AW: tugend
Tugend als (zu erreichende) Eigenschaft?
Ich denke, die ist allenfalls Begleiteffekt.
Weil Tugend meines Erachtens darüberhinaus
eine gewisse Qualität des Augenblicks bedeutet.
Zugegeben, es fällt bisschen schwer,
den Begriff 'Tugend'
vom historischen Ballast zu befreien.
Der wiegt nicht eben leicht -
vom Ritter ohne Furcht und Tadel
über Keuschheitsgürtelwahn
bis hin zu Ehrenmorden.
Andererseits gilt 'Tugend' als Bezeichnung
für aufrichtige Geduld und sanftmütige Geradlinigkeit.
Zumindest verstehe ich das Wort so.
Und denke: Tugend als Eigenschaft
ergibt sich aus vielen einzelnen Momenten,
in denen Mensch die Erfahrung macht,
dass konstruktives Denken und Handeln
faszinierende Horizonte öffnet.
Die viel weiter reichen,
als es bemühte Kontrollversuche können.
Grade fällt mir die Frau ein,
die die beiden Amokläufer in England
in ein Gespräch verwickelte.
Sie hat einfach gemacht,
was ihr in dem Moment richtig erschien.
Dass sie damit tugendhaft handelte,
hat erst die Presse festgestellt.
Für sie war's bloß selbstverständlich.
Ich weiß nicht,
ob Tugend in diesem Sinne
Begrenzung bedeuten kann.
