die absolute Wahrheit sein.

Es gibt allerdings jene Zeitgenossen, die von der Möglichkeit der Erleuchtung sprechen, also von der direkten Erkenntnis der Wahrheit. Aber natürlich - auch hier gibt es Widersprüche, es können nicht gleichzeitig Buddha und Jed McKenna die absolute Wahrheit erkannt haben, weil sie nach ihrer Erleuchtung unterschiedliche Dinge von sich gaben. Buddha predigte Mitleid, McKenna predigte Gleichgültigkeit.

Eine zeit lang habe ich mich sehr intensiv mit Rudolf Steiners Anthroposophie beschäftigt. Es ist leicht sich da überwältigen zu lassen, weil die schiere Menge an Informationen einen erschlägt. Aber nun mit etwas zeitlichem Abstand muss ich ehrlicherweise sagen, dass ich keine Ahnung und keine Möglichkeit zu überprüfen habe ob auch nur ein Wort davon wirklich stimmt (hier muss ich Giacomo nachträglich recht geben). Natürlich spricht Steiner immer davon, dass man das alles selber nachprüfen könne, wenn man nur entsprechende seherische Fähigkeiten erwerben würde. Aber, auch das ist ja eine Behauptung. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, mich mental und finanziell über Wasser zu halten, als dass ich Zeit und Muße hätte, mich auf den harten und langen Weg einer direkten Erleuchtung zu machen - falls diese überhaupt möglich ist. Ich glaube ja sowieso, dass der Tod die wahre Erleuchtung ist und der kommt von alleine.

Ein Aspekt jedoch zählt wirklich im Sinne der Evolution: Wie wirken sich die Ideen und Vorstellungen eines Menschenhirnes auf die Vitalität, die soziale Kompetenz und die Reproduktionsfreudigkeit seines Trägers aus?

Will sagen: Der Inhalt "großer Vorstellungen" ist wurscht, Hauptsache viele Kinder, die fit fürs Leben sind.

Ja, das ist natürlich die pragmatische Sichtweise. Allerdings bin ich von der klassischen Evolutionslehre nicht besonders überzeugt, sie ist mir viel zu materialistisch. Mir geht es um die spirituelle Dimension des Daseins.
 
Manche können sehr viel und sehr überzeugend reden. Und? Davon wird nichts wahr, was ausgedacht ist.
All diese vielplappernden Geistesriesen verdienen zwar ihren Lebensunterhalt damit, ansonsten vermuten und glauben sie nur, wie alle anderen Menschen auch.
Wenn ein Wesen nur +- 80 Jahre lebt und nur +- 1,8 m groß ist, dann ist es zu kurzlebig und zu klein, um größere Vorgänge zu erfassen, auch wenn es noch so wissend und weise in die Kamera schaut.
 
Manche können sehr viel und sehr überzeugend reden. Und? Davon wird nichts wahr, was ausgedacht ist.
All diese vielplappernden Geistesriesen verdienen zwar ihren Lebensunterhalt damit, ansonsten vermuten und glauben sie nur, wie alle anderen Menschen auch.
Wenn ein Wesen nur +- 80 Jahre lebt und nur +- 1,8 m groß ist, dann ist es zu kurzlebig und zu klein, um größere Vorgänge zu erfassen, auch wenn es noch so wissend und weise in die Kamera schaut.

Trotzdem muss man sich ja irgendwie die Zeit bis zur Beerdigung vertreiben. Die einen machen das mit Fußball oder anderen Hobbys, die anderen mit "Philosophie" und "Spiritualität" - ich gehöre halt eher zu letzteren.
 
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Trotzdem muss man sich ja irgendwie die Zeit bis zur Beerdigung vertreiben. Die einen machen das mit Fußball oder anderen Hobbys, die anderen mit "Philosophie" und "Spiritualität" - ich gehöre halt eher zu letzteren.
Ja, o.k. Akzeptiert. :)

Du könntest ja zum Zeitvertreib auch mal eine eigene Spiritualität erfinden. Was Eckhart Tolle kann, kannst Du auch.
 
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