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Verdammt zur Freiheit - ein Beitrag von Theo Roos

Miriam

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Registriert
26. Juni 2005
Beiträge
9.722
Theo Roos, der Autor des Buches "Philosophische Vitamine" (ich hatte darüber bereits geschrieben) - hat nun für die Sendung Kulturzeit einen Beitrag über die Freiheit geschrieben:

http://www.3sat.de/kulturzeit/specials/82948/index.html

Der Beitrag von Theo Roos, könnte ein guter Ansatz sein für eine Diskussion

Ich wollte auch noch einiges dazu sagen, werde es wahrscheinlich morgen machen.

Gruß

Miriam
 
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Einige Gedanken zu Albert Camus.

Theo Roos nennt Albert Camus in seinen "Philosophische Vitamine" einen Cartesianer des Gefühls. Vielleicht macht mir dies Camus so sympatisch und ist auch der Grund, über ihn hier einiges zu schreiben.
Denn Camus bleibt in alldem was er im Zusammenhang mit dem Absurden beschreibt, eigentlich auf der emotionalen Ebene.

"Was Descartes dem Verstand abfordert, das "Clara et distincta" der Begriffe, erspürt Camus auf der Ebene des Gefühls. Durch klare und deutliche Empfindungen erfahren wir mehr von uns selbst und der Welt als durch klare und deutliche Kategorien des Denkens. Nicht durch das "Ich denke also bin ich" sondern durch das "Ich empfinde, also bin ich" nähere ich mich dem Selbst und den Dingen." (Theo Roos).

Auch wenn ihn in seinem ganzen Werk der Gedanke des Absurden immerwieder beschäftigen, ist "Der Mythos von Sisyphus" sicherlich die Quintessenz seiner Philosophie.

Doch erst einige biographische Daten:

Albert Camus wurde in Algerien (Mondovi) in 1913 geboren. In seinen Werk befasst er sich wiederholt mit der Absurdität der menschlichen Existenz. Er empfand die Notwendigkeit gegen Despotismus, gegen Gewalt und auch gegen der Absurdität der menschlichen Situation anzukämpfen. Dabei lehnte er Sartres Existenzialismus als zu doktrinär ab.
Zu seinen bedeutendsten Werken zählen: "Die Pest", "Der Fremde", "Der Fall" (dieses Buch wäre eine Empfehlung von mir), "Der Mythos von Sisyphos" - ein philosophisches Essay. Camus schrieb auch Theaterstücke ("Caligula") und Tagebücher (Carnets).
Er starb in Januar 1960, absurd, in einen Autounfall.

"Das Gefühl der Absurdität kann einen beliebigen Menschen an einer beliebigen Straßenecke anspringen. Es ist in seiner trostlosen Nacktheit, in seinem glanzlosen Licht nicht zu fassen." (Der Mythos von Sisyphos)

Und dazu Theo Roos:

Wenn dieses Gefühl des Absurden sich einstellt, wird plötzlich das Gewohnte fremd. "Die Mechanik des Lebens wird sichtbar....Die Bewegungen verlangsamen sich oder sind extrem beschleunigt...Der Alltag ist wie hinter Glas..."

Für Camus ist dies der Anfang des Bewusstwerdens, und Philosophie ensteht genau hier, also aus diesem Gefühl des Absurden.

Lohnt sich unter diesen Gesichtspunkt das Leben, oder nicht? Dies ist für Camus die einzige gültige philosophische Frage, alles andere, das Kategorisieren der Wirklichkeit, die abstrakten Begriffe die dabei eingesetzt werden, eigentlich nur eine der Möglichkeiten, oder der Versuch, dem Gefühl des Absurden auszuweichen. (Wie oft begegnet einem im Alltag doch dieser Versuch, sich ins Rationale zu flüchten...)

"Was Descartes dem Verstand abfordert, das "Clara et distincta" der Begriffe, erspürt Camus auf der Ebene des Gefühls. Durch klare und deutliche Empfindungen erfahren wir mehr von uns selbst und der Welt als durch klare und deutliche Kategorien des Denkens. Nicht durch das "Ich denke also bin ich" sondern durch das "Ich empfinde, also bin ich" nähere ich mich dem Selbst und den Dingen." (Theo Roos).


Camus bleibt ein Leben lang geprägt von Algerien, von der mediteranen Umgebung in der er aufgewachsen ist, und von den Körpererfahrungen die er da machte: das Licht, das Meer, der Rhythmus der diese Welt auch ausmacht.
Er macht sich nicht viel aus den Abstraktionen gewisser Philosophen. Zwar kommt auch die Welt des Wissens und der Abstraktion später in seinem Werk vor, aber primär ist diese Körperlichkeit die ihn in frühen Jahren geprägt hat.

