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Die Leichtfertigkeit mit der mit Menschenleben umgegangen wird

Miriam

New Member
Registriert
26. Juni 2005
Beiträge
9.722
Die Leichtfertigkeit mit der mit dem Leben der Menschen umgegangen wird erschreckt mich zutiefst und ist auch der Grund der mich zur Gegnerin der Todesstrafe macht - um den Gedanken konsequent umzusetzen.

Zwei Ereignisse völlig unterschiedlicher Natur beschäftigen mich in diesen Tagen.

Einerseits das Geschehen in Lörrach, wo eine junge verzweifelte Frau sich vom Dach des Rathauses stürzen wollte um ihren Leben ein Ende zu setzen – während unten vor dem Gebäude eine Menschenmenge sie animierte zu springen. Empört mischten sich Obdachlose ins Geschehen ein, um diesen menschenverachtenden, zynischen Zurufe ein Ende zu setzen. Sie wurden von denen die auf den Todessprung warteten fürchterlich verprügelt – auch sechs der Polizisten die versucht hatten Ordnung zu schaffen wurden verletzt.

Und nun zu einem ganz anderen Geschehen welches eben vom profundem Respekt gegenüber dem Menschenleben zeugt: die Rede des israelischen Schriftstellers David Grossman anlässlich des 11. Todestages von Yitzchak Rabin in Tel-Aviv vor einigen Tagen.

Die Stille der 100.000 Teilnehmer an die Gedenk- und Friedensdemonstration auf dem Yitzchak Rabin Platz war vom Staunen geprägt und auch vom enormen Respekt vor diesem Schriftsteller der im Juli seinen Sohn verloren hatte im Libanonkrieg und der jetzt in einem leidenschaftlichen Appell für den Frieden plädierte.
Im israelischen Fernsehen wurde die Rede sogar in Gebärdensprache übersetzt. Bis zu dem Tag hatte Grossman geschwiegen, er der schon immer ein Befürworter des Friedens und der Verständigung zwischen Arabern und Israelis gewesen ist. Doch die Trauer um den Sohn hatte ihn verstummen lassen.

Seine Rede wurde eine vehemente Verurteilung kriegerischer Lösungsversuche des Nahostkonfliktes – ein Appell an die Politiker friedliche Wege zu suchen.

Ich gebe hier einige Passagen der Rede von David Grossman wieder – es lohnt sich sie im Ganzen zu lesen, leider habe ich vorläufig keine Quelle dafür gefunden.

"Der Tod von jungen Menschen ist eine fürchterliche, eine grauenvolle Vergeudung. Doch nicht weniger schrecklich ist das Gefühl, dass der Staat Israel seit vielen Jahren nicht nur das Leben seiner Söhne verschwendet, sondern auch das historische Wunder seiner Existenz, das Geschenk hier einen demokratischen, erleuchteten Staat zu errichten, einen Staat, der basiert auf jüdischen und universalen Werten."

"Muss ich Sie wirklich daran erinnern, Herr Ministerpräsident, dass Sie jedes Friedenssignal von jedem arabischen Führer annehmen müssen, selbst wenn es noch so zögerlich ist? Der syrische Präsident Assad sagt, sein Land will Frieden, und Sie weisen ihn ab. Keinen einzigen Tag sollten Sie verstreichen lassen. Als Sie in den Krieg zogen, haben Sie nicht einmal eine Stunde gewartet!"

Die Rede Grossmans wird schon jetzt in Israel aber auch in der Welt als historisches Dokument bezeichnet. Auch seine Rede bei der Beerdigung seines Sohnes hatte viel Aufsehen und Respekt erzeugt.

Ich teile nicht ganz seine Meinung - doch ich verstehe ihn und denke viel über seine Botschaft nach.

David Grossman, der Vater der um seinen Sohn trauert, geht nicht leichtfertig mit dem Leben um – und schreit nicht nach Vergeltung für das Leben seines Sohnes.

Gruß von Miriam
 
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AW: Die Leichtfertigkeit mit der mit Menschenleben umgegangen wird

Miriam,
ganz kurz, du weißt ich muß gleich weg.
Aber dein erstes Beispiel, das hat doch nicht wirklich stattgefunden oder?
Ich hab seinerzeit mal in Venlo von deutschsprachigen Obdachlosen folgenden Spruch aufgefangen: "Passanten sind so oft die schlimmeren Penner"
Wenn man deinen Bericht liest, dann passt das Zitat wie die Faust aufs Auge.
Aber so ist es, leider. Mich erinnert das an den Unfall (Auf der Autobahn liefen Rinder) gestern morgen. Auf N-TV sagte ein Ersthelfer, er habe die Leute gezielt angesprochen um damit sie helfen und die meisten haben ihr Photohandy gezückt oder gleich die stets mitfahrende Digi-Cam, ein bißchen geknipst und sind dann abgehauen. Der war so enttäuscht und wütend man glaubt es kaum.
Ich habe seinerzeit meine Dilomarbeit über die -mal einfach ausgedrückt- Gafferei geschrieben, da sammelt man ja einiges an Material. Was ich da erleben durfte, die damit verbundene Hilfsverweigerung, das ist schon starker Stoff.
Später mehr, der Martinszug wartet
LG
Sal
 
AW: Die Leichtfertigkeit mit der mit Menschenleben umgegangen wird

Wenn es nur das wäre...

Aufgrund unseres miesen Systems sterben jeden Tag tausende Menschen auf der Erde...
 
AW: Die Leichtfertigkeit mit der mit Menschenleben umgegangen wird

Wirklich sehr interessant, Miriam, da fallen mir so viele Fragen und anderes ein.
Zu viel für heute! ;)

Vorerst
lg Andreas
 
AW: Die Leichtfertigkeit mit der mit Menschenleben umgegangen wird

Lieber Andreas,

seinerzeit hatte ich vom Tod Uri Grossmans von dir erfahren - ich weis nicht mehr in welchem Thread du darüber berichtet hattest. Aber die Nachricht lies mich nicht mehr los.
Und dann sehe ich zufällig einen Bericht im Fernsehen (nicht life) über die Gedenkfeier zum 11. Todestag von Yitzhak Rabin - und die Rede David Grossmans. Dies sind unbeschreibliche Ereignisse durch ihre Intensität und durch ihre stille Tragik. Nur die Stimme Grossmans war zu vernehmen - und man spürte die tiefe Betroffenheit der schweigenden Menge - 100.000 Teilnehmer waren anwesend.

Dieser Thread soll nicht die politische Haltung David Grossmans zum Thema machen - sondern seine zutiefst menschliche Einstellung, seinen Respekt vor dem menschlichen Leben.

Hier noch ein Link welcher das Thema ergänzen soll. Es ist die Rede von David Grossman auf der Beerdigung seines Sohnes Uri.

http://www.hagalil.com/archiv/2006/08/grossmann.htm

In den nächsten Tagen komme ich fast nicht zum Schreiben - bin erst ab Sonntag Nachmittag wieder anwesend.

Liebe Grüße

Miriam
 
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