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Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

Sunnyboy

New Member
Registriert
10. März 2005
Beiträge
542
Hallo an alle.

Wieder einmal wurde Deutschland Schauplatz rechtsextremer Gewalt- ein Mob jagte in Sachsen nach einem Volksfest acht Inder durch die Straßen und lieferte sich hinter her eine Prügelei mit der Polizei. Anscheinend schienen die, die nicht an dieser Hetzjagd teilgenommen haben es nicht für nötig zu halten, einzugreifen.

Wieder einmal schaut Deutschland beschämt zu Boden- zumindest tut es so.
Doch dann ertönen wieder die selben lächerlichen Erklärungs- (bzw. fast könnte man meinen es seien Entschuldigungs-)versuche. Lieblingserklärung: In den betroffenen Gebieten in Sachsen ist ja eine so hohe Arbeitslosenrate.

Nun will ich das sicherlich nicht bestreiten. Es ist so, die Statistiken belegen es. Ich habe auch Verständnis dafür, dass Arbeitslosigkeit für die Betroffenen und deren Angehörigen nicht nur aus finanziellen Gründen frustrierend ist.
Ja, ich könnte sogar die Aussage nachvollziehen, dass man, bevor man Arbeitskräfte aus dem Ausland holt oder Produktionsstätten ins Ausland verlegt nicht erst schauen sollte, ob man nicht deutsche Arbeitslose findet, die man mit diesem Job betrauen kann- gerade in Ostdeutschland haben es Arbeitslose schwer- das kann und darf man nicht verschweigen.

ABER: Wo zum Teufel ist der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und der Tatsache, dass sich Menschen, zumal in einem Staat, in dem vor gar nicht allzulanger Zeit Synagogen und jüdische Geschäfte in Brand gesteckt wurden, wie Raubtiere in einem Rudel zusammenrotten und wehrlose Menschen durch die Straßen hetzen? Was hat die Tatsache, dass Menschen kein Fließband haben an dem sie stehen oder keinen Bürostuhl auf dem sie sitzen können damit zu tun, dass sie sich abends auf einem Volksfest zusammenfinden und Menschen bedrohen? Wo ist da der Zusammenhang?

Es gibt doch so etwas wie Menschlichkeit, wie Aufklärung, wie Werte. So etwas wie sie Erkenntnis dass, auch wenn es mir schlecht geht ich auf den anderen achten muss. Dass ich, auch wenn ich Probleme habe, nicht einfach auf andere Menschen losgehe. Dass der Inder, der Türke, der Grieche von nebenan auch nichts dafür kann, das die Wirtschaft in der Region in der ich lebe am Boden liegt.

Eigentlich muss doch sowas auch im Hirn des größten Vollidioten in diesem Land Einzug gehalten haben. Denn solche Erkenntnis hat nichts zu tun mit gesellschaftlichem Stand, Bildung oder Erziehung. Eigentlich müsste diese Erkenntnis angeboren sein. Menschliche Solidarität.
Als ich die Bilder aus Sachsen sah fragte ich mich allerdings, wie viel menschliches in diesem braunen Mob, der die acht Inder durch die Straßen jagte, noch zu finden ist.

Das was geschehen ist, ist nicht nur eine Schande für Deutschland- es ist eine Schande für die gesamte Menschheit. Wieder einmal.

Viele Grüße,
Sunnyboy
 
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AW: Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

Ich bin mal Anfang der 90er als Studi mit Rainbow-Tours (Billig Reisen) von Göttingen aus nach Paris gefahren. Zusammen mit einem guten Freund stiegen wir einem Bus zu, in dem sich u.a. eine Schulklasse aus Dresden befand.
Nachdem der Aufenthalt in Paris beendet war, erzählten einige Schüler freudig, wie geil es gewesen sei, als ihr Lehrer (!) einem Farbigen, der ihm bzw. seinen Schülern Lederhüte, Peitschen, Ketten usw. verkaufen wollte, eine Peitsche entriß und auf ihn einprügelte, so daß dieser schreiend flüchten mußte. Der Lehrer ließ sich - ohne etwas dazu zu sagen - allen Ernstes dafür feiern.

Wo ist da der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Rassismus?
Es gibt zudem Gegenden, die durchaus strukturschwach sind, viele Arbeitslose haben, in denen es allerdings kaum Rechtsextremismus gibt. Vielleicht steckt viel mehr das Prinzip dahinter, daß aus welchen Gründen auch immer gescheiterte Typen sich nur dann wohl fühlen, wenn sie anderen ihre "Überlegenheit" deutlich machen.

