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Unvoreingenommenheit tut not!

mwirthgen schrieb:
Ja, JaneS., ohne Vorurteile sein geht in eine ähnliche Richtung wie Unvoreingenommen sein. Doch hier geht es noch um ein kleines bisschen mehr: Frei von nicht näher zu begründenden Weltanschauungen möchte ich mit anderen diskutieren und in diesem Sinne die Frage: Geht das?

manni :reden:
Hallo mwirthgen,

erlaube mir, ein bisschen Wortklauberei zu betreiben, bevor ich dir antworte:

Unser Wort "diskutieren" kommt von lat. discutere "zerschlagen, zerteilen, zerlegen", übertragene Bedeutung "eine zu erörternde Sache zerlegen, sie im einzelnen durchgehen" (laut Duden, Herkunftswörterbuch).

Also kann man immer diskutieren, etwas zerlegen und durchgehen. Die Frage ist, ob man das frei von Weltanschauungen tun kann. Ich denke, das kommt erstens auf das Thema an, zweitens darauf, was man unter Weltanschauung versteht. Mit einer logischer Sache geht das wohl schon, nehme ich mal an. Z.B. 1+1=2. Bei anderen Themen wird's schon schwieriger. Da können wir meist unsere religiöse, politische, ... Weltanschauung schwer ausklammern und ganz besonders gilt das für unsere persönliche Weltanschauung, für die Art, wie wir "die Welt anschauen". Das hat auch mit selektiver Wahrnehmung zu tun, denn bekanntlich können zehn Leute dieselbe Sache betrachten und jeder "sieht" etwas anderes.

Es ist auch wichtig, dass wir manchmal "voreingenommen" sind (obwohl das hier der falsche Ausdruck ist, weil nur negativ besetzt). Wir wären hoffnungslos überfordert mit dieser komplexen Welt und all den Reizen, die ständig auf uns einstürmen, wenn wir nicht manche Dinge einfach in verschiedene "Schubladen" einordnen könnten.

Ich glaube, dass wir nicht frei von Weltanschauungen diskutieren können. Ich muss etwas anschauen = kennen, um darüber diskutieren zu können (wenn ich noch ein bisschen wortklauben darf :)). Das halte ich aber nicht für schlimm, weil trotzdem eine gute, faire Diskussion möglich ist, vorausgesetzt, man lässt die Meinung der anderen gelten, legt den eigenen Standpunkt dar, ohne die anderen zu bewerten, abzuqualifizieren, etc. und man ist auch mal bereit, die eigene Meinung zu hinterfragen. Sprich: alle Beteiligten sollten sich an gewisse Grundregeln der Kommunikation halten.

Natürlich gibt es Themen und Gesprächspartner, wo sich jede Diskussion erübrigt, weil sie zu nichts führt. So ist es sinnlos, wenn ein eingefleischter Schulmediziner und ein überzeugter Anhänger der Homöopathie über die Wirksamkeit von homöopathischen Arzneien diskutieren, oder wenn man mit einem Vegetarier die Frage erörtern will, ob Hühnerfleisch gebraten oder gedünstet besser schmeckt. Das wäre für beide Teile nur frustrierend. Interesse für die Meinung des anderen ist wohl auch eine Voraussetzung für eine gute Diskussion.

:reden:

LG
Jane
 
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kathi schrieb:
@ Jane.S.: danke für Deinen Beitrag.
JA, der für die heutige Zeit passendere Ausdruck ist sicherlich "ohne Vorurteil".

Ganz Deiner Meinung. Das ist ja gerade das Paradox!
Nämlich, gerade durch die Erkenntnis, dass ich alles (nicht nur Gutes, das ich haben will) in mir habe, entsteht echtes Verständnis für die Umwelt und dadurch dann auch echte Toleranz (die nichts mit falscher Harmoniesucht oder Friedensliebe zu tun hat - nämlich einer "falschen" Harmoniesucht, die daraus entsteht, weil mensch sich in Wahrheit nicht die Finger verbrennen will).
Das sehe ich auch so. Wirklich nachfühlen und dadurch richtig verstehen kann der Mensch nur, was er selbst erfahren hat.

