AW: kinderfeindliches Deutschland?
Ja ich gebe zu, auch ich enge meine Kinder ein. Meine werden auch vor dem Besuch im Lokal geimpft mit "Benehmt euch bloß, sonst gehts ins Auto".
Meine wissen aber auch, dass sie schlimmstenfalls tatsächlich im Auto landen und benehmen sich daher meist tadellos. (Für andere ist das ja bereits ein Eingriff in die Persönlichkeit des Kindes und eine Ignoranz seiner Bedürfnisse. So reden die Leute sich dann nämlich aus ihrer Erziehungspflicht raus.)
Mache ich hingegen eine Tour zum Biergarten mit Spielplatz, dann verdamme ich meine Kinder auch nicht zum ruhigen Verhalten.
Rücksicht ist etwas ganz wichtiges, aber es gibt immer auch Situationen, da braucht Mutter o. Vater und Kind mal das Verständnis der anderen, weil beide gerade nicht in der Lage sind, die Situation anders zu meistern (Beispiel krankes Kind im Wartezimmer, schreiendes Kleinkind o.ä.)
Hallo Sal,
stimme Dir zu. Es geht einfach ums Differenzieren. Meine Restauranterfahrung habe ich ja schon vor langer Zeit in diesem thread zum besten gegeben. Ich möchte übrigens betonen, daß mich damals besonders geärgert hat, daß die Kinder überhaupt keinen Anlaß zu einer solchen Diskriminierung gegeben haben. Es hat schon gereicht, daß überhaupt Kinder, insbesondere ein gerade einmal wenige Monate alter Säugling dabei waren.
Als Gegenbeispiel fallen mir - wie sollte es anders sein - einige wenige Fälle ein, in denen Eltern mit ihren Kindern zu einer Besprechung in die Kanzlei kommen. Damit ich hier nicht einen völlig falschen Eindruck von mir erwecke: Es gibt zahlreiche Situationen, in denen Mandanten gar nicht anders können, alleinerziehende Mütter z.B.. Und in ganz vielen Fällen bin ich total begeistert, wie gut die Kleinen das mitmachen, bedenkt man doch einmal, wie grottendröge so ein Gespräch für sie ist. Bei Säuglingen läßt es sich auch nicht vermeiden, daß es laut wird. Aber das gehört doch nun einmal dazu, auch wenn es mir zugegebenermaßen schon schwer fällt, mich dabei auf die Arbeit zu konzentrieren.
Wenig erfreulich fand ich aber zwei besondere Fälle. In dem einen fand es eine Mutter völlig normal, daß ihr ca. 11 - 12 jähriger Sohn mittels ihres Autoschlüssels Gemälde in meinen Eichentisch ritzen wollte. In einem anderen Fall spielte ein ca. 4-5 jähriges Kind permantent nicht nur mit meinem PC, schaltete ihn auch aus...und spielte trotz meiner wiederholten Warnung an die Eltern an der Glas-Flügeltür, was insbesondere für das Kind wegen des Rückschlags nicht ungefährlich ist, es kann sich sehr weh tun. Egal, die Eltern rührten keinen Finger, sie wollten ja die Rechtsauskunft. Das Kind trat dann gegen die Scheibe, brüllte wie am Spieß, so daß ein Gespräch nicht möglich war. Auf meine nun freundlich vorgetragene Bitte, ob es nicht möglich sei, daß einer der Eltern vielleicht mit dem Sohne lieber im Wartezimmer verbringen möchte, ich würde ja das Gespräch mit dem anderen Elternteil fortführen, wurde ich nur empört angemacht und die Leute - die übrigens nicht nur mir, sondern zahlreichen anderen grundsätzlich keine Entlohnung zahlten, gingen. Grundsätzlich verstehe ich oft nicht, warum nicht, wenn beide Elternteile zugegen ist, sich nicht einer lieber mit dem Kind im Wartezimmer (dort sind auch Spielsachen) aufhält. Rechtsprobleme sind eine komplizierte spannungsbeladene Angelegenheit und so ein Gespräch dauert halt ungleich länger als ein Besuch beim Arzt. Trotzdem, zu mehr als 90 % machte ich gute Erfahrungen, auch wenn es eben mal laut wurde.
Grundsätzlich kann ich Menschen schon verstehen, die sich im Restaurant Ruhe wünschen. Jedermann will ja dort auch abschalten. Aber auch die Familien mit Kindern haben ein Recht, dort hinzugehen, auch wenn es die Ruhe mal stören sollte (zumindest wenn es nicht völlig ausartet, oder die Eltern einfach völlig nachlässig sind). Übrigens, bei der Gelegenheit: Es soll sich ja nun ändern, aber daß die Kinder den Qualm ertragen mußten, darüber stört sich ja auch keiner so sehr. Ich kann mich jedenfalls an keinen einzigen Fall erinnern, in dem mal ein Wirt Gäste auch nur gebeten hätte, das Rauchen in Gegenwart kleiner Kinder einzustellen.
Das mit der Toleranz ist gar nicht so selbstverständlich. Besonders krass finde ich übrigens ein Urteil, das mal in einer Reisesache von einem Frankfurter Gericht gesprochen wurde. Hier billigte das Gericht einem "normalen" Kläger Schadensersatz zu, der in der Nähe von behinderten Gästen speisen mußte und dabei deren Anblick und Geräusche ertragen. Ich denke, das Urteil muß man nicht kommentieren.
Wo ich persönlich fuchtig werde, ist, wenn ich im Restaurant vom permanenten Handy-Gebimmel irgendwelcher Nachbarn gestört werde. Das nämlich ist meist völlig vermeidbarer Krach. Auch schätze ich das Rumgetelefoniere und Getipse im Restaurant eigentlich überhaupt nicht, aber da bin ich wohl nicht mehr up to date.
Gruß
Zwetsche