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Arbeit - Sklaverei

Ich denke, wir müssen die Dinge nur in schöne Worte packen, dann klingen sie ganz lieb und wir empfinden sie nicht so böse. Ich mache folgendes:

Ich gaukle den Menschen vor, sie könnten sich eine Arbeit aussuchen, die zu ihnen passt. Dann lasse ich die jungen Exemplare erst mal kostenlos für mich arbeiten, nenne das Praktikum, ...damit man nicht merkt, wie ich sie ausnutze. Die Lehrzeit setze ich auf 3 Jahre hoch, weil ich dann einfach ein Jahr länger billige Arbeitskräfte habe, die die Drecksarbeit für mich machen...nutze die Lehrlinge bestmöglichst aus und gebe ihnen allerlei Hilfsarbeiten, die sonst keiner machen mag. Dann, wenn die Lehrlinge die Prüfung nicht schaffen, sag ich einfach, sie wären unmotiviert und dumm, dann erspar ich mir, sie zu übernehmen.

Dann später, ersetze ich die unmoderne offene Gewalt am Arbeitsplatz durch inneren Druck der Arbeitenden, ich verwende die Begriffe Eigenverantwortung als inneren Sklaventreiber, Flexibilität nenne ich das uneingeschränkte Ausnutzen und Herumschubsen eines Arbeitenden, ...usw. ...insgeheim freue ich mich, dass der Arbeitsmarkt noch so viel Druck erzeugt, dass die Leute gar nicht anders können, als sich das System schönzureden, denn die innere Unzufriedenheit, die täglichen Demütigungen, die täglichen Anfeindungen mit den Kollegen und sein latentes Gefühl von Ersetzbarkeit und den nahenden burn-out , muss der Arbeitende ja irgendwie schönreden, um das alles noch zu ertragen. Wer das nicht schafft, den bezeichne ich als unmotiviert und sobald er krankheitsbedingt ausfällt, setze ich meine Rehaugen auf und sage, oooch...er macht entweder was falsch oder ist einfach im falschen Beruf.

Wenn einige von uns, mich eingeschlossen, ihre Arbeit mögen, finde ich das ja schön, die Realität und die kaputt gemachten Menschen sprechen m.E. eine andere Sprache. Wenn dann nach alledem, der Arbeitende nach Hause kommt und dort sein Geld buchstäblich abgeben muss, um „Verpflichtungen“ nachzukommen oder sich Dinge zu kaufen ,die er braucht um Leuten zu gefallen, oder unter ihnen nicht aufzufallen, die er ohnehin nicht mag, getrieben und beider Stange gehalten von Selbstzweifeln, Zukunfts- und Ausgrenzungsangst und schlechtem Gewissen...dann bezeichne .... ich das als Sklaverei, tut mir Leid.

Gut, dass wir das nicht merken (dürfen).

Viele Grüße
Bernd
 
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Nein, ich fühle mich nicht versklavt.

Wenn ich mich versklavt fühlen würde, würde ich ausgenutzt.
Das lasse ich nicht zu.
Für mich ist ein Arbeitsverhältnis nur akzeptabel,
wenn beide Seiten davon einen Nutzen haben
und ich weder körperlichen Schaden davontrage,
noch gegen meine Integrität verstoße.

Offen gesagt, ist die Arbeit für mich ein Beitrag für die Gesellschaft,
die es mir erlaubt soziale Kontakte zu knüpfen,
Regelmäßigkeit und Disziplin in mein Leben zu bringen
und durch Widerstände an meiner Persönlichkeit zu arbeiten.
Sehe ich genauso, aber ich bin auch in der glücklichen Lage, das so sehen zu können. Das darf man nicht vergessen.

Gaius, ich denke einfach, du fragst die falschen Menschen.
Es hat hier, glaube ich, keiner einen Job wo er tag ein tag aus dieselbe einfache Tätigkeit erledigen muss. Keinerlei berufliche Freiheiten besitzt und sehr schlecht bezahlt wird. Und von dem wenigen Geld noch eine 3-köpfige Familie ernähren muss. Die Leute, die so jahrelang arbeiten, sehen das vielleicht anders.
 