Was du über falsche Harmoniesucht schreibst, gefällt mir sehr gut. Ich glaube auch, dass sie aus dem Bestreben entsteht, jedem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Wir versuchen oft, jenen Pol zu meiden, den wir als negativ betrachten. Wir übersehen dabei, dass erstens Konflikte auch etwas Positives an sich haben, erzwingen sie doch eine Auseinandersetzung mit einem Problem und ermöglichen dadurch eine Lösung, zweitens glaube ich, dass man nur durch These und Antithese zur Synthese kommen kann. Was ich damit sagen will, möchte ich an ein paar Beispielen erläutern: Zu Mut gelangt man nicht, indem man die Angst vermeidet, sondern nur, indem man sich auf sie einlässt, also durch sie hindurch. Der Weg zur Fröhlichkeit führt durch die Trauer hindurch, nicht um sie herum (=verdrängen). Also kommt man auch zu einem gesunden Harmoniebedürfnis durch ein Sich-Einlassen auf Konflikte (wenn geht, auf konstruktive Weise :)). Das Akzeptieren unserer negativen Seiten hilft uns, sie zu überwinden und weiterzukommen in unserer Entwicklung, denke ich.

Nun sind wir aber von klein auf auf "brav sein" und auf "gut sein" getrimmt, und darauf, alles Negative zu bekämpfen. Doch wie heißt es so treffend? "Alles was du bekämpfst, bleibt ein Leben lang dein Feind".

Liebe Grüße
Jane
 
Ja, Jane - Ich denke ganz ähnlich, wie Du am Beginn dieser Diskussion feststellen kannst.
Da bin ich noch nicht der Frage nachgegangen , der moralischen nämlich, ob es an sich wünschenswert ist, "unvoreingenommen" zu sein, so wie Du es ober mir tust - wie es andere hier auch schon angedeutet haben. Denn ich sage mit Dir: Vorurteilslosigkeit ist nicht Unvoreingenommenheit. Das eine möchte ich sein - vom anderen weiß ich, dass ich es nicht sein kann und wohl auch nicht will.
Ich wiederhole mich - und einige, die hier posten - wir sind als Menschen ein Produkt unserer Gene, unserer Fremd-und Selbsterziehung.
Wenn wir also nachdenken - egal über welchen Tatbestand, welche Frage an sich, können wir das immer nur in unserer Geformtheit tun.

Und etwas Wesentliches ist bei allen rationalen Vorgängen unsere Weltanschauung, in der wir dann Urteile fällen - oder halt: zu Denkergebnissen kommen.
Ich kann mir - manni, verzeih, - mich selbst nicht ohne meine Verankerung in meinem Bekenntnis zu einem Humanismus denken, der seine Erkenntnisse empirisch beweisbar herleiten muss.

Ich kann nicht " unvoreingenommen" sein.


frdlg
Marianne

Kathi, ich sehe gerade, dass Du - von einem anderen Ansatz zwar, aber doch zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommst wie Jane und ich. - Habs schnell noch dazu gegeben.
M.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Um miteinander zu kommunizieren müssen wir uns auf Sprachen einigen. Gerade das Sprachempfinden ist sehr subjektiv.
Mathematik ist eine Philosophie.
Aber ich muss dir ein Zugeständnis machen, das wir bei der Logik wenig Interpretationsspielräume haben.
Dies spricht aber nur für die Qualität nicht für die Objektivität.
Wie kommt es das die Menschen Mathematik erst erlernen müssen? Thorsten.

Thorsten,

mir geht es nicht darum Subjektivität zu bestreiten, sondern sie immer wieder zu überwinden, um nicht in Voreingenommenheiten stecken zu bleiben. Das setzt natürlich voraus, dass Subjektivität überwindbar ist! Ich finde es einfach so schrecklich unproduktiv, wenn mir Leute in Diskussionen sagen: Das sehe ich eben so, basta! Und damit ist dann der Gesprächsfaden gekappt. Ich denke, der Mensch ist doch ein lernfähiges Wesen und kann doch auch über seinen Schatten springen - oder? Können wir uns darauf einigen, dass Subjektivität nicht ausreicht um Qualität, die wir doch brauchen, zu begründen, wie z.B. die Mathematik zeigt?

