• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Braucht die Menschheit einen großen Reset?

Bloß das nicht.
Es ist einer der größten Trugschlüsse der Menschheitsgeschichte, erst einmal alte Strukturen zerstören zu müssen, um eine neue, nunmehr "bessere" oder auch nur "gerechtere" Ordnung auf den Ruinen der alten aufbauen zu wollen. Es führt immer nur zu Mord und Totschlag, wenn nicht gleich Völkermord, es werden alte Rechnungen beglichen und es dauert Jahre und Jahrzehnte, bis wieder halbwegs Ruhe einkehrt - auf einem Berg von Millionen Toten. Und vor allem ist so ein Prozess nicht halbwegs so spannend und unterhaltsam, wie uns das Katastrophenfilme oder auch die eigene Fantasie suggerieren.

Nun, das alles habe ich ja im Verlauf dieses Threads auch schon mehrfach gesagt. Ich kann mich da nur wiederholen: Ich will das ja auch nicht. Aber was, wenn es einfach passiert? Zivilisationen können nun mal kollabieren, das steht außer Frage. Ich hätte rückblickend den Thread anders benennen sollen, denn so wird ein falscher Eindruck erweckt. Ich hätte es eher so formulieren sollen:

Was wären die Folgen eines Zivilisationskollapses?

Dieses Thema finde ich extrem spannend und nur wenige Leute haben das auf dem Schirm.

Mir leuchtet nicht ein, was an einem vorindustriellen Standard erstrebenswert wäre.

Ich denke, dass manche Leute eine Sehnsucht nach simpleren Zeiten haben, nicht einfacher, aber simpler. Die heutige High-Tech und Betonwelt ist für viele Menschen seelisch sicherlich schädlich.

Es gibt da dieses Bleistift-Beispiel: Ein ganz simpler, heutzutage in jedem Schreibwarengeschäft erhältlicher Bleistift - was soll daran Besonderes sein? Es handelt sich ja nicht einmal um High-Tech, und Bleistifte gibt es ja bekanntlich schon lange. Und dennoch gibt es Niemanden, der einen simplen Bleistift komplett allein fertigen könnte. Es wäre nicht einmal das Know-How vorhanden, damit ein einzelnes Unternehmen einen Bleistift komplett allein herstellen könnte. Das Holz, das Graphit, der Lack außen, die Fertigung des Stiftes selbst usw. usf.: All dieses Wissen ist in verschiedenen Händen und Firmen ... und da reden wir nur über einen simplen Bleistift.

Ja, und dieses Problem wird umso schlimmer, wenn wir die digitale Technik mit einbeziehen. Alleine ein EMP-Angriff kann heutzutage eine ganze Gesellschaft lahmlegen und die Daten wären danach unter Umständen gar nicht mehr herstellbar. Das gesamte Internet könnte nach einem solchen Vorfall buchstäblich für immer verschwunden sein, aber das trifft auch auf alle anderen digitalen Daten zu. Die Frage ist aber, ob man überhaupt eine Möglichkeit finden kann, digitale Daten so zu "lagern", dass sie auch nach einem Totalausfall noch reproduzierbar wären.

Eine vorindustrielle Gesellschaft wäre überhaupt nicht in der Lage, auch nur ansatzweise so viele Menschen zu versorgen, ja überhaupt nur zu ernähren. Gleich eine ganze Reihe von Volksseuchen sind - heutzutage - so weit von uns entfernt, dass uns überhaupt nicht mehr geläufig ist, wie weit verbreitet sie einst waren, vor der Industrialisierung, aber auch noch während der Industrialisierung.
Noch im 19. Jahrhundert war der Skorbut (Vitamin C-Mangel) eine häufige Erkrankung, nicht nur unter Seeleuten. Genauso die Rachitis (Vitamin D-Mangel bei Kindern). Die Tuberkulose wurde erst durch die tiermedizinischen Kontrolle der Rinderhaltung und durch die Hygiene in der Milchwirtschaft besiegt. Wohin unsere Scheisse so fließt, darüber machen wir uns keine Gedanken, wir ziehen einfach den Abfluss. Aber selbst eine Kanalisation besteht und wartet sich nicht von selbst. Und deren Fehlen war die Ursache für verhehrende Seuchenzüge mit Cholera und Typhus.
Lies mal alte Bücher über Ernährung (z.B. 1920er Jahre) ... da kann man lesen, woran man gepanschte oder verfälschte Milch erkennt. Oder ein Händler hat Borax in die Milch getan, damit sie nicht sauer wird. Dergleichen muss vergleichsweise häufig gewesen sein, denn sonst hätte es kaum Gründe gegeben, davor zu warnen.

