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Man kann nicht nicht kommunizieren

@ Robin:
schon seit Kant übersetzten wir den von Dir so trefflich als Vernebelungseffekt eingesetzten Begriff Kontingenz als Zufall.
Und der, da gebe ich Dir voll Recht, spielt in der virtuellen und realen Kommunikation eine sehr große Rolle.
Und noch einmal gebe ich Dir Recht: Subtexte ( ich sage lieber, Texte, die etwas anders meinen als sie sagen und so der Mehrdeutigkeit anheimfallen können) hat es immer gegeben - alle ironischen Texte sind solche - . Jeden Ironiker als boshaft - wenn auch implizit - zu denunzieren, halte ich für fragwürdig oder zumindestens für pamphletistisch.


Die Notwendigkeit und Möglichkeit, Texte deuten zu können, ja sie zu müssen ( Gesetzessprache) als Deutungshoheit irgendwelcher Gurus zu bezeichnen, halt ich für einigermaßen überheblich.
Du hast in kommunikativen Prozessen in Deinen Gebieten die Deutungshoheit - ein anderer wieder anderswo. In Zeiten von Spezialistentum hat jeder Spezialist die seinem Gebiete gemäße - oft auch hart erworbene - Kompetenz der Deutung. - albernes psychologisierendes Gequassele zu allem und jedem Sachthema halte ich allerdings - so wie Du - für die Hybris unserer Zeit. ( Talkshows sind einer der übelsten Auswüchse des von mir Gemeinten - und Foren können es auch sein.)
So sehe ich das.

Außerdem bin ich so wie so der Meinung, dass kein Mensch einen anderen ganz verstehen kann, trotz größter Nähe im gebrauchten Zeichensystem oder menschlicher Nähe.
Und deshalb ist die Zufälligkeitsquote der gelungenen - als irgendwie deckungsgleich gedachten - Kommunikation immer höchst zufällig.
Ich nehme hier das System der Wissenschaftssprache aus: Falsifiktion des erkannten Fakts macht es jederzeit möglich, sich von einer gleichen Basis aus zu verständigen. Darauf hat ja der Techniker Baerliner schon hingewiesen.



Grüße
Marianne
 
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Ich habe mal bei WIKIPEDIA nachgeschaut:

Kontingenz hat verschiedene Bedeutungen:

1. die Zufälligkeit in Hinsicht auf eine übergeordnete schicksalhafte Notwendigkeit, siehe Kontingenz (Philosophie)
2. die prinzipielle Offenheit menschlicher Lebenserfahrungen, siehe Kontingenz (Soziologie)
3. ein statistischer Zusammenhang nominalskalierter Merkmale Kontingenz (Statistik)

Robin,

Du meinst sicher die zweite Bedeutung, zu der bei WIKIPEDIA weiter folgendes ausgeführt wird:

http://de.wikipedia.org/wiki/Kontingenz_(Soziologie)

Und da im speziellen:

Ein Spezialproblem der Kontingenz ist die doppelte Kontingenz. Sie beschreibt die Unwahrscheinlichkeit von gelingender Kommunikation, wenn zwei Individuen ihre Handlungen jeweils von den kontingenten Handlungen des Gegenübers abhängig machen.

Habe ich Dich richtig verstanden? Ich habe keine "Deutungshoheit", was die
Aussagen von Luhman angeht.
 
baerliner schrieb:
I

Ein Spezialproblem der Kontingenz ist die doppelte Kontingenz. Sie beschreibt die Unwahrscheinlichkeit von gelingender Kommunikation, wenn zwei Individuen ihre Handlungen jeweils von den kontingenten Handlungen des Gegenübers abhängig machen.

Habe ich Dich richtig verstanden? Ich habe keine "Deutungshoheit", was die
Aussagen von Luhman angeht.