Um Voreingenommenheit zugunsten von Unvoreingenommenheit zu überwinden, ist es sinnvoll zu überlegen, ob der subjektiver Standpunkt beibehalten werden muss oder nicht!
Ich meine, Subjektivität ist überwindbar, wie u.a. das Beispiel Mathematik zeigt! Dein Hinweis auf das binäre System im Vergleich zum dekadischen ist für mich ein Indiz dafür, dass der Mensch eine gewisse Freiheit im Umgang mit seiner Subjektivität hat, ihr also nicht zwangsweise unterworfen ist, weil er unterschiedliche Standpunkte einnehmen kann. Kannst du dem auch zustimmen?

Auch das Miteinandersprechen – vorausgesetzt man will verstehen und verstanden werden und nicht bloß dozieren, bzw. rechthaben – zeigt, die Fähigkeit des Menschen, seine eigene Subjektivität zu überschreiten. Sprache – das bestreite ich keineswegs - ist in der Tat nicht eindeutig, sondern immer mehrdeutig. Das hat neben dem ganz persönlichen Empfinden auch mit der jeweils unterschiedlichen Subjektivität des eigenen Verständnisses zu tun, mit der Vorstellung von dem, was unter bestimmten Worten zu verstehen ist usw. Aber im Dialog kann man sich darüber verständigen, was man meint, wenn man z.B. den Begriff „Subjektivität“ verwendet. Und ist diese Möglichkeit nicht ein Hinweis darauf, dass man seine Subjektivität überschreiten kann, Thorsten?

Und nun noch zur Objektivität: Ich meine nicht, dass Unvoreingenommenheit gleich Objektivität ist. Objektivität ist etwas, dem wir uns Menschen vermutlich nur annähern können, das weiß die Philosophie schon lange - und seit mehr als 100 Jahren pfeifen es auch die Naturwissenschaften von allen Dächern -, ist deshalb so schwierig, weil wir nie die Dinge unmittelbar, sondern immer nur mittelbar vor uns haben. Und wie die Quantenphysik lehrt, je mehr wir uns mit Kleinen beschäftigen, desto mehr entgleitet uns, was wir noch erkennen, bzw. beschreiben und erklären können. Das gilt auch für die Humanwissenschaften. Die vermutete Unerreichbarkeit von Objektivität heißt aber nicht zwangsläufig Versinken in Subjektivität. Sondern fordert uns heraus an Hand dessen, was wir erkennen können, zu einem unvoreingenommenen und damit zu qualitativen Urteilen zu kommen.

Was in den Wissenschaften vergleichsweise „leicht“ – stimmt so auch nicht – zu haben ist, wird natürlich ungleich viel schwieriger im Zwischenmenschlichen. Um nur einen Hinweis zu geben! Wem fällt es schon leicht, lieb gewordene Positionen und Meinungen aufzugeben?

Positiv für die Entwicklung von Unvoreingenommenheit aber ist, das, was du als Frage stellst: Warum muss der Mensch Mathematik lernen? Der Mensch muss alles lernen, das ist eigentlich das stärkste Argument gegen diejenigen, die glauben, ihre einmal eingenommenen Positionen beibehalten zu müssen. Der Mensch ist gar nicht darauf „programmiert“ fixiert zu sein! Denn Unvoreingenommenheit tut not! Für mich ist das fast schon ein der Menschenwürde innewohnendes Prinzip!

Gruß
Manni :winken1:
 
Zuletzt bearbeitet:
JaneS. schrieb:
Hallo mwirthgen,

erlaube mir, ein bisschen Wortklauberei zu betreiben, bevor ich dir antworte:

Unser Wort "diskutieren" kommt von lat. discutere "zerschlagen, zerteilen, zerlegen", übertragene Bedeutung "eine zu erörternde Sache zerlegen, sie im einzelnen durchgehen" (laut Duden, Herkunftswörterbuch).