Um das obige noch zu Ende zu bringen:
Kurze Zeit später kam es zu den Ausschreitungen in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen (wo ungehindert die Täter unter Beifall des Mobs - einer mit Fußball- Deutschlandtrikot hatte sich gar vor lauter Erregung in die Jogginghose gepisst, zeigte aber, statt die Hose zu wechseln, lieber den Hitler-Gruß - und ohne nennenswertes Einschreiten der Polizei ein von Asiaten bewohntes Heim in Brand setzen konnten). Aber auch im Westen, in Mölln und Solingen kam es zu Brandanschlägen, bei denen mehrere Türken ermordet wurden. Insgesamt zählte man um das Jahr ca. 100 Tote aufgrund von rechtsextremen Taten.

Gruß
Zwetsche
 
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AW: Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

Vermutlich hat eine Generation von vergessenen Jugendlichen einfach weniger „zu verlieren“, als eine Gesellschaft von Erben, Trixern, Selbstdarstellern und Verkäufern.

Vielleicht können sie einfach nicht mehr mithalten und suchen sich Wege, das „du sollst“ loszuwerden. Vielleicht ist es einfach nur einfach, einen Mitschüler zu quälen oder die unterlegene Gruppe auf dem Dorffest zu vermöbeln. Sie werden sich etwa gleichaltrige und „gleichartige“ Gegner suchen, ...ebenso wie ihre (und unsere) Mütter, die im Büro in München auf erwachsenem Niveau mobben und ihre (und unsere) Väter in Hamburg, die konkurrierende Unternehmer ruinieren. Sie sind noch nicht so erwachsen wie wir. Wer hat die Jugendlichen zu Inländern gemacht? Waren nicht wir das? Wir Erwachsenen? Haben nicht wir die Menschen in Deutsche, Rumänen, Griechen und Jainas erst unterteilt? Und nun setzen sie es wohl auch noch um? Das wollten wir nie. Leben nicht wir ihnen vor, dass man Lust dabei empfindet, andere klein zu machen und mit der Masse immer in der Wahrheit zu schwimmen?

Ihre Verhaltensweisen, den Opportunismus, den predigen wir doch als Realitätssinn. Sie tun damit nichts anderes, als sich einer (in dem Falle bösen) Gemeinschaft anzupassen und mitzumachen. Verloren sein, ist in einer Gemeinschaft, und ist sie noch so unsinnig, vermutlich leichter zu ertragen. Kleinsein erträgt der vergleichende Verstand vermutlich nur am Kleineren. Wer erhob den Verstand zum Gott, waren das nicht wir?

Das „geburtliche Recht“, ein „Hiesiger“ zu sein, ist mancherorts vielleicht im Du-sollst-Chaos das einzige, was einem nicht (von einem Personalchef, Werbestrategen oder einem Lehrer)mies gemacht werden kann. Wieso man dann allerdings auf den Ausländer einschlägt, statt auf „den Vater“*) , das ist mir ebenso unverständlich. Vermutlich unterliegen wir hier aber einem Sensibilisierungsproblem. Ich vermute, die allgemeine Gewalt unter uns ist so groß, dass sich unsere Aufmerksamkeit daran gewöhnt hat, das Ausländerthema sensibilisiert uns lediglich. Wie ein Codewort.

*) der Vater im übertragenen Sinne, als der, der ihnen ihre Ausweglosigkeit vorlebte und erschuf

Indem ich eine rationale Erklärung für „diese Menschen“ finde, sie von mir damit trenne, schneide ich mein Mitgefühl ab und werde in meinen Bürostuhl zurücksinken und hoffen, dass ich verschont bleibe oder aber ich werde Maßnahmen verlangen. Und da „ich“ die selben Werte („du sollst“) wie die „bösen dort drüben“ habe (was keiner wissen sollte), muss „ich“ die verstaubte Kiste meiner Schlussfolgerungen öffnen. Erziehung und Verwahrung. Gut das ich groß bin und meine Dummheit noch als Gutachten bezahlt und als Titel bewundert bekomme. So kann sich mein Frust nicht am Ausländer entladen (ich begegne ihm ja nie in der U-Bahn oder am Arbeitsplatz), sondern meine Wut lasse ich wie das Erwachsene tun, an Praktikanten, Azubis, meinem Nachbarn und meiner Ehefrau aus. Ich Held.