in der westlichen welt kann man von üblicher sklaverei kaum sprechen, höchstens von selbstversklavung

in österreich wie auch in deutschland muss niemand arbeiten (arbeitszwang ist nicht)
auch einer, der nicht arbeitet, wird vom sozialnetz in jedem falle so abgefangen, dass es sich keine sorgen ums *nackte überleben* machen muss (siehe G8)
luxus, natürlich, ist eine andere sache
in saus und braus wird ein sozialhilfeempfänger üblicherweise nicht leben können
wenn man von existenzbedrohung, existenzieller gefährdung oder ähnlichem liest, ist das eine übertreibung, eine dramatisierung

aus diesem grunde kann jeder, der sich in seiner arbeit unwohl oder ausgenutzt fühlt, das dienstverhältnis beenden
es liegt an ihm, ob das unbehangen am arbeitsplatz oder der verlust an wohlstand leichter zu ertragen ist

wenn er sich für das unbehangen am arbeitsplatz entscheidet, dann ist es seine ureigenste entscheidung, für die er niemand anderen verantwortlich machen kann

natürlich ist es von seiten der arbeitgeber nachvollziehbar, von einem arbeitnehmer ein maximum an arbeitsleistung bei minimaler bezahlung zu erhalten, so wie es von seiten der arbeitnehmer nachvollziehbar ist, ein maximum an geld für minimalen aufwand (angenehme arbeit, kein negativer stress, spaß dabei zu haben, etc...) zu bekommen
das sind die gesetze des marktes

sklaven suchen sich ihre arbeit nicht aus und haben auch keine möglichkeit, ihr "arbeitsverhältnis" zu beenden
diese merkmale fehlen in der westlichen arbeitswelt, daher kann von sklaverei keine rede sein

lg,
Muzmuz
 
@muzmuz
Wir sind hier in dem Psychologie und die Frage von Gaius war=>
Fühlt ihr euch deswegen versklavt?

Es ist die Rede von Sklaverei, sondern von dem Empfinden.

Manchmal fühle ich mich in meiner Ehe versklavt, wenn ich schon wieder Fenster putzen oder andere Hausarbeiten erledigen muss. :D
 
hallo,

ich denke, empfinden kann jeder wie er will, nur ist der vergleich bzw eine diskussionsgrundlage schwierig

empfindungen eines anderen kann man nicht direkt nachvollziehen
wenn jemand sagt "ich bin traurig", dann kann ich mir nur vorstellen, wie ich selbst empfinde, wenn ich mich für traurig halte und annehmen, der andere empfindet im moment genauso oder ähnlich

wenn mir ein mitbürger sagt, er empfände sich versklavt, dann kann ich sagen, er hat keine ahnung, was versklavung wirklich ist
aber so wie wir es gewohnt sind, im alltäglichen sprachgebrauch das wort "hunger" zu verwenden, würden wir wohl in manchen gegenden auf dem erdball nur zorn ernten, wenn wir uns es erlauben, uns hungrig zu nennen, nur weil wir einen tag oder gar nur einen halben keine volle mahlzeit mehr gehabt haben
ebenso würde es und wohl bei wirklichen sklaven ergehen, wenn wir uns als versklavt bezeichneten

wir haben zum glück keine vorstellung davon, wie man empfindet, wenn man wirklich versklavt ist
daher sollten wir die empfindung, die ein überarbeiteter in unseren breiten hat, nicht als "wie versklavt" bezeichnen

lg,
Muzmuz
 
Hallo Muzmuz,
ich habe lange überlegt, ob ich Deinen Ausführungen noch etwas hinzufügen könnte. Ist mir nichts eingefallen. 100 prozentige Zustimmung!

Gruß von Claus
 
@muzmuz
Warum reagierst du so empfindlich bei diesem Thema?
Welchen persönlichen Hintergrund hat der Aufschrei?

Wie würdest du das von Gaius angesprochene Gefühl bezeichnen?
 
hallo,

ich halte es einach für dekadente raunzerei wie sie vorkommt, wenn es jemandem zu gut geht

so wie wenn bill gates auf mitleid macht, nur weil er zig millionen dollar jährlich steuern zahlen muss
wenn jemandem seine arbeit nicht passt, soll er anstatt zu raunzen etwas dagegen tun oder die arbeit schmeißen
es gibt sicherlich genügend arbeitslose, die sich freuen würden, dürften sie auf diese art und weise raunzen

lg,
Muzmuz

der persönliche hintergrund ist wohl, dass ich auch menschen kenne, denen es wirklich schlecht geht
 
Gaius schrieb:
Arbeit ist in unserer Gesellschaft notwendig zum Gelderwerb. Fühlt ihr euch deswegen versklavt?
Ich fühle mich versklavt, wenn mein Arbeitgeber rein daran interessiert ist meine Arbeitskraft, womöglich noch so billig wie nur machbar, zu benutzen um seinen persönlichen Gewinn zu maximieren.
Eine richtige Versklavung haben wir, zumindest in vielen Westlichen Ländern, nicht. Gott sei Dank!

Gaius Satz würde ich noch gerne etwas erweitern: Arbeit ist in unserer Gesellschaft notwendig zum Gelderwerb, welches unabdingbar für ein physisches wie psychisches Überleben in der selbigen ist.
Arbeit war sicher auch das Jagen und Sammlen, für viele Arbeitnehmer sogar sicher wesentlich anstrengender wie ihre jetzige Arbeit. Nur gab es damals keine Person die für das gejagte Fleisch Geld bezahlte mit dem man sich dann im Supermarkt selber einen Braten kaufen kann.