Also kann man immer diskutieren, etwas zerlegen und durchgehen. Die Frage ist, ob man das frei von Weltanschauungen tun kann.

Ich glaube, dass wir nicht frei von Weltanschauungen diskutieren können. Ich muss etwas anschauen = kennen, um darüber diskutieren zu können (wenn ich noch ein bisschen wortklauben darf :)). Das halte ich aber nicht für schlimm, weil trotzdem eine gute, faire Diskussion möglich ist, vorausgesetzt, man lässt die Meinung der anderen gelten, legt den eigenen Standpunkt dar, ohne die anderen zu bewerten, abzuqualifizieren, etc. und man ist auch mal bereit, die eigene Meinung zu hinterfragen. Sprich: alle Beteiligten sollten sich an gewisse Grundregeln der Kommunikation halten.

Natürlich gibt es Themen und Gesprächspartner, wo sich jede Diskussion erübrigt, weil sie zu nichts führt. So ist es sinnlos, wenn ein eingefleischter Schulmediziner und ein überzeugter Anhänger der Homöopathie über die Wirksamkeit von homöopathischen Arzneien diskutieren, oder wenn man mit einem Vegetarier die Frage erörtern will, ob Hühnerfleisch gebraten oder gedünstet besser schmeckt. Das wäre für beide Teile nur frustrierend. Interesse für die Meinung des anderen ist wohl auch eine Voraussetzung für eine gute Diskussion.

Liebe Jane,

wenn ich dich richtig verstehe, dann dienen Diskussionen nur, der Darlegung des eigenen Standpunktes, du rechnest aber nicht damit von etwas anderem überzeugt zu werden? D.h. du gehst nicht davon aus von anderen etwas lernen zu können? Und du rechnest schon gar nicht damit, deine eigene Weltanschauung in Frage stellen zu müssen?

Gruß manni
 
Marianne schrieb:
Ich wiederhole mich - und einige, die hier posten - wir sind als Menschen ein Produkt unserer Gene, unserer Fremd-und Selbsterziehung.
Wenn wir also nachdenken - egal über welchen Tatbestand, welche Frage an sich, können wir das immer nur in unserer Geformtheit tun.

Und etwas Wesentliches ist bei allen rationalen Vorgängen unsere Weltanschauung, in der wir dann Urteile fällen - oder halt: zu Denkergebnissen kommen.

Ich kann mir - manni, verzeih, - mich selbst nicht ohne meine Verankerung in meinem Bekenntnis zu einem Humanismus denken, der seine Erkenntnisse empirisch beweisbar herleiten muss.

Ich kann nicht " unvoreingenommen" sein.


Marianne,

Selbsterziehung ist das Stichwort, das die Möglichkeit für die Unvoreingenommenheit enthält. Der Mensch ist ja nicht zwangsweise fremdbestimmt. Sondern er hat die Möglichkeit, seine eigene Subjektivität erkennend in den Blick zu bekommen und von daher korrigierend sich zu verändern oder bestätigend im alten Gleise weiter zu fahren.

Wichtig sind dabei die Gründe: empirische Hinweise auf die Freiheit Subjektives zu verändern gibt es genug. Schau in meinen Beitrag, den ich heute an Fusselhirn Thorsten geschrieben habe!

Wichtig ist auch das Miteinander: Wenn wir dabei bleiben, dass wir keine Wege über unsere Weltanschauungen hinaus zueinander haben, dann stellt dies nicht bloß die Verbindlichkeit von Gesetzen und moralischen Vorstellungen in Frage, sondern macht auch die Bestrafung von Gesetzesübertritten zu einem Akt der Willkür. Wie wollen wir jemandem für etwas bestrafen, das in seiner Weltanschauung nicht strafwürdig ist?