Ein Thema voller Heuchelei. Ehrlich wäre, wenn man „denen“ die Kiste Bier für einen Euro verkaufen würde, damit würde „ich“ zugeben, dass „ich“ hilflos bin und eigentlich kein Interesse daran habe, „denen“ zu helfen.

„Du musst etwas leisten, wenn du leben willst“ , hab ich dir einst eingebläut. Jetzt kommst du und jammerst rum, dass du nichts leisten darfst, weil du keine Arbeit bekommst und dich chancenlos erlebst und bist frustriert und reagierst dich irgendwo ab. Nun bin ich entsetzt, wie du so werden konntest. Ich Saubermann.

Bernd
 
AW: Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

Lieber Bernd!
Danke für diesen Beitrag. Es tut meiner Seele und meinem Herzen gut, deine Worte zu lesen.

:kuss1:
 
AW: Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

Ich sehe drei Möglichkeiten, Gewalt zu begegnen: ich kann sie verharmlosen, ich kann sie besiegen wollen, und ich kann mich ihr stellen.

Aber dein Beitrag, lieber Sunnyboy, stellt sich der Gewalt nicht. Bitte entschuldige, wenn ich das sage.

Zum Beispiel ist Gewalt niemals unlogisch. Gewalt lässt sich verstehen, ihr Hergang lässt sich rekonstruieren: Gewalt ist nicht die Folge von Dummheit, Gewalt ist die Folge von Gewalt.

Welche Gewalt habt ihr denen angetan, die Gewalt üben?

Ich möchte dazu Peter Weibel zitieren: "Ich glaube an das Ende der Welt aber nicht an das Ende des Kapitalismus."

Auch ich bin fest davon überzeugt, dass Systeme ihren Insassen Gewalt antun, und dass man sich ernsthaft damit auseinandersetzen kann, wie das geschieht...

lg Frankie
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Der Osten

Wer von euch war eigentlich schon mal in so einem Dorf wie Mügeln?
Wenn ihr euch in diesen gegenden herumgetrieben habt, werdet ihr vielleicht einsehen, dass die Sache etwas komplizierter ist.
Vorneweg:
Ich glaube nicht, dass Gewalt immer eine Folge der Gewalt ist.
Ich finde aber auch Bernds Thesen trotz griffiger Formulierung nicht hilfreich.
Bernd, du drehst dich und alles mit deinen Worte im Kreise und kommst nie woanders an, als bei deinem eigenen Unbehagen.

Ich glaube, dass Gewalt weder mit Arbeitslosigkeit noch mit anderer Gewalt zusammenhängt.
Ich denke, dass sie mit Lieblosigkeit zusammenhängt. Aber mit einer allgemeineren Lieblosigkeit. Es ist eine Stimmung der inneren Verwahrlosung.
Ich denke, dass dies durchaus eine Spätfolge der DDR ist (eine These, für die man gerne öffentlich geprügelt wird). Was die Nazis nicht kaputt gemacht hatten, machte die SED durch ihre Kultur der Lieblosigkeit kaputt. Fremdenfeindlichkeit entwickelte sich schon vor der Wende - dafür gibt es Zeit-Zeugen. Durch die Wende verloren die Menschen im Prinzip nicht viel - außer ein paar Illusionen und Refugien. Und sie gewannen die Ausländer als Projektionsflächen ihres latenten Selbsthasses.
Natürlich lieben wir den Osten auch nicht. Ich habe das in einem anderen Thread versucht zu thematisieren. Aber der Osten ist auch ein hässliches Kind und fühlt sich mitschuldig, nicht geliebt zu werden. Wir können noch tausendmal (da stimme ich Bernd zu) scheinheilig die Dinge anklagen: Wer will denn schon in den Osten? Wer da wohnen? Wer da etwas aufbauen? Wer dort lieben?
Der Osten hätte wenigstens in einer Hinsicht Glück haben müssen. Eine bisschen schönere Landschaft. Weniger kulturelle Zerstörung. So wie ein geprügeltes Kind vielleicht ein Talent in sich entdeckt, um sich wieder aufzubauen.
Der Osten Deutschlands hat zu wenig Talente...
 
AW: Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

von Robin:
Ich denke, dass sie mit Lieblosigkeit zusammenhängt. Aber mit einer allgemeineren Lieblosigkeit. Es ist eine Stimmung der inneren Verwahrlosung.

Wer will denn schon in den Osten? Wer da wohnen? Wer da etwas aufbauen? Wer dort lieben? Der Osten Deutschlands hat zu wenig Talente...