Sisyphos

"Es sind Vorstellungen, die das Absurde verstellen, Vorstellungen, die das Konkrete und die Gegenwart ständig transzendieren, Vorstellungen, die Mittel und Zweck in Trennung halten. Sisyphos erfährt die "verschwiegene Freude" als rollender Stein, wenn er die Vorstellung, den Gipfel erobern zu können, aufgibt und begreift, daß das Rollen und der Fels sein Schicksal sind und daß dieses Schicksal ihm gehört. Nicht der Gipfel, der Fels ist seine Sache. In der Konzentration auf den Stein und das Rollen kommt er in seine Gegenwart." (Theo Roos)

So rollen wir ja alle unseren Stein. Und Sisyphos ist laut Camus ein glücklicher Mensch, wenn er akzeptiert, dass dieses absurde Rollen des Steins und der Fels, sein Schicksal sind.
Da kommt auch noch etwas dazu: der Moment der freien Wahl: entweder man entscheidet sich seinen alten Stein weiter zu rollen, oder aber man wählt einen anderen Stein den man rollt. Aber rollen werden wir in jeden Fall, nur die Wahl des Steins steht uns frei.

Was uns in erster Linie als absurd erscheint, hat auch seine positiven Seiten. In diesem Licht sehen wir manches besser als unter den Aspekt des Absoluten, das ein zu hoher Anspruch bedeutet, oder wie Roos es definiert, das "grelle Licht des Absoluten" welches alles ständig überstrahlt. Unter der winzigen und schwacheren Beleuchtung des Absurden nehmen wir erst das wahr, was für Camus das entscheidende ist: die Gegenwart, jener "herrliche und vergängliche Stoff".

Miriam
 
Rolling Stones

Hallo Miriam,

Miriam schrieb:
"Es sind Vorstellungen, die das Absurde verstellen, Vorstellungen, die das Konkrete und die Gegenwart ständig transzendieren, Vorstellungen, die Mittel und Zweck in Trennung halten. Sisyphos erfährt die "verschwiegene Freude" als rollender Stein, wenn er die Vorstellung, den Gipfel erobern zu können, aufgibt und begreift, daß das Rollen und der Fels sein Schicksal sind und daß dieses Schicksal ihm gehört. Nicht der Gipfel, der Fels ist seine Sache. In der Konzentration auf den Stein und das Rollen kommt er in seine Gegenwart." (Theo Roos)

So rollen wir ja alle unseren Stein. Und Sisyphos ist laut Camus ein glücklicher Mensch, wenn er akzeptiert, dass dieses absurde Rollen des Steins und der Fels, sein Schicksal sind.

so ist Camus auf die "philosophische Tour" zu den gleichen Ergebnissen gekommen, wie ich auf die "esoterische Tour"
(Siehe untenstehende Signatur!). Da soll noch einmal jemand sagen, Esoterik tauge nichts. :-)

Das Problem bei der ganze Sache ist allerdings, dass einen die Erkenntnis allein noch nicht zu einem freien & glücklichen Menschen macht. Es gilt, sie im Alltag umzusetzen, sich im Rollen des Steins zu ÜBEN...

Alles Liebe

spinnwebwald
 
spinnwebwald schrieb:
Hallo Miriam,



so ist Camus auf die "philosophische Tour" zu den gleichen Ergebnissen gekommen, wie ich auf die "esoterische Tour"
(Siehe untenstehende Signatur!). Da soll noch einmal jemand sagen, Esoterik tauge nichts. :-)

Das Problem bei der ganze Sache ist allerdings, dass einen die Erkenntnis allein noch nicht zu einem freien & glücklichen Menschen macht. Es gilt, sie im Alltag umzusetzen, sich im Rollen des Steins zu ÜBEN...

Alles Liebe

spinnwebwald

Hallo Spinnwebwald,

sind es tatsächlich die gleichen Ergebnisse, zu denen Camus und auch Spinnwebwald kommen? Ich weiss es nicht. Denn hier ist natürlich nur ein Teil sichtbar von Camus, und auch nur ein Teil von Spinnwebwald - auch wenn es mir scheint, dass dies die Quintessenz ist. Für dich - vorläufig die Quintessenz (habe mir erlaubt zu gucken wie alt du bist - deswegen sage ich: vorläufig).

Das Rollen des Steins, die Erkenntniss, dass das der wichtige Teil ist, das wird wohl die Gemeinsamkeit sein.
Darf ich dir etwas sagen? Ich beneide jeden, der schon in diesem Alter dies weiss. Ich wusste es damals noch nicht. Aber das war nun mein persönliches Rollen, mein Stein, und mein Fels...

Liebe Grüße nach Wien

Miriam
 
Rock und Roll

Hallo Miriam,

Miriam schrieb:
Für dich - vorläufig die Quintessenz (habe mir erlaubt zu gucken wie alt du bist - deswegen sage ich: vorläufig).

die Quintessenz an der Sache ist ja, darauf zu kommen, dass jede Quintessenz, auf die man kommt und kommen wird, prinzipiell nur vorläufig sein kann. Es ist ein bisschen wie mit dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz, wenn Dir der was sagt. In diesem Sinne ist Dein Hinweis auf mein Alter nicht notwendig, weil die Vorläufigkeit der Sache in deren Natur liegt: Auch die Weisheit der alten Weisen ist immer nur vorläufig... ;-)

Miriam schrieb:
Darf ich dir etwas sagen? Ich beneide jeden, der schon in diesem Alter dies weiss. Ich wusste es damals noch nicht. Aber das war nun mein persönliches Rollen, mein Stein, und mein Fels...