Gruß
Manni
 
@mwirthgen
Ich denke, wir können uns annähern.:) Ich glaube, unser Problem ist/war die subjektive Defintinion von Unvoreingenommenheit. :D
Bein letzter Beitrag (mich betreffend) war sehr aufschlussreich und hat meinen Gedanken, die nötigen Information von aussen gegeben, um mein Gedanken diesbezüglich zu konkretisieren.
mwirthgen schrieb:
Können wir uns darauf einigen, dass Subjektivität nicht ausreicht um Qualität, die wir doch brauchen, zu begründen
Ja
mwirthgen schrieb:
Subjektivität ist überwindbar
Ich glaube, du meinst das richtige. Allerdings würde ich es nicht so ausdrücken.

Ich denke, die Stärke der Menschenheit ist ihre Heterogenität als Individuum bzw. ihre Subjektivität.
Es geht darum das wir als Objekte!, unsere Kommunikationskanäle(Sender und Empfänger) offen halten. Ehrlichkeit, fällt mir dazu spontan ein. Das ist aber einfacher gesagt als getan. Ein selbstbewusster Mensch wird dies eher können als Menschen mit Minderwertigkeitskomplexen. Auch bei mir gibt es Knöpfe wo ich wie ein HB-männchen in die Luft gehe und keine Information mehr an mich heran lasse bzw. mir es um andere Dinge (verursacht durch verletzte Gefühle) geht als den Informationsaustausch. Was hier im extremen gilt, gilt auch in der abgeschwächten Form. Du verstehst?

Noch einmal auf deine Ausgangsfrage zurückzukommen.
Ist dies hier in diesem Forum möglich?
Mittlerweile denke ich, ja, dies ist möglich. Es ist aber stark abhängig vom Thema, den subjektiven Bezug der Personen zu diesem Thema und der Kompabilität der benutzten Sprache.

in diesem Sinne,
Fusselhinne
 
Hallo mwirthgen, fussel und ihr anderen!

Entschuldigt, wenn ich euch meine Überlegungen einfach so herknalle, ohne auf eure Beiträge direkt einzugehen.
Ich fand das Thema sehr interessant, aber ich kann nur in einem bestimmten Zeitraum an den PC. Deshalb alles auf einmal, was mir dazu durch den Kopf gegangen ist.

Unvoreingenommenheit vs subjektive Weltanschauung?

Würde uns Unvoreingenommenheit ermöglichen, echte Dialoge zu führen?

Ich habe seit meinem Beitritt in dieses Forum bei so manchen Diskussionen mitgelesen, mitgedacht und mitgeschrieben. Was andere formulieren, muss bei mir Resonanz finden, d.h. ich brauche einen Anknüpfungspunkt für meine Gedanken, damit ich mich an der Diskussion überhaupt beteiligen kann.
Wenn mir das gelungen ist, dann heißt das noch lange nicht, dass ich mit der Antwort auf meinen Beitrag auch den nächsten Anknüpfungspunkt mitgeliefert bekomme, denn jeder spinnt seinen Faden weiter, mit seinen Überlegungen, die ja nur in seiner subjektiven Weltanschauung gelten. Es ist also in diesem Forum viel schwieriger, dass sich annähernde Meinungen überhaupt entwickeln können, als es in einer persönlichen Diskussion möglich wäre, wo Zwischenrufe einhaken können, wo Zwischentöne die Gesamtwirkung beeinflussen können.

Das zur Einleitung.

Ich glaube, es geht hier hauptsächlich um die Frage, was wir „Subjekte“ dazu beitragen können, ein „Miteinander“ zu entwickeln. Platons „leuchtender Ort“ ist für mich insofern eine gute Erklärung, weil ich es selbst erlebe, dass es so eine Art innere Stimme (wobei das eher eine Art Wissen ist) in mir gibt, ein „Indikator“, der mein Handeln insofern beeinflusst, dass ich selbst erkenne, ob etwas „richtig“ oder „falsch“ ist. Als ob es in mir einen vorgeformten Plan gäbe, wo ich sofort erkenne, ob das, was ich tue, passt oder nicht. Das gilt nicht nur für meine individuelle Orientierung, sondern ganz besonders für das Miteinander.