Wow!
Dass du das rausgekriegt hast, Respekt.
Ich wollte eigentlich nicht andauernd "luhmannisieren", aber ich kann vielleicht nicht anders.
Aber das genau wollte ich sagen: Dass durch das Hineininterpretieren von Subtexten sich die Gefahr des Misslingens von Kommunikation ernhöht. Da Watzlawick von der PSychologie kommt, würde ich das die "Psychologisierung von Kommunikation" nennen. Ich denke, wir haben es hier mit einem Übergang zu tun: Kommunikation, die früher mehr durch Rollen bestimmt und schematisiert war (Mutter-Tochter, Familienoberhaupt-Familienmitglied, Vorgesetzter-Untergebener usw.) wird zunehmend strukturiert (und verkompliziert) durch individuell ausgehandelte, intersubjektive Beziehungen. Diese müssen sich täglich neu finden, und die Subtexte, also vermutete Intentionen von stattgefundener oder unterlassener Kommunikation, spielen dabei eine immer größere Rolle. Freundschaften gelten nicht mehr fürs Leben, sondern man muss täglich "an ihnen arbeiten", geschickter Umgang mit psychologischem Wissen erlaubt auch untergebenen Arbeitnehmern, sich Dominanzvorteile zu verschaffen, weil auch ein hierarchisch höher stehender Chef sich stets in Frage stellen lassen muss.
Auf dem Büchermarkt wimmelt es von Ratgebern, die anzeigen, wie man den Mann/die Frau zu behandeln hat. Soll man sie/ihn warten lassen? Soll man sein Interesse spüren lassen oder die Libido des Anderen durch Ignoranz aufstacheln? Hilft das scheinbare Anbandeln mit der Konkurrenz? Befragt man den besten Freund/die Freundin?
Diese ganze Literatur zum Thema doppelter Kontingenz dient scheinbar als Wegweiser durch einen kommunikativen Dschungel. Aber gleichzeitig bildet die Literatur diesen Dschungel erst aus! Denn die fortwährende Thematisierung von "Beziehungsstrategien" (auch in Soaps und Serien) erzeugt das Gefühl, es ginge gar nicht mehr ohne Tricks und Subtexte! Es droht dann die Fähigkeit verloren zu gehen, einen aufrichtigen Gefühlsausdruck zu erkennen und ihm zu vertrauen.
So zumindest meine diskutable These. Man könnte sehr verkürzt sagen: Der Satz, man kann nicht nicht kommunizieren ist eine self-fulfilling phrophecy

Man wird aber struktuerell ähnliche Vorläufer sicher in den komplizierten Kommunikationsstrategien des Hochbürgertums schon im 19. Jahrhundert finden (Proust).
 
Und - Robin- indem Du mit keinem Wort auf meine Botschaft an Dich eigegangen bist, hast Du Baerliners These: man kann nicht nicht kommuninizieren prächtig - sogat in virtueller Kommuniktion ganz geleert (IRONIE) bewiesen.
Du erlaubst doch, dass ich Dich namentlich anspreche ---- macht mir nämliich diebischen Spaß.

Ich verfolge mit - fast wissenschaftlichem - Interesse die Kommunikationsformen in einigen Foren. Gründe liegen sowohl im Privaten als auch im Sachlichen. Du kennst meine Kompetenzen.
Auch diese Threadsequenz hat mich Erkenntisse sammeln lassen.
Sie sind denen Deiner Worte oben ähnlich, wenngleich auch konkreter - empirischer halt.
fröhliche Grüße -
Marianne

Ach: ich werde Dir im Thread hier nicht mehr antworten - ich übernehme Deine Strategie - willentlich und wissend um die Folgen.
Und da Deine ja Schweigen ist, werden wir beide uns halt ergötzlich anschweigen.

Außer: Du gibst wieder mal so einen tollen Text ins Kreativeckerl. Da muss sich meine Deutungskompetenz austoben.
 
Hauptsächlich an Marianne!

Nicht-Kommunikation als Kommunikation zu betrachten kommt dem "albernen Psychologisieren" (@Marianne) sehr nahe.

Wenn ich schweige, dann ist alles, was der andere wahrnehmen kann, mein Schweigen. Meine Gründe kennt keiner außer mir. Alles was in mein Schweigen hineininterpretiert wird, ist Spekulation.

Im Alltag geschieht das dauernd und unspektakulär. "Es wird ihm doch hoffentlich gut gehen", "hat er mal wieder keine Zeit um anzurufen", "der hat grad ziemlich viel zu tun", "hat sie mich vergessen?" Solche Sätze kennen wir doch zuhauf.

Mir scheint, auf einen Beitrag nicht einzugehen, kann eine Strategie sein - oder auch nicht. Die Interpretation liegt immer in der Vorstellung des Betrachters.
:schaukel:

Ein paar Gründe zur Auswahl, warum ich nicht reagiert habe:

Ich verstehe einen großen Teil deiner Formulierungen nicht.

Es ist mir oft zu mühsam, mich durch Nachschlagen und Zusammenhänge-Suchen zu kämpfen.

Ich spiele gern mit Worten und Themen, aber ich liebe dabei eine gewisse Leichtigkeit im Diskussionsstil.

Ich mag es nicht, wenns ums Recht-Haben geht.

Intellektueller Austausch von anstudiertem Wissen ohne Bezug zu meinem Leben interessiert mich nicht.

Zu manchen Dichtern, Philosophen, Poeten, Wissenschaftlern.... habe ich keinen Draht.

Ich habe auch noch ein Leben außerhalb des Forums, das reiht meine Prioritäten ab und zu neu.

Die angesprochenen Themen sind für mich momentan gerade nicht relevant


herzlich
lilith
 
Aber, liebe Lillith - Du warst damit nicht gemeint.
Mitunter ists doch gut, wenn frau privat wird.
Das ist richtig, dass Du eine der beiden Frauen warst, der ich meinen Weblog schrieb. - In ihm geht es um rein poetische Texte, die ich eher nur für mich - dort deponiere.
Dir - eben, weil Du mir sympathisch bist - , wollte ich zeigen, dass es mir eben weder um Rechthaben, noch um Forenwindmachen geht.