Wer arbeitet heutzutage als Sklaverei empfindet, sollte sich, meiner Meinung nach, eine neue Stelle suchen, die einem mehr zuspricht. Bei uns in Deutschland ist das möglich, in anderen Ländern nicht.
Allerdings sollte man einen Gewissen Grad an Realismus und Selbstkenntnis zeigen, sonst wird man nur noch unglücklicher.
Die Chance für einen Jobwechsel steht theoretisch allen zur Verfügung, realistisch gesehen aber leider nicht, sondern beschränkt sich oft auf eine "obere Schicht" der Gesellschaft mit gutem Bildungsstand und gesicherten Finanziellen Grundlagen.

ciao
 
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von Muzmuz:
wir haben zum glück keine vorstellung davon, wie man empfindet, wenn man wirklich versklavt ist
daher sollten wir die empfindung, die ein überarbeiteter in unseren breiten hat, nicht als "wie versklavt" bezeichnen

Bestimmt ist an diesen Worten was Wahres dran, nur man darf es den Menschen, die das trotzdem so empfinden, nicht absprechen. Man macht sie damit mundtot. Und das ist eine unmenschliche oder wenn du es auf die andere Art eher akzeptieren kannst, gefährliche Sache ...auch ein Selbstmordattentäter hat keine Stimme...sein Schrei ist die Bombe. Ein Mensch, dessen Sorgen man nicht ernst nimmt, ihn sich nicht ausdrücken lässt, der wird möglicherweise irgendwann mal „der Grund“ sein, warum wir hinter meterhohen Mauern leben müssen.

Die Kirche ist Spezialist darin, den Menschen zu sagen „ja ja dir geht’s schlecht, aber kuck mal, in Afrika da geht’s den Leuten viel schlimmer...“ (also halts Maul). Natürlich ist das Wort „versklavt“ mancherorts übertrieben, der Threadersteller wird es jedoch bewusst so gewählt haben. Wenn die Menschen sich nicht versklavt fühlen, die es in meinen Augen sind...ist das nur gut...aber es gibt viele, die den Mangel an Erkenntnis mit körperlichen Schäden, mit scheinbar normalen Krankheiten oder mit einem eingemauerten Herzen bezahlen müssen...der Getränkehändler und manches bis zu den Ohren mit Spielzeug zugeschüttete Kind, dem man alles gab und das doch etwas anderes sucht (schon wieder Sucht?) weiß, was ich meine. Ich muss hier dem fusselhirn zustimmen.

Nochmal zur Abgrenzung. Ich sehe in der aktuellen zugespitzten Arbeitswelt weniger die Ursachen, aber durch den dort herrschenden Druck tritt manches Problem der Menschen erst zu Tage.


Die wachsende Entfernung zwischen der eigenen Tätigkeit und dem „Bauwerk“ und die ebenfalls wachsende Entfernung der Teiltätigleiten zum eigenen Leben werden heute durch arbeitspsychologische Finessen versucht zu überbrücken. Man versucht dem Steinmetz weiszumachen, dass er nicht an einer Figur arbeitet, sondern an einer Kathedrale (wo die Figur ein Teil von ist). Man versucht, der Firma einen greifbaren Charakter (Image) zu geben, erzeugt künstlich ein Gemeinschaftsklima und überträgt den Angestellten Verantwortungen, die eigentlich auf dem Unternehmer ruhen müssten, um noch mehr rauszuholen. Interessant ist hier, dass der Trend von der überschaubaren Personengesellschaft, hin zur riesigen Kapitalgesellschaft, den Wechsel von persönlicher Unternehmerverantwortung hin zur legislativen Manager-chash-only-kultur bewirkt hat. Und dabei das Unternehmerrisiko von der klassischen Unternehmerfigur in den luftleeren Raum der „kopflosen absahnenden Verwalterkultur“ geschwämmt wurde, die die unternehmerische Verantwortung zunehmend auf die Flexibilisierung und Selbstverantwortung des Faktors Arbeit (früher hieß das mal Belegschaft) abwälzt. Das ist eine ausgesprochen freche Entwicklung. :schaf:


Bei der ganzen Diskussion sind wir noch gar nicht zum himmelschreienden Problem zunehmender Popularität und dem fiesen Wortschatz von „Leiharbeiter“ oder „Personalleasing“ gekommen. Wer hier keinen Zusammenhang zur Sklaverei oder wenigstens Unmenschlichkeit sieht, der ist m.E. ein Träumer. :brav:

Viele Grüße
Bernd
 
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