Jetzt bist du in meine untalentierte Falle getappt, Robin.
*schmunzel*

Talent genug, hat er, ihm fehlt noch ein wenig Selbstüberschätzung. Deine handstreichartigen Theorien zum Thema SED-Kultur und Auswirkungen fand ich in Lehrbüchern der damaligen BRD fast wortgenau. Es gab einen Ministerpräsidenten, der das so ähnlich formulierte. Ich sollte mir ein Buch raussuchen. Man könnte sagen, die Propaganda wirkt auch da bis heute. Es ist m.E. aber sinnlos, die Propaganda der einen Seite gegen die der anderen Seite aufzuwiegen, man sollte (inzwischen mal) zu eigenen Gedanken kommen.

Jetzt, 17 Jahre nach der Maueröffnung ist es nurmehr in geringem Umfange möglich, Subventionen die im Fördergebiet Ost ausgeschüttet wurden gen Westen zu transferieren oder westlichen Eigentümern z.B. via Sonderabschreibungen usw. zuzuführen. Jetzt, wo das meiste Altvermögen verschleudert wurde und die Vertriebsstrukturen so organisiert sind, dass es keinen Kuchen vom neuen Absatzmarkt im Osten und vom billigen Arbeitsmarkt mehr zu erhaschen gibt, wird deutlich, was ich mit dem Begriff Heuchelei meine.

Man kann nicht mehr genug rausholen, also weg damit. Das nenne ich liebevoll.
Als lieblos Abstempeln und vergessen. Das nenne ich talentiert. :zauberer2

Bernd
 
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AW: Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

bei den Beiträgen von Robin und Bernd geht es um den Begriff KAPITAL
(die Entscheider haben vergessen, was Kapital ist)

www.preisgabe.de/kapitalvernichtung.html

ps
ich lese gerade ein Buch aus den frühen 70ern:
zur Aggression verdammt?
ein Überblick über die Psychologie der Aggression

1) die Frustations-Aggressions-Theorie
2) Triebmodelle der Aggression
3) das Lernen aggressiven Verhaltens
4) Psychophysiologie der Aggression
5) Was ist Aggression?

bin bei Kapitel 2
bisher sehr anregend
 
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AW: Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

Vermutlich hat eine Generation von vergessenen Jugendlichen einfach weniger „zu verlieren“, als eine Gesellschaft von Erben, Trixern, Selbstdarstellern und Verkäufern.

Vielleicht können sie einfach nicht mehr mithalten und suchen sich Wege, das „du sollst“ loszuwerden. Vielleicht ist es einfach nur einfach, einen Mitschüler zu quälen oder die unterlegene Gruppe auf dem Dorffest zu vermöbeln. Sie werden sich etwa gleichaltrige und „gleichartige“ Gegner suchen, ...ebenso wie ihre (und unsere) Mütter, die im Büro in München auf erwachsenem Niveau mobben und ihre (und unsere) Väter in Hamburg, die konkurrierende Unternehmer ruinieren. Sie sind noch nicht so erwachsen wie wir. Wer hat die Jugendlichen zu Inländern gemacht? Waren nicht wir das? Wir Erwachsenen? Haben nicht wir die Menschen in Deutsche, Rumänen, Griechen und Jainas erst unterteilt? Und nun setzen sie es wohl auch noch um? Das wollten wir nie. Leben nicht wir ihnen vor, dass man Lust dabei empfindet, andere klein zu machen und mit der Masse immer in der Wahrheit zu schwimmen?

Ihre Verhaltensweisen, den Opportunismus, den predigen wir doch als Realitätssinn. Sie tun damit nichts anderes, als sich einer (in dem Falle bösen) Gemeinschaft anzupassen und mitzumachen. Verloren sein, ist in einer Gemeinschaft, und ist sie noch so unsinnig, vermutlich leichter zu ertragen. Kleinsein erträgt der vergleichende Verstand vermutlich nur am Kleineren. Wer erhob den Verstand zum Gott, waren das nicht wir?

Das „geburtliche Recht“, ein „Hiesiger“ zu sein, ist mancherorts vielleicht im Du-sollst-Chaos das einzige, was einem nicht (von einem Personalchef, Werbestrategen oder einem Lehrer)mies gemacht werden kann. Wieso man dann allerdings auf den Ausländer einschlägt, statt auf „den Vater“*) , das ist mir ebenso unverständlich. Vermutlich unterliegen wir hier aber einem Sensibilisierungsproblem. Ich vermute, die allgemeine Gewalt unter uns ist so groß, dass sich unsere Aufmerksamkeit daran gewöhnt hat, das Ausländerthema sensibilisiert uns lediglich. Wie ein Codewort.