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen, ich habe nur die spektakulärsten Beispiele genannt. Die "gute, alte Zeit", in der eine Bilderbuch-Oma im Holzbottich Milch für lecker Käse rührt: Eine romantische Illusion, die mit der harten Realität vergangener Zeiten nicht viel zu tun hat. Vielmehr sind Menschen an Ursachen gestorben, über die wir heute überhaupt nicht mehr nachdenken, eine Blinddarmentzündung, ein vereiterter Zahn.
Und zwar zu Hauf. Eine gebrochene Ferse (wie ich sie hatte) - für den Rest deines Lebens ein Krüppel.
usw. usf.

Ja, ganz gewiss: Auf jeder Ebene außer der seelischen geht es den Menschen heutzutage besser denn je. Und gerade deshalb sollte den Menschen bewusster werden, auf welch fragilem Fundament das alles steht. Ich bin natürlich das andere Extrem, ich mache mir über diese Dinge sicherlich zu viele Gedanken. Aber was ich nicht verstehen kann, ist dieses Mindset, dass die kritische Infrastruktur, auf der das alles aufbaut, einfach als naturgegeben hinnimmt. Denn das ist sie nicht. Vielmehr ist es eigentlich ein Wunder, dass das alles funktioniert, aber das erkennt man erst, wenn man sich tiefgehend damit befasst. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass Wasser aus der Leitung kommt, wenn man den Hahn dreht, und dass das Umlegen eines Schalters für Licht sorgt. Vielmehr ist dazu ein so ausgeklügeltes Räderwerk im Hintergrund nötig, dass man eigentlich nur Staunen kann, wie das alles so störungsfrei laufen kann seit Jahrzehnten. Der längste Stromausfall, den ich je erlebt habe, dauerte ca. 2 Stunden - und der war angekündigt, wegen Wartungsarbeiten.
 
Werbung:
Dazu eine Nebenbemerkung: Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass genau dies bereits mehrfach in der Erdgeschichte geschehen ist - dass es also schon häufiger "Resets" durch Katastrophen gab, die ganze Zivilisationen vernichtet haben.
Das ist nicht richtig. Zwar haben vergangene Zivilisationen lokale Verwüstungen hinterlassen und sich selbst das Wasser abgegraben. Aber der globale Charakter der derzeitigen Verwüstung ist ein Novum. So etwas hat es in der Geschichte der Menschheit noch nicht gegeben. Die Erdgeschichte ist dann nochmal was anderes.
 
Sehe mir zufällig gerade dies an, es trifft es:


Ich kenne die Doku bisher nicht, aber von der Beschreibung her geht es dort wohl unter anderem um die so genannten "Bullshit Jobs", also Jobs ohne jeglichen Sinn, die man meist in den bestbezahlten Manager-Positionen und in der Welt der Finanzspekulationen findet. Und angesichts solcher Auswüchse muss ich dann zugeben, dass ich mir - manchmal - schon auch den Zusammenbruch dieses ganzen dekadenten Irrsinns herbeiwünsche. Aber dann denke ich an all das, was dadurch an wirklich Wertvollem mit verloren gehen würde und schnell kehrt wieder die Vernunft ein.
 
Zwar haben vergangene Zivilisationen lokale Verwüstungen hinterlassen und sich selbst das Wasser abgegraben. Aber der globale Charakter der derzeitigen Verwüstung ist ein Novum. So etwas hat es in der Geschichte der Menschheit noch nicht gegeben.

Es ist eben die Frage, was von einer Hochzivilisation übrig bleiben würde, wenn es tatsächlich zu einer globalen Katastrophe kommen würde. Nehmen wir einmal an, die derzeitige Zivilisation würde durch eine massive globale Katastrophe wie etwa einen Asteroideneinschlag oder den Ausbruch mehrerer Supervulkane zerstört werden - was wäre nach 1.000 Jahren noch von unserer Welt sichtbar? Da fallen mir die dann eingestürzten und von Pflanzen überwucherten Städte ein. Also alles, wo Stein und Beton im Spiel ist, wird sehr lange halten. So etwas wie ein Auto oder ein Flugzeug hingegen, also alles, was rosten kann, wird schon im Laufe von Jahrhunderten von der Witterung buchstäblich zerbröselt. Aber was ist nach 10.000 oder 100.000 Jahren? Irgendwann sind alle Spuren einer Zivilisation weg und wenn dann aus den Jäger und Sammler Gesellschaften irgendwann wieder eine Zivilisation entsteht, wird sie nichts mehr von den Vorläufern wissen. Also ganz abenteuerlich formuliert: Vielleicht gab es auf der Erde schon mal eine Zivilisation, die auf unserem technischen Stand oder sogar weiter war. Dieser Gedanke verdient es zumindest mal, erforscht zu werden, auch wenn man ihn naturgemäß nicht beweisen kann, außer vielleicht durch das Vorhandensein von Hinweisen auf Katastrophen von enormen Ausmaßen. Ich verfolge zu diesem Thema regelmäßig einen sehr interessanten Podcast, hier ein Link dazu, falls Interesse besteht:

 
Ich kenne die Doku bisher nicht, aber von der Beschreibung her geht es dort wohl unter anderem um die so genannten "Bullshit Jobs", also Jobs ohne jeglichen Sinn, die man meist in den bestbezahlten Manager-Positionen und in der Welt der Finanzspekulationen findet.

Auch ich habe schon solche "Bullshit Jobs" gemacht, wenn auch nur auf unterer Ebene, in der Werbung und im grafischen Gewerbe. Lange sogar, über 15 Jahre lang. Ich stieg vor Jahren aus und kehrte zu meinem ursprünglichen Job, dem eines Kochs zurück, wenigstens hatte ich diese Chance.
Der ist auch stressig, ein Knochenjob und ich arbeite viele Stunden, aber wenigstens hat die Arbeit eines Kochs einen Sinn.
Hin und wieder fragt mich jemand, warum ich mit all meinen IT- und grafischen Fachkenntnissen nicht mehr in dieser Branche arbeiten will. Das wäre doch viel einfacher und weniger belastend. Außerdem könne ich doch mehr verdienen ...

Ich kann es nicht wirklich beantworten.
Vielleicht deshalb, weil ich nirgendwo kränkeren Emotionen und Druck ausgesetzt war, als in der Werbung. Noch dazu völlig sinnlos, denn oft genug gab es Projekte, in die so viel Energie, Zeit und Material eingesetzt wurden ... und die nie realisiert wurden.
Als Koch arbeite ich auch dynamisch und mein Job fordert mich physisch, psychisch und mental.
Aber niemand lässt mich für den Mülleimer kochen, Menschen essen das, was ich koche. Es kann Fehler und Pannen geben, aber es handelt sich um Petitessen, die schnell behoben sind.
Auch in der Gastronomie gibt es heftige Emotionen, aber ich kann mich diesen zur Wehr setzen. Und wenn mir jemand ganz dumm kommt, dann kann ich meinen Experten-Status geltend machen: Denn nach wie vor bin ICH der erfahrene Koch und nicht der Gast. In der Werbung bist du immer nur der Büttel, der Kunde, der Kunde, der Kunde ... egal, wie erfahren du auch immer sein magst.
Und wenn das Restaurant schließt, dann machst du die Bude eben zu und schmeisst alle raus ... selbst den Bundeskanzler, sollte der noch anwesend sein.
 
Das klingt nun schon ganz anders als:

Ja, ich hätte es anders formulieren sollen:

Es gibt zahlreiche Hinweise auf enorme lokale und globale Katastrophen in der Vergangenheit (siehe Podcast), und daraus kann man die zugegebenermaßen abenteuerliche Schlussfolgerung ziehen, dass es schon früher hochtechnologische Zivilisationen gegeben haben könnte.

Aber welche Ideen waren in unserer Geschichte schon alle abenteuerlich - etwa, dass Menschen einmal fliegen können. Und heute setzt man sich ins Flugzeug als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt.
 
Dazu eine Nebenbemerkung: Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass genau dies bereits mehrfach in der Erdgeschichte geschehen ist - dass es also schon häufiger "Resets" durch Katastrophen gab, die ganze Zivilisationen vernichtet haben. Man liest in entsprechenden Quellen von einzelnen Überlebenden, die versucht haben, ihr altes Wissen an die nächste Generation weiter zu geben. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Oftmals wurde die Vorwelt dann im Laufe der Zeit zum Mythos erklärt - das könnte zum Beispiel auch bei "Atlantis" so gewesen sein.
Es gibt auch einige Romane und Hollywood-Filmchen zu dem Thema, wo einer die Apokalypse überlebt, dann aber von den Neumenschen gejagt wird, weil man ihn für das Unglück verantwortlich macht: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Omega_Man

Atlantis u.ä. ist aber zu populär. Da hat es sicherlich schon Nachforschungen gegeben, die die Gerüchte entkräften. :)
 
Werbung:
Zurück
Oben