„Spürst du nicht, dass das jetzt nicht passt?“ – das bin ich schon öfter gefragt worden. Und wenn ich in mich hineinhöre, dann muss ich gestehen – Ja, ich spüre es. Ich tu manchmal trotzdem etwas anderes, weil ich gegen mein Gespür handeln will (ich bin der wandelnde Widerstand, ich weiß!), aber ich spüre, was da passt.

Deswegen glaube ich auch, dass es möglich ist, über sich hinauszuwachsen, einen Standpunkt einzunehmen, der auch die Sicht des anderen nachzuvollziehen versucht.

Die Schwierigkeit liegt mE darin, einerseits einen Standpunkt zu haben und zu vertreten, andererseits den Standpunkt des anderen anzuerkennen und ihm auch zuzugestehen, dass er genau das selbe für sich in Anspruch nimmt wie ich: Das Recht, seinen Weg zu gehen, als Individuum die Erfahrung zu machen, dass man damit sehr einsam ist, aber dass man mit dieser Erfahrung gar nicht allein ist.

Ich möchte genauso geliebt werden wie du, ich möchte genauso verstanden werden wie du. Ich möchte genauso nicht von dir be-/verurteilt, abqualifiziert, lächerlich gemacht, beschimpft werden, wie du es nicht von mir willst.
Ja, genauso wie dir ergeht es mir auch! Ich mache zwar meine Erfahrungen anders, lebe in anderen Umständen, stehe woanders, aber grundsätzlich ergeht es mir genauso wie dir.

Und die Tatsache, dass User hier im Forum lesen und Beiträge verfassen, zeigt doch auch, dass sie an einem Miteinander sehr interessiert sind. Das Lesen von anderen Beiträgen setzt doch schon eine gewisse Offenheit für die Sichtweise der anderen voraus. Und ganz langsam, Schrittchen für Schrittchen, gibt es auch bei den kontroversiellsten Ansichten eine Annäherung.

herzlich
lilith
 
mwirthgen schrieb:
Liebe Jane,

wenn ich dich richtig verstehe, dann dienen Diskussionen nur, der Darlegung des eigenen Standpunktes, du rechnest aber nicht damit von etwas anderem überzeugt zu werden? D.h. du gehst nicht davon aus von anderen etwas lernen zu können? Und du rechnest schon gar nicht damit, deine eigene Weltanschauung in Frage stellen zu müssen?

Gruß manni
Hallo mwirthgen,

Ich fürchte, du hast mich gründlich missverstanden und einiges überlesen.

JaneS. schrieb:
Ich glaube, dass wir nicht frei von Weltanschauungen diskutieren können. Ich muss etwas anschauen = kennen, um darüber diskutieren zu können (wenn ich noch ein bisschen wortklauben darf ). Das halte ich aber nicht für schlimm, weil trotzdem eine gute, faire Diskussion möglich ist, vorausgesetzt, man lässt die Meinung der anderen gelten, legt den eigenen Standpunkt dar, ohne die anderen zu bewerten, abzuqualifizieren, etc. und man ist auch mal bereit, die eigene Meinung zu hinterfragen. Sprich: alle Beteiligten sollten sich an gewisse Grundregeln der Kommunikation halten.

Natürlich gibt es Themen und Gesprächspartner, wo sich jede Diskussion erübrigt, weil sie zu nichts führt. So ist es sinnlos, wenn ein eingefleischter Schulmediziner und ein überzeugter Anhänger der Homöopathie über die Wirksamkeit von homöopathischen Arzneien diskutieren, oder wenn man mit einem Vegetarier die Frage erörtern will, ob Hühnerfleisch gebraten oder gedünstet besser schmeckt. Das wäre für beide Teile nur frustrierend. Interesse für die Meinung des anderen ist wohl auch eine Voraussetzung für eine gute Diskussion.