Ansonsten gelten Deine Gründe, warum Du nicht auf meine Postings reagierst, auch für mich - bei den meisten Threads der meisten User.
Schließlich will sich ja jede/r hier nach eigenen Maßstäben unterhalten -also: auch hier: jedem das Seine...


Aber mir scheint, wir beide haben das Maß an Offenheit, um sogar Metakommunikation zu betreiben, d.h. wir können darüber reden, wie wir miteinander reden.
Das finde ich super !
Liebe Grüße

Marianne
 
lilith51 schrieb:
Nicht-Kommunikation als Kommunikation zu betrachten kommt dem "albernen Psychologisieren" (@Marianne) sehr nahe.

Wenn ich schweige, dann ist alles, was der andere wahrnehmen kann, mein Schweigen. Meine Gründe kennt keiner außer mir. Alles was in mein Schweigen hineininterpretiert wird, ist Spekulation.

Im Alltag geschieht das dauernd und unspektakulär. "Es wird ihm doch hoffentlich gut gehen", "hat er mal wieder keine Zeit um anzurufen", "der hat grad ziemlich viel zu tun", "hat sie mich vergessen?" Solche Sätze kennen wir doch zuhauf.

Mir scheint, auf einen Beitrag nicht einzugehen, kann eine Strategie sein - oder auch nicht. Die Interpretation liegt immer in der Vorstellung des Betrachters.
:schaukel:

Lilith,

ganz kann ich Dir nicht zustimmen, dass es eine reine Interpretationsfrage ist, ob auf eine Botschaft reagiert wird oder nicht.

Wenn diese Botschaft nur noch in einem Angriff auf eine Person (im Forum) besteht, dann ist keine Antwort eine Störung der Kommunikation wie sie im 1. Axiom der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick beschrieben wird:

http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Watzlawick

und das Schweigen hat für mich dann keine andere Bedeutung denn

auf diese Botschaft will ich nicht reagieren - jedes weitere Wort würde die Kommunikationsspirale nur mit weiteren Anschuldigungen usw. rotieren lassen
 
baerliner schrieb:
Lilith,

ganz kann ich Dir nicht zustimmen, dass es eine reine Interpretationsfrage ist, ob auf eine Botschaft reagiert wird oder nicht.

Wenn diese Botschaft nur noch in einem Angriff auf eine Person (im Forum) besteht, dann ist keine Antwort eine Störung der Kommunikation wie sie im 1. Axiom der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick beschrieben wird:

http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Watzlawick

und das Schweigen hat für mich dann keine andere Bedeutung denn

auf diese Botschaft will ich nicht reagieren - jedes weitere Wort würde die Kommunikationsspirale nur mit weiteren Anschuldigungen usw. rotieren lassen

Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Interpretation stimmt, ist hoch, aber wissen kannst du es dennoch nicht.

Mir fallen noch ein paar Interpretationsmöglichkeiten ein:

Technische PC-Probleme, wie ich sie vor kurzem hatte (mein Rechner schaltete sich ohne Vorankündigung immer wieder ab, sodass ich nur kurz ins Internet konnte, aber nie genug Zeit zum Schreiben hatte)

Krankheit

Nachdenkphase - wie könnte ich ein Kommunikationsproblem anders angehen

Selbst wenn es an den Haaren herbeigezogen klingt, es gibt sehr viele Gründe, warum nicht geantwortet wird.

Watzlawick hat ja - wie ich deinem link folgend in Wikipedia nachgelesen habe - gesagt:
Sobald zwei Personen sich gegenseitig wahrnehmen können, kommunizieren diese miteinander, da jedes Verhalten kommunikativen Charakter hat
Das gilt mMn nur für zwei körperlich anwesende Personen.

Beim Nicht-Reagieren auf einen Beitrag, auch wenn vorher schon eine Diskussion stattgefunden hat, gibt es nur die Wahrnehmung, dass da nichts wahrzunehmen ist.

Oder verstehe ich da etwas nicht richtig?
 
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Es droht dann die Fähigkeit verloren zu gehen, einen aufrichtigen Gefühlsausdruck zu erkennen und ihm zu vertrauen.

@ Robin:
Ich denke, wie schon erwähnt, dass du in Frage stellst, ob Kommunikation erfolgreich war. Versteht man unter "erfolgreich", dass die zu übermittelnde Nachricht beim "Empfänger" noch dieselbe ist wie sie es ursprünglich beim "Sender" war, so denke ich auch, dass Kommunikation in wenigen Fällen als wirklich erfolgreich bezeichnet werden kann. Aber das ändert nichts an der Tatsache - so will ich doch meinen - dass Kommunikation stattfindet. Man kann eben nicht nicht kommunizieren.

So zumindest meine diskutable These. Man könnte sehr verkürzt sagen: Der Satz, man kann nicht nicht kommunizieren ist eine self-fulfilling phrophecy

Ich muss gestehen: Das verstehe ich nicht.
Warum sollte dieser Satz eine self-fulfilling prophecy sein? :confused:
 
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