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Gaius
Guest
Zur Situation:
Freundliche Grüße, Gaius
http://www.achgut.de/dadgd/view_article.php?aid=2446&ref=8Leben in der zionistischen Hölle
von Claudio Casula
Zugegeben: Ich möchte nicht unbedingt Araber in Israel sein. Okay, sehr viel lieber zwar als ein Kopte in Ägypten, ein Wahutu in Burundi oder ein Eritreer in Äthiopien, ein Papua in Indonesien oder ein Bengale in Ostpakistan, ein Biafraner in Nigeria oder ein Südsudanese im Sudan etc.. Lieber auch als ein Angolaner in den neuen Bundesländern. Aber, nein: Ich möchte kein Araber in Israel sein – wegen der schwierigen Identität, wegen möglicher beruflicher Benachteiligungen, wegen des Misstrauens, das einem Araber von einem Großteil der jüdischen Israelis entgegengebracht wird.
So oder ähnlich werden auch die Araber in Israel empfinden. Aber was sie noch viel weniger sein wollen: Araber in Palästina.
Wer einen Israelkritiker binnen zehn Minuten älter aussehen lassen will als den Stones-Gitarristen Keith Richards, muss ihn nur mit ein paar interessanten Fakten konfrontieren.
In Israel leben heute knapp 1,4 Millionen Araber. Sie stellen ziemlich genau 20 Prozent der Bevölkerung. Drei Viertel sind Muslime, 17 % Christen und 8 % Drusen. Diese leisten aber, anders als die „richtigen“ Araber, auf die sie einen Rochus haben, ihren Wehrdienst ab und unterscheiden sich auch in mancherlei anderer Hinsicht von jenen.
Verständlicherweise können sich die israelischen Araber nur leidlich mit den Symbolen des Staates identifizieren. Der Davidstern in der Flagge, die Menora im Staatswappen, die Nationalhymne Hatikva – alles Zeichen für die vorwiegend jüdische Identität Israels. Aber sie können ganz gut damit leben. Jedenfalls hat sich ihre Zahl seit der Staatsgründung 1948 verachtfacht. Sie haben alle vollen bürgerlichen Rechte, Arabisch ist zweite Amtssprache, und arabische Parteien stellen Vertreter in der Knesset (von denen allerdings wenig Ruhmreiches zu berichten ist).
Der Wehrdienst bleibt den arabischen Bürgern Israels erspart, offiziell, um im Kriegsfall ein moralisches Dilemma auszuschließen, mutmaßlich aber auch, weil viele Israelis die als Fünfte Kolonne der Palästinenser verdächtige Minderheit nur ungern mit Waffen ausgestattet sehen wollen. Angesichts der Unruhen im Herbst 2000, als sich militante Araber aus Israel mit den „Al-Aqsa-Intifada“-Aktivisten solidarisierten, eine nicht ganz von der Hand zu weisende Haltung.
Ansonsten leben die Araber Israels in relativem Wohlstand, mit sehr guter medizinischer Versorgung und allen demokratischen Rechten besser als die meisten ihrer Brüder in den arabischen Ländern. Sie besuchen die acht Universitäten des Landes, arbeiten als Hilfskräfte, Farmer und Bauarbeiter, aber auch als Anwälte, Lehrer, Ärzte, Gewerkschafter Abgeordnete etc.
Mehr als Hälfte der arabischen Staatsbürger Israels lebt in 103 Dörfern, der Rest in sieben Städten mit gemischter Bevölkerung. Vier davon, im Südwesten Galiläas, sind rein arabisch. Von Nord nach Süd: Um el-Fachem, Baqa- El-Garbye, Tira, Taibe. Diese Gegend ist bekannt unter der Bezeichnung El Mutallat, das Dreieck.
Dieses Dreieck mit einer Fläche von 250 qkm wurde nach dem Rhodos-Abkommen 1949 von Jordanien an Israel übergeben. Über den Streifen von 52 km Länge und 3-6 km Breite verteilen sich 17 Gemeinden. Etwa 43 % der Bewohner leben in den Städten Taibe und Um el-Fachem. Insgesamt stellen die Araber im „el Mutallat“ ein Fünftel der arabischen Bevölkerung Israels.
Nun regt die unmittelbare Grenznähe des Dreiecks seit geraumer Zeit die Phantasie der Politiker an. Spätestens seit die Barak-Regierung ernsthaft sogenannte „land swaps“ erwog, also einen reinen Austausch der Souveränität über Gebiete ohne Umsiedlung der Bevölkerung, wird offen darüber diskutiert, ob man nicht im Zuge der Annexion größerer Siedlungsblöcke in der Westbank arabische Orte westlich und nördlich der Green Line (Waffenstillstandslinie) der palästinensischen Autonomiebehörde überlassen könnte.