Zu einer Diskussion gehört zunächst natürlich das Darlegen des jeweils eigenen Standpunktes. Dann kann man dem, was der andere gesagt hat, ganz oder teilweise zustimmen, man kann es ergänzen, erweitern, und man kann auch einschränken, und es ganz oder teilweise ablehnen. Wichtig für eine gute Diskussion ist, dass man die Meinung des anderen gelten lässt im Sinne von "er hat ein Recht auf diese seine Meinung", das heißt aber nicht, dass ich ihm zustimmen muss. Ich kann die Meinung eines anderen ablehnen, ohne dass ich ihn als Person ablehne, bewerte oder abqualifiziere. Es ist ein Unterschied, ob ich zu jemandem sage: "Das sehe ich nicht so, dem kann ich nicht zustimmen", oder ob ich sage: "So darfst du nicht denken (!), was du da sagst ist ein Schwachsinn".

Das mit dem Überzeugtwerden ist so eine Sache. Das eine Extrem ist, sich nie von etwas oder jemandem überzeugen zu lassen. Das erscheint mir engstirnig. Das andere Extrem ist, ständig den anderen nach dem Mund zu reden. Das ist wankelmütig. Ob ich mich von jemandem überzeugen lasse? Das kommt natürlich darauf an, worum es geht, und wie sehr ich vom eigenen Standpunkt überzeugt bin. Wenn ich etwas weiß, werde ich mich nicht so leicht vom Gegenteil überzeugen lassen, wie wenn ich etwas nicht weiß und mich informieren will.

Und natürlich sollte man die eigenen Überzeugungen immer wieder hinterfragen, um zu sehen, ob sie für einen noch stimmen.

Eine sehr gute Freundin sagte vor vielen Jahren einmal während eines hitzigen Streitgesräches zu mir: "Nehmen wir einfach zur Kenntnis, dass wir in diesem Punkt verschiedener Meinung sind. Wir müssen nicht immer derselben Meinung sein, um befreundet zu sein!" Auch das scheint mir sehr wichtig!

Lernen kann man immer und von allen Menschen. Ich habe nicht geschrieben, dass dem nicht so sei!

Ich hoffe, dass es diesmal klarer ist, was ich sagen will. Wenn nicht, frag ruhig nach... :)

LG
Jane
 
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Das scheint ein Grundproblen in Foren allgemein zu sein (nicht nur in diesem speziellen), dass versucht wird, anderen die eigene Meinung überzustülpen, sich festzubeißen und in die Verteidigungshaltung zu fallen. Alles, was andere zu sagen haben, ist schlichtweg Quatsch und stammt aus niederen Geistesquellen, alles, was man selbst niederschreibt, ist hochwertige Kenntnis und natürlich völlig objektiv (seltsam, dass niemand die eigene Meinung teilen will).

Ich glaube, da packen wir uns alle mal lieber, ganz nach Katzenmanier, an den eigenen Schwanz, bevor wir in den der anderen beißen.

Ein Forum ist mir zu kostbar, als dass ich es wegen solcher Kleinigkeiten meiden möchte, kommen sie doch auch täglich im Umgang mit den Realen genauso vor. Der Drang alles hinzuschmeißen ist da, in der ersten Wut und in dem Gefühl missverstanden zu werden, doch muss man dem nicht nachgeben. Kühlen sich die Gemüter wieder ab, lässt sich doch sicher ein gemeinsamer Weg finden (es sei denn, die Kontrahenten beziehen hartnäckig Extrempositionen, die sich absolut nicht mehr vereinen lassen. Doch gerade das würde mir dann zu denken geben).

Wenn auch nur einer aus dem Forum geht, weil andere ihm nicht gegeben haben, was er benötigte, um hierbleiben zu wollen (Verständnis, Entgegenkommen, Achtung...), denken wir hier nicht wirklich nach, sondern suchen vielleicht nur eine Plattform um uns selbst zu beweihräuchern und unserem Ego die Krone aufzusetzen.

Eine Meinung, und sei sie noch so konträr zu der allgemeinen Forumsmeinung, hat die Berechtigung gesagt zu werden. Wie sonst sollte man sich damit auseinandersetzen können?

Wünschenswert wären also eigentlich genau solche Vertreter, die NICHT konform gehen, sondern andere Denkwege beschreiten, wenn wir nicht wollen, das dieses Forum langweilig wird, da alle immer derselben Auffassung sind.
 
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