*) der Vater im übertragenen Sinne, als der, der ihnen ihre Ausweglosigkeit vorlebte und erschuf

Indem ich eine rationale Erklärung für „diese Menschen“ finde, sie von mir damit trenne, schneide ich mein Mitgefühl ab und werde in meinen Bürostuhl zurücksinken und hoffen, dass ich verschont bleibe oder aber ich werde Maßnahmen verlangen. Und da „ich“ die selben Werte („du sollst“) wie die „bösen dort drüben“ habe (was keiner wissen sollte), muss „ich“ die verstaubte Kiste meiner Schlussfolgerungen öffnen. Erziehung und Verwahrung. Gut das ich groß bin und meine Dummheit noch als Gutachten bezahlt und als Titel bewundert bekomme. So kann sich mein Frust nicht am Ausländer entladen (ich begegne ihm ja nie in der U-Bahn oder am Arbeitsplatz), sondern meine Wut lasse ich wie das Erwachsene tun, an Praktikanten, Azubis, meinem Nachbarn und meiner Ehefrau aus. Ich Held.

Ein Thema voller Heuchelei. Ehrlich wäre, wenn man „denen“ die Kiste Bier für einen Euro verkaufen würde, damit würde „ich“ zugeben, dass „ich“ hilflos bin und eigentlich kein Interesse daran habe, „denen“ zu helfen.

„Du musst etwas leisten, wenn du leben willst“ , hab ich dir einst eingebläut. Jetzt kommst du und jammerst rum, dass du nichts leisten darfst, weil du keine Arbeit bekommst und dich chancenlos erlebst und bist frustriert und reagierst dich irgendwo ab. Nun bin ich entsetzt, wie du so werden konntest. Ich Saubermann.

Bernd

Dein Bestreben, die Heuchelei zu unterbinden und das Verständnis für die jungen Täter zu suchen, in allen Ehren, Bernd. Aber ich fürchte, das hat mit der Realität nicht viel gemein und negiert die Vorstellung, wie es ist, wenn jemand Opfer von Gewalt wird, allein schon, wenn er die Angst ertragen muß, vielleicht auch gar für seine Familie. Und da nehmen sich die hilflosen ach so vernachlässigten Täter gar nicht mehr so hilflos aus, sondern zeigen schlichtweg eine widerwärtige Fratze, die wenig Mitgefühl hervorruft.

Das Gerede von der schweren Kindheit kann mich bei extremen Gewalttätern nur wenig beeindrucken, ebensowenig wie der dauernde zumindest unterschwellige Verweis, dass man eigentlich gar kein Recht habe, zu urteilen. Selbstverständlich haben wir das Recht dazu, wir leben nicht in einer sanktionslosen Gesellschaft und können uns eine solche auch nicht erlauben. Die intellektuelle Anarchie können sich nur diejenigen leisten, die nicht von Gewalt betroffen sind, sie führt bestenfalls zum Erstarken derjenigen, die sich über solche Äußerungen kaputtlachen und es als das gemachte Nest für weitere Gewalt ausnutzen.

Außerdem geht es ja auch nicht allein um die Schläger selbst, sondern die widerlichen Anfeuerer aus der gesicherten zweiten Reihe. Diese zumindest können sich hinter irgendwelchen sozialen Rechtfertigungen nicht verschanzen. Es wird Zeit, daß gerade auch diejenigen zur Verantwortung gezogen werden und zwar sowohl im Rahmen von strafrechlichen als auch zivilrechtlichen Sanktionen. Oder kannst Du mir auch nur einen brüllenden Zaungast nennen, der beispielsweise für die Taten von Rostock oder Hoyerswerda zur Zahlung von Schadensersatz herangezogen wurde? Das genau würde eine deutliche Sprache sprechen und auch von den Dumpfköpfen und anderen Nachahmern verstanden werden.

Das Erforschen von Gewalt und Extremismus ist zweifellos eine wichtige Aufgabe der Kriminologie. Das heißt aber nicht, daß wir solange der Gewalt gegenüber stehen dürfen, wie ein zahnloser Tiger.

Gruß
Zwetsche
 
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AW: Gewalt gegen Ausländer und Arbeitslosigkeit

Bravo, Zwetsche.:blume1:

Deinem Beitrag ist nichts mehr hinzuzufügen!
Wenn ich könnte, würde ich ihn unterschreiben.
 
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