Unabhängig von rechtlichen Problemen, die ein solcher Schritt wohl mit sich brächte, liegt diese Überlegung natürlich nahe: Im Bestreben, eine ebenso satte wie dauerhafte jüdische Bevölkerungsmehrheit zu erhalten, würden nicht wenige Israelis das Dreieck lieber jenseits des Sicherheitszaunes sehen, ebenso wie arabische Vororte Jerusalems. So kämen mit einem Schlag 450.000 israelische Araber in den Genuss, offiziell Palästinenser zu werden, ohne umziehen zu müssen.
Aber mögen Vertreter der arabischen Minderheit Israels auch in jedes hingehaltene CNN-Mikrophon jammern, mag das Parlamentsmitglied Ahmad Tibi gegen die „Mauer“ protestieren oder sein noch berüchtigterer Kollege Azmi Bishara zu Arafat und Assad pilgern und im Libanon den „rassistischen Staat“ Israel geißeln: Nach Umfragen würden sich 70–90% der arabischen Staatsbürger – je nachdem, wie ehrlich die Befragten sein können – mit Händen und Füßen dagegen wehren, den israelischen Personalausweis gegen einen palästinensischen einzutauschen. (Dies deckt sich, nebenbei, mit den persönlichen Erfahrungen, die ich im Lauf der Jahre machen durfte.) Als Ehud Barak im Sommer 2000 Arafat die Souveränität über den größten Teil Ostjerusalems anbot, brach unter den arabischen Bewohnern der Hauptstadt gar eine veritable Panik aus: Viele, die bis dahin noch nicht die israelische Staatsbürgerschaft beantragt hatten, versuchten nun eilig, das Versäumte nachzuholen.
2004 ließ Ministerpräsident Ariel Sharon einen Versuchsballon in die gleiche Richtung starten: Der Rechtsausleger Avigdor Lieberman propagierte den „weichen Transfer“ des Dreiecks mit seinen 250.000 Bewohnern – und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Sogar der Bürgermeister Um el-Fachems und Führer der islamistischen Bewegung, die schon seit etlichen Jahren die Stadt regiert, war entsetzt und führte als Grund für das Bedürfnis, Israeli zu bleiben, u.a. an, dass es um Demokratie und Justiz in Israel weit besser bestellt sei als in allen arabischen / islamischen Ländern.
Hinzu kommen wirtschaftliche Aspekte und die Möglichkeit, sich in „jüdischen“ Krankenhäusern behandeln zu lassen. Neun von zehn Menschen im Dreieck sind in der Kupat-Cholim, der staatlichen Krankenversicherung, und können im Fall schwerer Erkrankungen die Kliniken von Afula und Hadera bzw. im Süden die von Petach-Tikva und Kfar-Sava aufsuchen.
Im Wadi Ara kann nicht einmal der Bau des Sicherheitszaunes die Araber zu Demonstrationen mobilisieren. Denn die Sperranlage hat alle Versuche der jenseitigen Palästinenser vereitelt, illegal nach Israel einzudringen, und die erkleckliche Anzahl der Diebstahlfälle auf Null gebracht, was man diesseits mit Befriedigung zur Kenntnis nimmt. Die Wahrheit ist: Israels Araber blicken mit einiger Verachtung auf die bucklige Verwandtschaft im Westjordanland herab.
Fazit: Bei allen großen und kleinen Ungerechtigkeiten, die der arabischen Minderheit in Israel widerfahren mögen, kann sich nach allen Umfragen nur eine winzige Minderheit vorstellen, als Palästinenser in Palästina zu leben. Wohlgemerkt: nicht einmal, wenn dafür kein Umzug notwendig würde. Und das, obwohl sie schon seit 1948 unter israelischer „Besatzung“ lebt. In den kleinen arabischen Ortschaften in der Nähe der Siedlung Alfej Menashe war die Verzweiflung groß, nachdem im vergangenen Sommer ein Imam beim Obersten Gerichtshof in Jerusalem erfolgreich gegen den Verlauf des Sicherheitszaunes geklagt hatte. Dem Geistlichen war die „nationale Ehre“ wichtiger als das Wohlergehen der Menschen, die nun außerhalb des Zauns werden leben müssen.
Wann immer also einer daherkommt und von der „unterdrückten arabischen Minderheit“ schwadroniert, sollte man ihn nur eines fragen: warum diese lieber in der zionistischen Hölle als im Paradies der palästinensischen Befreiungsbewegungen leben möchte. Weiß er darauf keine Antwort, so möge er die unsterbliche Empfehlung Dieter Nuhrs beherzigen: „Wenn man keine Ahnung hat: einfach mal Fresse halten.“
Freundliche Grüße, Gaius