AW: Komsaufen und Kant
Kant hätte sicher nicht, wie so viele derzeit, nach strikteren Verboten gerufen, sondern an die Vernunftfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Jugendlichen appelliert.
Glaubt ihr ernsthaft früher gabs keine Alkoholexzesse oder dass es harmloser zuging? Wenn man Literatur aus dem 18/19 Jahrhundert durchschaut, ist ordentlich saufen nicht weniger praktiziert worden als heute. Wenn man außerdem an den Dionysoskult oder an die teilweise recht Met-fixierten Götterlieder aus der Edda denkt, dann steht es wohl außer Zweifel, dass es sowas schon immer gab.
Nicht umsonst rufen so viele Philosophen in ihren Schriften nach Mäßigung... Unmäßigkeit gab's eben schon immer.
Wer sich selbst mit Alkohol dermaßen schädigt, der handelt in erster Linie nicht unmoralisch sondern kurzsichtig sprich unvernünfitg.
Kant hatte ein Menschenbild, das auf Autonomie und Selbstbestimmung aufbaute. Er wollte, dass die Leute selber erkennen, warum sie das eine tun sollen, das andere aber nicht.
"Schärfere Strafen, striktere Verbote!" sowas würde ein echter Aufklärer wohl kaum sagen....
Hallo Invain,
bin ganz Deiner Meinung.
Der Rausch gehört zu Kultur des Menschen. Prä-germanische Sauffeste mit Alkohol, Absinth, Kräuter-, Beeren- und Wurzelextrakte sind älter als die germanische Geschichte selbst.
Selbst Tiere berauschen sich.
Wer hat die betrunkenen afrikanischen Buschelefanten gesehen, die vergorenes Obst sich vereinleibten und so betrunken waren, dass diese Gleichgewichtsstörungen hatten und schwankend durch den Busch spazierten.
Da gab es diverse Tierreportagen, wo Primaten und Nager sich an berauschten.
Zum Menschen zurück:
Der Ritus des Betrinkens und Berauschens ist aber ein anderer geworden. Es gibt zwar noch diese klassischen Feierlichkeiten, die man ohne Alkohol kaum durchhalten kann. Schützenfest, Feuerwehrfest, Hochzeiten und Beerdigungsfeiern usw...
Aber die Problematik ist heute vielmehr die Tatsache, dass man sich in der Freizeit, als normale Vergnügung zwischendurch so stark berauscht, dass beispielsweise dreimal mehr Jugendliche mit Alkoholvergiftung und Komazuständen in Krankenhaus eingeliefert werden, als noch vor der Jahrtausendwende.
Oder werden diese Tatbestände im Zuge des globalen Rauschmittel-Kriegs (war on drugs) jetzt genauer protokolliert?
Ich kenne allerdings auch Menschen, die in ihrem gesamten Leben noch nie berauscht gewesen sind. Seit den 80er Jahren gibt es aus dem Post-Punk-Umfeld kommend eine Bewegung, die sich >>Straight Edge<<< nennt und die es sich zur Aufgabe gemacht hat den Konsum von Tabak, Alkohol, Drogen usw. generell abzulehnen.
Das Schwierige ist, dass alle Genussmittel, auch Suchtmittel sind und man selbst - EIGENVERANTWORTLICH - die Balance zwischen Genuss und Rausch aufrecht erhalten muss. Wer täglich Alkohol trinkt, ist nach der Definition der Suchtberatungsstellen ein Alkoholiker (noch kein Alkoholkranker). Doch wie viel Menschen in unserer Gesellschaft trinken täglich - sei es nur ein Glas Wein oder die Flasche Bier? Bei wem bleibt es wirklich nur bei einem Glas oder einer Flasche?
Meiner Meinung nach spiegel diese Rauschfeste immer recht gut unsere Gesellschaft wieder - so wie wir wirklich sind. Denn Kinder und Besoffene sagen die Wahrheit, meint man umgangssprachlich.
Das Dilemma mit Kant ist, dass man immer umfassend Denken muss, um alles bedenkliche zu durchdenken. Das muss immer im voraus geschehen. Das Denken geht der Handlung voraus. Jedoch bleiben spontane und intuitive Handlungen bei Kant unberücksichtigt.
Nichtsdestoweniger hat Kant mit seinem philosophischen Werk die deutsche Philosophie - Idealismus - einen Boden bereitet, der heute für jeden Philosophiestudenten ein Pflichprogramm darstellt. An Kant haben sich schon viele die Zähne ausgebissen und selbst beim dritten und vierten Male lesen, lassen sich neue Aspekte des Denkens erkennen.
Das oberste Prinzip der Sittlichkeit bei Kant kann
NICHT aus der Erfahrung abgeleitet werden. Die Erfahrungen sind total ungeeignet, ebenso wie die Neigung, eine sittlich moralische Handlung hervorzubringen. Kant nennt dies "populär Philosophie":
"...einen ekelhaften Mischmasch von zusammengestoppelten Bebobachtungen und halbvernünftigen Prinzipien...., daran sich schale Köpfe laben, weil es doch etwas gar Brauchbares fürs alltägliche Geschwätz ist...., (ein) Blendwerk..." aus GL der Metaphysik der Sitten....
Die Anwendung zur "guten sittlichen Handlung" setzt das Erkennen jener Gesetzmäßigkeiten voraus, die apriorisch (vor der Erfahrung) für alle Menschen allgemein und notwendigerweise zum Naturgesetz werden. Die Selbstbestimmtheit des Willens liegt in der Freiheit, die durch die Pflicht zur sittlich-moralischen Handlungsmaxime nicht eingeschränkt wird.
Selbst nach vielen Jahren mit Kants Schriften, kann ich mir die Maxime meines Handelns nicht immer herleiten.
Sekundärliteratur:
alle drei Bücher als kompakte Leseeinführung von Dr. Ralf Ludwig bei dtv
Kant für Anfänger - Die Kritik der reinen Vernunft
Kant für Anfänger - Der kategorische Imperativ
Kant für Anfänger - Die Kritik der Urteilskraft
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Grundkurs Philosophie Band 8 von Kohlhammer Urban
"
Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts" - beginnt bei Descartes, führt über Spinoza, Leibniz, Locke, Hume zu Kant - einschließlich NeuKantierung der Marburger und der Badischen Schule... sehr empfehlenswert!!!
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