Weisst Du, anfangs dachte ich, wenn ich die Problematik einmal durchschaut habe, dann wird der "Rest meines Lebens" ein Kinderspiel sein. Aber der Stein wird nicht leichter, sobald man WEISS wie er rollt. Und er schert sich einen Dreck um unseren ach so freien Willen. Er rollt einfach vor sich hin, und unsere Freiheit besteht im Grunde nur darin, diese Tatsache zu akzeptieren oder eben nicht...

Alles Liebe

spinnwebwald
 
spinnwebwald schrieb:
Hallo Miriam,



die Quintessenz an der Sache ist ja, darauf zu kommen, dass jede Quintessenz, auf die man kommt und kommen wird, prinzipiell nur vorläufig sein kann.

Guten Abend Spinnwebwald,

(na, einen ausgefallenen Namen hast du dir ja schon zugelegt...aber soviel Luxus muss ja gestattet sein... :) )

Ja, ich finde es sehr wichtig dies festzuhalten, dass auch die Quintessenz nur als Momentaufnahme, als Istzustand, begriffen werden sollte. Auch wenn wir den Eindruck haben, uns jetzt in ihr einrichten zu können, und auch wenn wir mal den einen oder anderen Zustand festhalten möchten.

spinnwebwald schrieb:
Weisst Du, anfangs dachte ich, wenn ich die Problematik einmal durchschaut habe, dann wird der "Rest meines Lebens" ein Kinderspiel sein. Aber der Stein wird nicht leichter, sobald man WEISS wie er rollt. Und er schert sich einen Dreck um unseren ach so freien Willen. Er rollt einfach vor sich hin, und unsere Freiheit besteht im Grunde nur darin, diese Tatsache zu akzeptieren oder eben nicht...

Alles Liebe


spinnwebwald

Hier denke ich etwas anders als du. Ich bin doch überzeugt, dass wir einen freien Willen haben - auch wenn wir daran zweifeln, in Augenblicken in denen uns der Stein rollt oder überrollt. Wir rollen ihn zwar, aber da wir seine Eigendynamik fast nicht- oder nur schwer erkennen können, vergessen wir oft, dass dieser Stein kein bewegungsloses Ding ist, dass wir uns also auch seiner Dynamik anpassen müssen. Ein sehr grosser und langer Lernprozess, aber auf den wir uns einlassen sollten, weil er auch spannend ist und voller Überraschungen.

Natürlich habe ich jetzt etwas den Pfad verlassen, (oder auch nicht?) also nichtmehr nur über Camus gesprochen, aber das war durchaus auch meine Absicht, als ich dieses Thema hier eröffnete. Die Gedanken weiterdenken, sehr individuell, verwoben mit unserer Erfahrung, wobei dann der Dialog zwischen den Generationen sehr spannend ist.

Bis zum nächsten Gedankenaustausch,

Liebe Grüße

Miriam
 
AW: Verdammt zur Freiheit - ein Beitrag von Theo Roos

Ich habe jetzt nicht alles gelesen. Aber im Thread über das Böse in der Welt wurde behauptet es gäbe keine Freiheit. Hier wird man verdammt zur Freiheit.

Aber es ist schon eine Frage.
Verdammt zur Freiheit oder gibt es gar keine Freiheit?
"Die Liebe ist ein Kind der Freiheit."

meint :megaphon: :schaf: rg
 
AW: Verdammt zur Freiheit - ein Beitrag von Theo Roos

Ehre, wem Ehre gebührt... - dass der Mensch zur Freiheit verdammt ist, entstammt weniger den Essays des Albert Camus, so sehr ich diese - ebenso wie seine Tagebücher - auch schätze, sondern der Philosophie des Jean-Paul Sartre...
 
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AW: Verdammt zur Freiheit - ein Beitrag von Theo Roos

Ehre, wem Ehre gebührt... - dass der Mensch zur Freiheit verdammt ist, entstammt weniger den Essays des Albert Camus, so sehr ich diese - ebenso wie seine Tagebücher - auch schätze, sondern der Philosophie des Jean-Paul Sartre...

Ich habe es ja mehr mit die Realität. Ich habe mit Nichtseßhaften gearbeitet. Diese waren tatsächlich verdammt zur Freiheit. Sie bekommen keine Hilfe und nehmen auch kaum welche an, eine Beziehung aufzubauen und gutes anzunehmen. Ich erinnere mich an einen lieben Mann, der am Abend vorher noch mit einer Kollegin einen Antrag für Bekleidung aufgenommen hat. Er hatte einen unwiderstehlichen Drang jetzt wieder zu gehen. Er flehte mich buchstäblich an, nicht traurig zu sein.

Der war zur Freiheit verdammt.

meint :megaphon: :schaf: rg
 
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